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Verlustabzug bei privaten Veräußerungsgeschäften auf Einkunftsebene

FG Köln 24.3.2014, 12 K 1964/12

§ 23 Abs. 3 S. 9 EStG sieht ausdrück­lich eine Ver­lust­ver­rech­nung mit den Einkünf­ten aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften vor, während die Ver­lust­ver­rech­nung des § 10d Abs. 2 EStG dem Wort­laut nach mit dem Ge­samt­be­trag der Einkünfte statt­fin­det. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung, die Ver­lust­ver­rech­nung habe ent­spre­chend der An­ord­nung in § 10d Abs. 2 EStG mit dem Ge­samt­be­trag der Einkünfte zu er­fol­gen, ist die ausdrück­li­che An­ord­nung der Ver­lust­ver­rech­nung mit Einkünf­ten in § 23 Abs. 3 S. 9 EStG als Spe­zi­al­vor­schrift hin­sicht­lich des Or­tes der Ver­lust­ver­rech­nung zu ver­ste­hen und die­ser Vor­rang ge­genüber dem Ver­weis auf § 10d EStG zu ge­ben.

Der Sach­ver­halt:
Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist strei­tig, ob bei der Er­mitt­lung der nicht dem Steu­er­ab­zug vom Ar­beits­lohn un­ter­lie­gen­den, po­si­ti­ven Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein Ver­lust­ab­zug für pri­vate Veräußerungs­ge­schäfte i.S.d. § 23 Abs. 3 EStG zu berück­sich­ti­gen und dem­ent­spre­chend eine Pflicht- oder eine An­trags­ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer 2006 vor­zu­neh­men ist.

Der Kläger reichte seine Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2006 im Au­gust 2011 beim Fi­nanz­amt ein. Ne­ben Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Tätig­keit erklärte er darin un­ter­halb des Spa­rer-Frei­be­tra­ges lie­gende Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen so­wie Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften, die un­ter Berück­sich­ti­gung des Hal­beinkünf­te­ver­fah­rens ins­ge­samt 2.110 € be­tra­gen.

Das Fi­nanz­amt nahm auf­grund nach sei­ner Auf­fas­sung zwin­gend auf Ein­kunfts­ebene vor­zu­neh­men­der Ver­rech­nung der für das Streit­jahr erklärten, po­si­ti­ven Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften mit auf den 31.12.2005 fest­ge­stell­ten Ver­lus­ten aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften i.H.v. 1.923 € (Saldo: 187 €) eine An­trags­ver­an­la­gung an und lehnte diese un­ter Hin­weis auf die Über­schrei­tung der Fest­set­zungs­frist ab. Die Fest­set­zungs­frist für An­trags­ver­an­la­gun­gen be­trage 4 Jahre ohne Gel­tung der An­lauf­hem­mung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO.

Der Kläger ist dem­ge­genüber der An­sicht, eine Ver­an­la­gung habe als Pflicht­ver­an­la­gung zu er­fol­gen, da die po­si­tive Summe der ein­kom­men­steu­er­pflich­ti­gen Einkünfte, die nicht dem Steu­er­ab­zug vom Ar­beits­lohn zu un­ter­wer­fen wa­ren, im Streit­jahr mehr als 410 € be­tra­gen habe. Die Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften seien nach der Sys­te­ma­tik des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes gem. § 10d EStG erst vom Ge­samt­be­trag der Einkünfte ab­zu­zie­hen und bei der Bil­dung der Summe der Einkünfte noch nicht zu berück­sich­ti­gen.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Pflicht­ver­an­la­gung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind im Streit­fall nicht erfüllt, da die po­si­tive Summe der ein­kom­men­steu­er­pflich­ti­gen Einkünfte, die nicht dem Steu­er­ab­zug vom Ar­beits­lohn zu un­ter­wer­fen wa­ren, nicht mehr als 410 € beträgt.

Die Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen be­tra­gen un­ter Berück­sich­ti­gung des Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­tra­ges und des Spa­rer-Frei­be­tra­ges im Streit­jahr 0 €. Die po­si­ti­ven Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften des Streit­jah­res sind auf Ein­kunfts­ebene um die auf den 31.12. des Vor­jah­res fest­ge­stell­ten ne­ga­ti­ven Einkünfte aus die­ser Ein­kunfts­art zu min­dern, so­dass die Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften im Streit­jahr ins­ge­samt 187 € und da­mit we­ni­ger als 410 € be­tra­gen.

Der Wort­laut der Vor­schrift des § 23 Abs. 3 S. 9 EStG sieht ausdrück­lich eine Ver­lust­ver­rech­nung mit den Einkünf­ten aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften vor, während die Ver­lust­ver­rech­nung des § 10d Abs. 2 EStG dem Wort­laut nach mit dem Ge­samt­be­trag der Einkünfte statt­fin­det. Ent­ge­gen der auch vom Kläger ver­tre­te­nen Auf­fas­sung, wel­che aus der For­mu­lie­rung "nach Maßgabe des § 10d" den Schluss zieht, die Ver­lust­ver­rech­nung habe ent­spre­chend der An­ord­nung in § 10d Abs. 2 EStG mit dem Ge­samt­be­trag der Einkünfte zu er­fol­gen, ist die ausdrück­li­che An­ord­nung der Ver­lust­ver­rech­nung mit Einkünf­ten in § 23 Abs. 3 S. 9 EStG als Spe­zi­al­vor­schrift hin­sicht­lich des Or­tes der Ver­lust­ver­rech­nung zu ver­ste­hen und die­ser Vor­rang ge­genüber dem Ver­weis auf § 10d EStG zu ge­ben.

Der Ge­setz­ge­ber scheint sich zwar über die Pro­ble­ma­tik der durch den Ver­weis auf­tre­ten­den Mehr­deu­tig­keit nicht be­wusst ge­we­sen zu sein, so­dass auch die Ge­set­zes­begründung in­so­weit nicht ein­deu­tig ist. Es spricht aber ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers vie­les dafür, dass sei­tens des Ge­setz­ge­bers die "en­gere" Ver­rech­nung auf der Einkünfte-Ebene ge­wollt ist. Nach all­dem spricht mehr dafür, dass der Ge­setz­ge­ber eine ge­schlos­sene Re­ge­lung der Berück­sich­ti­gung von Ver­lus­ten auf Ein­kunfts­ebene schaf­fen wollte und die Ver­wei­sung auf § 10d EStG da­her nur in­so­weit von Be­deu­tung sein sollte, als bzgl. der Ver­lust­ver­rech­nung nicht spe­zi­el­lere Re­ge­lun­gen in § 23 EStG an­ge­ord­net sind.

Die Vor­aus­set­zun­gen für die im Streit­fall also al­leine in Be­tracht kom­mende An­trags­ver­an­la­gung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sind im Streit­fall nicht ge­ge­ben. Da­nach wird eine Ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer durch­geführt, wenn dies be­an­tragt wird, wo­bei als An­trag die Ab­gabe der Ein­kom­men­steu­er­erklärung gilt. Der An­trag wurde vor­lie­gend je­doch erst nach Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist ge­stellt. Die Fest­set­zungs­frist für Ein­kom­men­steuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Ein­kom­men­steuer für 2006 verjährte dem­nach mit Ab­lauf des Jah­res 2010. Der er­for­der­li­che An­trag durch Ab­gabe der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2006 wurde im Streit­fall aber erst im Jahr 2011 beim Be­klag­ten ge­stellt.

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