Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte 2009 einer Firma gegenüber Bauleistungen über insgesamt 5.171 € netto erbracht. Bei Erteilung der Rechnungen gingen sowohl die Klägerin als auch die Rechnungsempfängerin davon aus, dass Letztere die dadurch entstandene Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 i.V.m. § 13b Abs. 5 S. 2 UStG schuldet. Das beklagte Finanzamt war den Steuererklärungen der Klägerin zunächst gefolgt. Aufgrund einer im Jahr 2013 durchgeführten Außenprüfung ergingen für die Jahre 2009 bis 2011 jedoch Änderungsbescheide.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Ein Az. des BFH liegt noch nicht vor.
Die Gründe:
Die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 gem. § 27 Abs. 19 UStG war zu Recht erfolgt. Dem standen weder die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO noch des § 176 Abs. 2 AO entgegen.
§ 27 Abs. 19 UStG betrifft vor dem 15.2.2014 erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen, bei denen leistender Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer als Bauleistung nach § 13b UStG schuldet, diese Annahme sich aber nachträglich als unrichtig herausstellt. Die Vorschrift ist als verfahrensrechtliche Sondervorschrift zu § 174 Abs. 3 AO (widerstreitende Steuerfestsetzung) zu verstehen und verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot (keine echte Rückwirkung). Bei verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeiten unterscheidet der BFH die echte von der unechten Rückwirkung danach, ob die Festsetzungsfrist für die zu ändernden Bescheide bereits abgelaufen ist (z.B. BFH-Urteil v. 16.12.2014, Az.: VIII R 30/12).
Danach beinhaltete § 27 Abs. 19 UStG lediglich die unechte Rückwirkung, weil bei Inkrafttreten der Regelung (31.7.2014) im vorliegenden Fall noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes waren durch § 27 Abs. 19 S. 3 u. 4 UStG in verfassungskonformer Weise gewährleistet. Danach konnte der leistende Unternehmer die Steuerforderung des Finanzamtes dadurch erfüllen, dass er seinen zivilrechtlichen Umsatzsteuernachforderungsanspruch an das Finanzamt abtrat. Der Umsatzsteuernachforderungsanspruch ergab sich aus der nachträglichen Bruttoabrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger. Der sich zivilrechtlich aus § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) ergebende Anspruch auf Vertragsanpassung war hier nicht verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB frühestens mit Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (hier: BFH-Urteil vom 22.8.2013, s.o.) zu laufen begann.
Das Urteil betrifft Bauleistungen an Bauträger und damit eine Vielzahl von Fällen. Nachdem bereits mehrere Gerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung des § 27 Abs. 19 ausgegangen waren (z.B. FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.6.2015, Az.: 5 V 5026/15, UR 2015, 592), lag nunmehr - soweit ersichtlich - die erste Entscheidung eines Gerichtes in der Hauptsache vor, weshalb die Revision zugelassen wurde.
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