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Vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags: Verwirkung des Widerrufsrechts

OLG Frankfurt a.M. 14.12.2016, 19 U 13/16

Bei vor­zei­tig auf Wunsch des Ver­brau­chers ein­ver­nehm­lich ge­gen Zah­lung ei­ner Vorfällig­keits­ent­schädi­gung be­en­de­tem Dar­le­hens­ver­trag ist das für die An­nahme der Ver­wir­kung er­for­der­li­che sog. Um­stands­mo­ment im Sinne ei­ner tatsäch­li­chen Ver­mu­tung re­gelmäßig an­zu­neh­men. Dies gilt je­den­falls dann, wenn seit der er­folg­ten Auflösung des Dar­le­hens­ver­tra­ges bis zur Erklärung des Wi­der­rufs ein nicht un­er­heb­li­cher Zeit­raum ver­gan­gen ist.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger schloss mit der Be­klag­ten im Au­gust 2008 einen grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­ten Dar­le­hens­ver­trag über no­mi­nal 331.000 €. Dem Dar­le­hens­ver­trag war eine Wi­der­rufs­be­leh­rung bei­gefügt. Der Kläger zahlte auf das ihm aus­ge­zahlte Dar­le­hen die fälli­gen Zins- und Til­gungs­ra­ten.

Im Juni 2013 ver­ein­bar­ten die Par­teien, den Dar­le­hens­ver­trag ein­ver­nehm­lich vor­zei­tig ge­gen die Zah­lung ei­ner Vorfällig­keits­ent­schädi­gung i.H.v. rd. 20.000 € auf­zu­he­ben. Der Kläger be­hielt sich da­bei vor, "die Vorfällig­keits­ent­schädi­gung so­wohl ih­rer Höhe als auch ih­rem Rechts­grund nach zu überprüfen". In der Folge zahlte der Kläger die Vorfällig­keits­ent­schädi­gung an die Be­klagte.

Im Fe­bruar 2015 erklärte der Kläger mit an­walt­li­chem Schrei­ben den Wi­der­ruf des Dar­le­hens­ver­tra­ges und ver­langte die Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung so­wie die Her­aus­gabe der durch die Be­klagte aus dem Dar­le­hens­verhält­nis ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen. Mit der Klage ver­langt der Kläger die Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung nebst Zin­sen so­wie Er­satz vor­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten.

Das LG wies die Klage ab. Die Be­ru­fung des Klägers hatte vor dem OLG kei­nen Er­folg. Die Re­vi­sion zum BGH wurde we­gen grundsätz­li­che Be­deu­tung der Rechts­sa­che und zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Der Kläger hat ge­gen die Be­klagte kei­nen An­spruch auf Fest­stel­lung der Auflösung des Dar­le­hens­verhält­nis­ses auf Grund des Wi­der­rufs und auch kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung. Seine Wi­der­rufs­erklärung führte nicht zur Begründung ei­nes Rück­ab­wick­lungs­verhält­nis­ses, da ihr der Ein­wand der Ver­wir­kung (§ 242 BGB) ent­ge­gen­steht.

Der Kläger hat zwar zu Recht gel­tend ge­macht, dass die Wi­der­rufs­be­leh­rung der Be­klag­ten we­gen Ver­stoßes ge­gen das Deut­lich­keits­ge­bot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. feh­ler­haft ist und da­her den Lauf der Wi­der­rufs­frist nicht in Gang ge­setzt hat. Das Wi­der­rufs­recht des Klägers ist je­doch ver­wirkt, nach­dem das Dar­le­hens­ver­trags­verhält­nis auf Grund der Ver­ein­ba­rung von Juni 2013 ge­gen Zah­lung der von der Be­klag­ten er­rech­ne­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung auf­gelöst wurde. Das Wi­der­rufs­recht nach § 495 BGB a.F. kann ver­wirkt wer­den. Die Ver­wir­kung als Un­ter­fall der un­zulässi­gen Rechts­ausübung setzt ne­ben einem Zeit­mo­ment, für das die maßgeb­li­che Frist mit dem Zu­stan­de­kom­men des Ver­brau­cher­ver­tra­ges zu lau­fen be­ginnt, ein Um­stands­mo­ment vor­aus.

Ein Recht ist da­nach ver­wirkt, wenn sich der Schuld­ner we­gen der Untätig­keit des Gläubi­gers über einen ge­wis­sen Zeit­raum hin bei ob­jek­ti­ver Be­ur­tei­lung dar­auf ein­rich­ten darf und ein­ge­rich­tet hat, die­ser werde sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen, so dass die verspätete Gel­tend­ma­chung ge­gen Treu und Glau­ben verstößt. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ver­wir­kung lie­gen im Streit­fall vor. Das Vor­lie­gen des er­for­der­li­chen Zeit­mo­ments er­gibt sich be­reits dar­aus, dass der Wi­der­ruf durch den Kläger erst mehr als 9 Jahre nach Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­tra­ges er­folgte. Diese Zeit­spanne reicht für die An­nahme des er­for­der­li­chen Zeit­mo­ments aus. Auch das Um­stands­mo­ment liegt vor, da der Dar­le­hens­ver­trag be­reits im Juni 2013 auf Wunsch des Klägers vor­zei­tig fällig ge­stellt und das Ver­trags­verhält­nis be­en­det wurde, be­vor der Kläger fast zwei Jahre später seine auf den Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­tra­ges ge­rich­tete Wil­lens­erklärung wi­der­ru­fen hat.

Ge­rade bei auf Wunsch des Ver­brau­chers be­en­de­ten Ver­brau­cher­dar­le­hens­verträgen kann das Ver­trauen des Un­ter­neh­mers auf ein Un­ter­blei­ben des Wi­der­rufs nach den ge­nann­ten Maßstäben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm er­teilte Wi­der­rufs­be­leh­rung ur­sprüng­lich den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten nicht ent­sprach und er es in der Fol­ge­zeit versäumt hat, den Ver­brau­cher gem. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB in der hier maßgeb­li­chen Fas­sung nach­zu­be­leh­ren. Löst der Ver­brau­cher ein Ver­brau­cher­dar­le­hen un­ter Zah­lung ei­ner Vorfällig­keits­ent­schädi­gung ab, ist das Um­stands­mo­ment re­gelmäßig zu be­ja­hen, weil sich die dar­le­hens­ge­bende Bank oder Spar­kasse - im Sinne ei­ner tatsäch­li­chen Ver­mu­tung - dar­auf ein­rich­ten darf und wird, dass der Vor­gang auf Grund der wil­lent­li­chen Be­en­di­gung des Dar­le­hens­verhält­nis­ses durch den Dar­le­hens­neh­mer ab­ge­schlos­sen ist.

Für die An­nahme ei­ner sol­chen tatsäch­li­chen Ver­mu­tung spricht vor­lie­gend im Übri­gen auch der wei­tere Um­stand, dass der Kläger nach er­folg­ter Ablösung des Dar­le­hens und Zah­lung der Vorfällig­keits­ent­schädi­gung mehr als 19 Mo­nate hat ver­strei­chen las­sen, be­vor er den Wi­der­ruf erklärte. In die­sem Falle ist das Ver­trauen der Be­klag­ten ge­recht­fer­tigt, der Kläger werde sein Wi­der­rufs­recht nicht mehr gel­tend ma­chen.

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