Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung der nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegenden, positiven Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein Verlustabzug für private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen und dementsprechend eine Pflicht- oder eine Antragsveranlagung zur Einkommensteuer 2006 vorzunehmen ist.
Das Finanzamt nahm aufgrund nach seiner Auffassung zwingend auf Einkunftsebene vorzunehmender Verrechnung der für das Streitjahr erklärten, positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit auf den 31.12.2005 festgestellten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 1.923 € (Saldo: 187 €) eine Antragsveranlagung an und lehnte diese unter Hinweis auf die Überschreitung der Festsetzungsfrist ab. Die Festsetzungsfrist für Antragsveranlagungen betrage 4 Jahre ohne Geltung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO.
Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, eine Veranlagung habe als Pflichtveranlagung zu erfolgen, da die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, im Streitjahr mehr als 410 € betragen habe. Die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes gem. § 10d EStG erst vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen und bei der Bildung der Summe der Einkünfte noch nicht zu berücksichtigen.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind im Streitfall nicht erfüllt, da die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, nicht mehr als 410 € beträgt.
Die Einkünfte aus Kapitalvermögen betragen unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrages und des Sparer-Freibetrages im Streitjahr 0 €. Die positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahres sind auf Einkunftsebene um die auf den 31.12. des Vorjahres festgestellten negativen Einkünfte aus dieser Einkunftsart zu mindern, sodass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr insgesamt 187 € und damit weniger als 410 € betragen.
Der Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 9 EStG sieht ausdrücklich eine Verlustverrechnung mit den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften vor, während die Verlustverrechnung des § 10d Abs. 2 EStG dem Wortlaut nach mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte stattfindet. Entgegen der auch vom Kläger vertretenen Auffassung, welche aus der Formulierung "nach Maßgabe des § 10d" den Schluss zieht, die Verlustverrechnung habe entsprechend der Anordnung in § 10d Abs. 2 EStG mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte zu erfolgen, ist die ausdrückliche Anordnung der Verlustverrechnung mit Einkünften in § 23 Abs. 3 S. 9 EStG als Spezialvorschrift hinsichtlich des Ortes der Verlustverrechnung zu verstehen und dieser Vorrang gegenüber dem Verweis auf § 10d EStG zu geben.
Der Gesetzgeber scheint sich zwar über die Problematik der durch den Verweis auftretenden Mehrdeutigkeit nicht bewusst gewesen zu sein, sodass auch die Gesetzesbegründung insoweit nicht eindeutig ist. Es spricht aber entgegen der Auffassung des Klägers vieles dafür, dass seitens des Gesetzgebers die "engere" Verrechnung auf der Einkünfte-Ebene gewollt ist. Nach alldem spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber eine geschlossene Regelung der Berücksichtigung von Verlusten auf Einkunftsebene schaffen wollte und die Verweisung auf § 10d EStG daher nur insoweit von Bedeutung sein sollte, als bzgl. der Verlustverrechnung nicht speziellere Regelungen in § 23 EStG angeordnet sind.
Die Voraussetzungen für die im Streitfall also alleine in Betracht kommende Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sind im Streitfall nicht gegeben. Danach wird eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt, wenn dies beantragt wird, wobei als Antrag die Abgabe der Einkommensteuererklärung gilt. Der Antrag wurde vorliegend jedoch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt. Die Festsetzungsfrist für Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Einkommensteuer für 2006 verjährte demnach mit Ablauf des Jahres 2010. Der erforderliche Antrag durch Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2006 wurde im Streitfall aber erst im Jahr 2011 beim Beklagten gestellt.
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