Der Sachverhalt:
Das klagende Ehepaar hatte Ende April 2008 von der X-Bank ein von der "Lehman Bros. Treasury Co. BV" emittiertes Zertifikat zu einem Preis von 180.900 € erworben. Bei der Emittentin handelte es sich um ein Tochterunternehmen der in den USA ansässigen Lehman-Brothers-Gruppe, über deren Vermögen im Oktober 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Im Juli 2009 veräußerten die Kläger die Papiere wieder an die X-Bank zu einem Preis von 18 €, entsprechend 0,50 € je 5.000 € Nennwert. Transaktionskosten fielen nicht an.
Das Finanzamt erkannte diesen Verlust im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht an. Die Stückzinserträge blieben dabei im Ergebnis aufgrund von zum 31.12.2008 festgestellten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften außer Ansatz. Nach Ansicht des Finanzamtes handelte es sich im Streitfall nicht um einen Veräußerungsvorgang i.S.v. § 20 Abs. 2 EStG, sondern um einen steuerlich unbeachtlichen Forderungsausfall. Schließlich sei das Papier durch die Insolvenz der Emittentin entwertet worden. Im Hinblick auf das BMF-Schreiben vom 9.10.2012 komme daher eine Berücksichtigung des Verlusts nicht in Betracht.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Veräußerung der Zertifikate führte im vorliegenden Fall zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Eine Einschränkung, wie sie das Finanzamt aufgrund der im Zuge des Insolvenzverfahrens der Emittentin eingetretenen Wertminderung angenommen hatte, kam nicht in Betracht. Es schien schon insgesamt, als wolle die Verwaltung die Vorschriften des § 20 Abs. 2 EStG dergestalt verstehen, dass Wertminderungen, die außerhalb des Kapitalmarkts liegen, auch bei anschließender Realisierung der Verluste aufgrund einer Veräußerung nicht der Besteuerung unterliegen. Dem folgte der Senat allerdings nicht. Eine solche Auffassung ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift, noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar.
Durch die im Rahmen des UntStRefG vorgenommen Änderungen des § 20 EStG im Zuge der Einführung der Abgeltungssteuer ist neben die schon bisher vorgenommene Besteuerung der laufenden Erträge (§ 20 Abs. 1 EStG) die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen als Einkünfte aus Kapitalvermögen hinzugekommen (§ 20 Abs. 2 u. 4 EStG). Die bis 2008 geltende Fassung des § 20 Abs. 2 EStG enthielt hingegen nur Regelungen für bestimmte Einnahmen aus der Veräußerung von Erträgen, wobei aber dem Grunde nach eine Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene erhalten blieb. Demgegenüber waren (realisierte) Gewinne auf der Vermögensebene nur im Rahmen der §§ 17 und 23 EStG zu versteuern. Die Umgestaltung des § 20 EStG hat, noch dazu im Gegensatz zu § 23 EStG ohne zeitliche Einschränkung, zur Folge, dass realisierte Wertveränderungen von Kapitalanlagen steuerwirksam sind und zwar sowohl als Gewinn (im engeren Sinne) als auch als Verlust.
Dementsprechend diente die Reform der Besteuerung der Kapitaleinkünfte gerade auch der Erfassung der realisierten Vermögenszuwächse und damit einhergehend der realisierten Vermögenseinbußen. Einen Grund, bei "außerhalb des Kapitalmarkts" liegenden Umständen, also insbesondere der Insolvenz, welche zu einem (zunächst noch nicht realisierten) Verlust führen (können), eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu machen, war für den Senat nicht ersichtlich. Da die Frage, ob bestimmte Veräußerungen, insbesondere wenn es zuvor einen Forderungsausfall gegeben hat, in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 EStG fallen, bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wurde die Revision zum BFH zugelassen.
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