Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Alleinerbe seiner 2009 verstorbenen Mutter. Bestandteil des Nachlasses war u.a. ein Einfamilienhaus. Das Gebäude wurde von der Erblasserin bis zu ihrem Umzug in ein Altenpflegeheim selbst genutzt. Danach nutzte es der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau zu eigenen Wohnzwecken. Das Finanzamt berücksichtigte eine Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Im Erläuterungstext hieß es hierzu: "Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt."
Der Kläger war der Auffassung, er habe seinen Grundbesitz nicht zur Erzielung eines Gewinns veräußert, sondern an seine Kinder in dem Glauben verschenkt, dass dies keinen Einfluss auf die Höhe der Erbschaftsteuer habe. Der im Steuerbescheid enthaltene Erläuterungstext sei unzureichend und für den Laien nicht nachvollziehbar gewesen, da er keinen Hinweis auf den Status als Eigentümer enthalte bzw. nicht auf die Schädlichkeit einer Veräußerung oder einer Schenkung hinweise. Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte zu Recht eine Nachversteuerung i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG vorgenommen.
Auch die unentgeltliche Übertragung eines Familienheims vier Jahre nach dem Erwerb von Todes wegen durch den Kläger als Erwerber auf seine Kinder lässt die Steuerbefreiung für Familienheime rückwirkend entfallen. Zwar umfasst der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG die Beibehaltung des Eigentums an dem Familienheim nicht, der Senat ist aber unter Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden zu der Überzeugung gelangt, dass durch die Übertragung des Eigentums an dem Familienheim auf die Kinder die Voraussetzungen der Steuerbefreiung rückwirkend entfallen sind.
Bei der Gesetzesauslegung ist nach h.M. auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers abzustellen, so wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des heute maßgeblichen, also normativen Gesetzessinns, wobei eine auf den Zweck der Rechtsnorm gestützte Auslegung nicht zur Preisgabe des Gesetzeswortlauts führen darf. Im Steuerrecht, als Bereich der Eingriffsverwaltung, ist zudem zu beachten, dass es nach dem rechtstaatlich gebotenen Gesetzesvorbehalt einer normierten Ermächtigungsgrundlage bedarf, die die Belastung des Steuerpflichtigen mit einer steuerlichen Abgabe ausdrücklich vorsieht.
Der BFH betont stets, dass der Wortlaut einer Steuernorm nicht allein maßgeblich für deren Anwendung ist. Vielmehr kann auch eine "über den Wortlaut hinausgehende" Auslegung des Steuergesetzes geboten sein. Der Richter darf sich der verschiedenen anerkannten Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen, um den jeweiligen Sachverhalt einer zutreffenden Besteuerung zuzuführen. Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen. Im vorliegenden Fall sprach sowohl die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm (teleologische Auslegung) als auch die systematische Auslegung dafür, dass die Steuerbefreiung für Familienheime voraussetzt, dass während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Erwerb das Familienheim nicht nur vom Erwerber bewohnt wird, sondern auch das Eigentum bei diesem verbleibt. Die im Schrifttum vertretene Auffassung, die Schädlichkeit der Eigentumsübertragung sei abhängig von der Person desjenigen zu beurteilen, der das Familienheim übernimmt, vermochte den den Senat nicht zu überzeugen.
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