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Vorliegen eines vertraglichen Tätigkeitsverbots i.S.v. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB im Handelsvertretervertrag

BGH 21.10.2015, VII ZB 8/15

Der in einem Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag ent­hal­te­nen Be­stim­mung "F ist als selbständi­ger Bau­spar­kas­sen-/Ver­si­che­rungs­ver­tre­te­rin nach § 92 i.V.m. §§ 84 ff. HGB im Haupt­be­ruf ständig da­mit be­traut, aus­schließlich für die P und ihre Pro­dukt­part­ner Bau­spar-, Fi­nan­zie­rungs- und Vermögens­auf­bau­pro­dukte zu ver­mit­teln" ist ein ver­trag­li­ches Tätig­keits­ver­bot i.S.v. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB zu ent­neh­men.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien strei­ten über den rich­ti­gen Rechts­weg. Die Kläge­rin bie­tet Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen an. Sie be­dient sich beim Ver­trieb ei­nes bun­des­wei­ten Net­zes von Han­dels­ver­tre­tern. Im März 2010 schlos­sen die Par­teien einen "Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag", der u.a. fol­gende Be­stim­mun­gen enthält: "§ 1
Rechts­stel­lung
1. F (die Be­klagte) ist als selbständi­ger Bau­spar­kas­sen-/Ver­si­che­rungs­ver­tre­te­rin nach § 92 i.V.m. §§ 84 ff. HGB im Haupt­be­ruf ständig da­mit be­traut, aus­schließlich für die P (Kläge­rin) und ihre Pro­dukt­part­ner Bau­spar-, Fi­nan­zie­rungs- und Vermögens­auf­bau­pro­dukte zu ver­mit­teln. § 4
Über­nahme wei­te­rer Ver­tre­tun­gen und sons­ti­ger Tätig­kei­ten
1. F ver­pflich­tet sich, während der Ver­trags­dauer ohne schrift­li­che Ein­wil­li­gung der P. we­der für ein von ihr selbst noch von Drit­ten be­trie­be­nes, glei­chen oder ähn­li­chen Ge­schäfts­zwe­cken die­nen­des Un­ter­neh­men un­mit­tel­bar noch mit­tel­bar tätig zu wer­den."

Das Ver­trags­verhält­nis wurde zum Ende des Jah­res 2012 be­en­det. Mit ih­rer Klage macht die Kläge­rin einen An­spruch ge­gen die Be­klagte auf Rück­zah­lung vor­schüssig ge­zahl­ter, je­doch ih­rer An­sicht nach nicht ver­dien­ter Pro­vi­sio­nen gel­tend. Die ein­ge­klagte Haupt­for­de­rung beläuft sich auf rd. 7.500 €.

Das LG erklärte durch Be­schluss gem. § 17a GVG den Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten für zulässig. Auf die so­for­tige Be­schwerde der Be­klag­ten hob das KG die­sen Be­schluss auf, erklärte den Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten für un­zulässig und ver­wies den Rechts­streit an das ArbG. Auf die Rechts­be­schwerde der Kläge­rin hob der BGH den Be­schluss des KG auf und ver­wies die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung dort­hin zurück.

Die Gründe:
Das KG hat of­fen­ge­las­sen, ob die Be­klagte als Ar­beit­neh­me­rin der Kläge­rin i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG ein­zu­stu­fen ist. Für die Rechts­be­schwerd­ein­stanz ist des­halb zu­guns­ten der Kläge­rin da­von aus­zu­ge­hen, dass dies nicht der Fall ist. Die Zuständig­keit der Ar­beits­ge­richte kann mit der vom KG ge­ge­be­nen Begründung nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG i.V.m. § 92a Abs. 1 HGB gestützt wer­den. Der recht­li­chen Nachprüfung hält es al­ler­dings im Er­geb­nis stand, dass das KG die Be­klagte als Ein­fir­men­ver­tre­te­rin i.S.d. § 92a Abs. 1 HGB ein­ge­stuft hat. Dies folgt je­den­falls aus der gem. § 1 Abs. 1 des zwi­schen den Par­teien ge­schlos­se­nen Han­dels­ver­tre­ter­ver­tra­ges ver­ein­bar­ten Rechts­stel­lung der Be­klag­ten.

Wird einem Han­dels­ver­tre­ter auf­er­legt, haupt­be­ruf­lich für den Un­ter­neh­mer tätig zu wer­den, mit dem er den Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag ge­schlos­sen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92a Abs. 1 S. 1 HGB als Ein­fir­men­ver­tre­ter kraft Ver­trags ein­zu­stu­fen. Ein sol­cher Han­dels­ver­tre­ter ist zwar nicht völlig von die­sem Un­ter­neh­mer abhängig, so­fern ihm eine ne­ben­be­ruf­li­che Tätig­keit ge­stat­tet ist. Bei der ge­bo­te­nen ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung ist ein sol­cher Han­dels­ver­tre­ter je­doch einem An­ge­stell­ten ähn­lich an­genähert wie ein Han­dels­ver­tre­ter, dem ver­trag­lich vollständig un­ter­sagt ist, für wei­tere Un­ter­neh­mer tätig zu wer­den.

Denn er ist - ähn­lich wie ein haupt­be­ruf­lich An­ge­stell­ter - ver­pflich­tet, haupt­be­ruf­lich für den Un­ter­neh­mer tätig zu wer­den, mit dem er den Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag ge­schlos­sen hat. Er kann die sich aus ei­ner an­der­wei­ti­gen Tätig­keit er­ge­ben­den Chan­cen nicht in glei­cher Weise nut­zen wie ein nicht in den An­wen­dungs­be­reich des § 92a Abs. 1 S. 1 HGB fal­len­der Mehr­fir­men­ver­tre­ter. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze er­gibt sich aus § 1 Abs. 1 ein ver­trag­li­ches Ver­bot der Tätig­keit für wei­tere Un­ter­neh­mer i.S.d. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB. Der ge­nann­ten Ver­trags­be­stim­mung ist die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zu ent­neh­men, haupt­be­ruf­lich für die Kläge­rin tätig zu wer­den.

Von Rechts­feh­lern be­ein­flusst ist da­ge­gen die Auf­fas­sung des KG, die von der Be­klag­ten in den letz­ten sechs Mo­na­ten vor Ver­trags­be­en­di­gung be­zo­gene durch­schnitt­li­che mo­nat­li­che Vergütung be­laufe sich un­ter Berück­sich­ti­gung ei­ner Sal­die­rung von gut­ge­schrie­be­nen und stor­nier­ten Pro­vi­sio­nen auf nicht mehr als 1.000 €. Keine Vergütung i.S.d. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG sind als vorläufige Zah­lun­gen gewährte Vor­schüsse, die dem Han­dels­ver­tre­ter nicht auf Dauer ver­blei­ben. Nach den Fest­stel­lun­gen des KG er­hielt die Be­klagte je­weils Pro­vi­si­ons­vor­schuss­zah­lun­gen für von ihr ver­mit­telte Verträge. In wel­chem Um­fang an die Be­klagte in den letz­ten sechs Mo­na­ten des Ver­trags­verhält­nis­ses ge­zahlte Pro­vi­si­ons­vor­schüsse nachträglich durch un­be­dingt ent­stan­dene Pro­vi­si­ons­an­sprüche ge­deckt wer­den, kann auf der Grund­lage der vom KG ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht zu­verlässig be­ur­teilt wer­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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