Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte u.a. im Streitjahr 2005 sog. Prepaid-Verträge. Der Kunde leistete Einzahlungen - etwa mittels Direktaufladung über eine (dauerhaft) erteilte Einzugsermächtigung, Online-Aufladungen mit variablen Zahlungsmitteln (z.B. einmalige Einzugsermächtigung, Kreditkarte) oder durch Kauf und Aktivierung von im Namen und für Rechnung einer von der Klägerin vertriebenen Cash-Karten. Dadurch entstand - unabhängig von der Gutschrift der Gegenleistung auf den Konten der Klägerin - ein Guthaben auf dem jeweiligen Prepaid-Konto des Kunden. Dieses Guthaben konnten die Kunden sowohl für entgeltliche Leistungen (Telefonie, SMS, MMS, mobiles Internet) der Klägerin als auch für solche sog. Drittanbieter (Klingeltöne etc.) einsetzen.
Wegen eines Erstattungsverfahrens der Klägerin konnten Kunden nicht verwendetes Prepaid-Guthaben zurückerstattet verlangen. Die Erstattung war auch rückwirkend möglich für Prepaid-Guthaben, die in der Vergangenheit - so auch in 2005 - ungenutzt geblieben waren. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die verfallenen und nicht ausgezahlten Guthaben am Ende der D-Phase umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Umsätze darstellten. Das FG hat mittels Zwischenurteil entschieden, dass die Klägerin bereits mit der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Guthaben auf den Prepaid-Konten und nicht erst bei der späteren Verwendung dieser Guthaben für Telefonate etc. gegenüber den Erwerbern sonstige Leistungen erbracht hatte. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Es war sachdienlich, zunächst nur darüber zu entscheiden, ob und wann die Klägerin in Zusammenhang mit den Prepaid-Verträgen Leistungen, die zu steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen führen können, erbracht hatte.
Die entscheidende Leistungshandlung der Klägerin war die Zurverfügungstellung der Plattform für den vertraglich vereinbarten Zeitraum im Zeitpunkt der Aufladung des Guthabens durch den Kunden. Ab diesem Zeitpunkt, der mit jeder Aufladung neu beginnt, hat der Kunde unmittelbar die Möglichkeit des Empfangs von Telefonaten, Nachrichten und Datendiensten. Er kann Anrufe und die weiteren von der Klägerin eröffneten Möglichkeiten aktiv tätigen. Der zur Annahme einer Leistungsbeziehung notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und der Gegenleistung bestand also bei Aufladung eines Guthabens. Der Kunde erbrachte seine Gegenleistung hingegen nicht dafür, um später jeweils eine einzelne weitere Leistung zu beziehen. Über die einzelnen Dienstleistungen der Klägerin oder von Drittanbietern sollte sich der Kunde nach dem Vertragsmodell gerade keine Gedanken mehr machen müssen.
Auch aus Sicht der Klägerin und aufgrund der von ihr durch die Vorformulierung der AGB gestalteten Vertragsbeziehungen war der entscheidende Zeitpunkt für ihre Leistung die Aufladung des Guthabenbetrags durch den Kunden. Aufgrund der damit abweichend von den Beteiligten zu bestimmenden Leistungshandlung änderte sich - bei angenommener Steuerbarkeit und Steuerpflicht im Inland - auch der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Maßgeblich für dessen Bestimmung war der Zeitpunkt der Aufladung des Guthabens auf dem Prepaid-Konto. Abweichend hiervon bestimmte sich der Besteuerungszeitpunkt allerdings, wenn die Aufladung nicht durch eine über die Klägerin unmittelbar veranlasste Direktaufladung, sondern über den Erwerb einer Guthabenkarte erfolgte. In diesem Fall war der Aktivierung des Guthabens auf dem Prepaid-Konto noch ein gesonderter Erwerbsvorgang vorgeschaltet. Dieser ging der Aktivierung des Guthabens eine mehr oder weniger lange Zeit voraus. Die erworbene Guthabenkarte wirkte hier als Gutschein.
Zu welchem Zeitpunkt bei dem Erwerb eines Gutscheins die umsatzsteuerliche Leistung zu besteuern ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Der EuGH differenzierte im Urteil vom 29.7.2010 (Rs. C-40/09 - Astra Zeneca UK) nicht zwischen multi- und monofunktionalen Gutscheinen und sah in der Aushändigung eines Gutscheins gegen Entgelt eine eigenständige Dienstleistung i.S.v. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Im Streitfall war die erworbene Guthabenkarte monofunktional. Mit ihr konnte durch Aktivierung auf dem Prepaid-Konto nur die Leistung der Klägerin in Anspruch genommen werden. Der Senat schließt sich den Auffassungen, die hinsichtlich des Zeitpunkts der Steuerentstehung zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen, an. Im Zeitpunkt des Erwerbs der Guthabenkarte war somit zumindest eine Anzahlungsbesteuerung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a) S. 4 UStG, Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorzunehmen.
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