Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH versorgt Alten- und Pflegeheime mit Lebensmitteln und Dienstleistungen. Ihre Gesellschafter waren vor dem Besteuerungszeitraum 2005 (Streitjahr) mit einem Anteil von 10 % am Stammkapital M und mit einem Anteil von 90 % am Stammkapital deren Sohn S. Dieser hielt aufgrund Treuhandvertrags von Oktober 1999 seinen Anteil im Innenverhältnis als Treuhänder seines Vaters V. S war durch einen "Anstellungsvertrag für Geschäftsführer" von Oktober 1999 (ohne festes Monatsgehalt) zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 7.12.2004 wurde die F-GmbH errichtet. Gegenstand dieses Unternehmens war das einheitliche Halten und die einheitliche Verwaltung von Familienbeteiligungen an der A-GmbH und an der Klägerin. Das Stammkapital der F-GmbH hielten zu 90 % deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer V und zu 10 % M. Am selben Tage brachten V und M ihre Geschäftsanteile an der A-GmbH und an der Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2004 0:00 Uhr in die F-GmbH ein. Für das Streitjahr gab die Klägerin - in der Annahme, sie sei als Organgesellschaft in das Unternehmen der Organträgerin, der F-GmbH, eingegliedert - keine Umsatzsteuererklärung ab. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, die Klägerin sei finanziell und organisatorisch nicht in die F-GmbH eingegliedert, und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht das Vorliegen einer Organschaft mit der Begründung verneint, eine organisatorische Eingliederung der Klägerin liege nicht vor. Ob aber die F-GmbH - um Organträgerin sein zu können- - unternehmerisch tätig war, hat das FG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, sondern offengelassen.
Für die Annahme einer Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG ist es erforderlich, dass der Organträger finanziell über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt, wirtschaftlich mit der Organgesellschaft verflochten ist und die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin im Streitjahr in die F-GmbH finanziell eingegliedert war. Diese verfügte über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Klägerin, weil M und V sämtliche Anteile an der Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2004 wirksam in die F-GmbH eingebracht hatten und diese damit ihren Willen bei Beschlussfassungen hat durchsetzen können. Auch die Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung liegen vor. Eine solche liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht.
In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung aber auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung dafür ist, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind. Eine bloß faktische Geschäftsführung reicht dagegen nicht aus. Der Organträger muss durch schriftlich fixierte Vereinbarungen in der Lage sein, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschaft bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen. Die F-GmbH nahm aufgrund institutionell abgesicherter unmittelbarer Eingriffsmöglichkeiten - mittels V - die mit der finanziellen Eingliederung der Klägerin verbundene Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung wahr, indem sie die Klägerin durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschte.
Zwar war S zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt, doch hatte er laut Anstellungsvertrag Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie des Geschäftsführers der A-GmbH, nämlich V, zu befolgen. In der Gesellschafterversammlung hätte S sich nicht durchsetzen können, da die Geschäftsanteile an der Klägerin im Streitjahr von der F-GmbH, an deren Stammkapital V zu 90 % beteiligt war, gehalten wurden. Aufgrund des Anstellungsvertrags und der Bestellung von V zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der F-GmbH ist daher im Streitfall von einer organisatorischen Eingliederung auszugehen. Weder die Tatsache, dass V nicht personenidentisch mit der F-GmbH ist, noch die Feststellung, dass V von der Klägerin ein Gehalt bezog, führen zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Denn V war Geschäftsführer der F-GmbH. Besteht danach Personenidentität in der Geschäftsführung, muss von der organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden.
Allerdings hat das FG nicht festgestellt, sondern offengelassen, ob die F-GmbH im Streitjahr unternehmerisch tätig war. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt eine Organschaft voraus, dass der Organträger eine eigenständige Unternehmenstätigkeit ausübt; die Eigenschaft als Organträger kann jeder Unternehmer ausfüllen. Das FG wird danach im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu treffen haben, ob die F-GmbH die - über das Ergebnis der Außenprüfung in Bezug genommenen - Beratungsleistungen gegenüber der Klägerin und/oder der A-GmbH gegen Entgelt erbracht hat, d.h. selbständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig war (§ 2 Abs. 1 S. 1 und 3 UStG).
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.