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Zuordnung von Einkommensteuererstattungsansprüchen zum insolvenzfreien Vermögen

BFH 26.11.2014, VII R 32/13

Wird eine selbständige Tätig­keit gem. § 35 Abs. 2 InsO aus dem In­sol­venz­be­schlag frei­ge­ge­ben, ist ein Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­spruch, der auf Vor­aus­zah­lun­gen be­ruht, die erst nach der Frei­gabe fest­ge­setzt und al­lein nach den zu er­war­ten­den Einkünf­ten aus der frei­ge­ge­be­nen Tätig­keit be­rech­net wor­den sind, nicht i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der In­sol­venz­masse ge­schul­det. Zu­dem ist ein Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­spruch auch dann nicht der In­sol­venz­masse ge­schul­det, wenn er auf Vor­aus­zah­lun­gen be­ruht, die nach der Frei­gabe aus Mit­teln ge­leis­tet wor­den sind, die zum frei­ge­ge­be­nen Vermögen gehören.

Der Sach­ver­halt:
Im Fe­bruar 2008 eröff­nete das AG das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen des In­sol­venz­schuld­ners und be­stellte den Kläger zum In­sol­venz­ver­wal­ter. Mit Schrei­ben von April 2008 teilte die­ser dem Fi­nanz­amt mit, dass er das Ein­zel­un­ter­neh­men des In­sol­venz­schuld­ners aus dem In­sol­venz­be­schlag frei­gebe. Im Ok­to­ber 2009 er­ließ das Fi­nanz­amt einen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für das Jahr 2008. Der In­sol­venz­schuld­ner hatte in die­sem Jahr aus­schließlich ge­werb­li­che Einkünfte aus sei­ner Tätig­keit als Ein­zel­un­ter­neh­mer er­zielt. Seine Ehe­frau, mit der er zu­sam­men ver­an­lagt wurde, hatte keine Einkünfte. Auf­grund der vom In­sol­venz­schuld­ner im Jahr 2008 ge­leis­te­ten Ein­kom­men­steu­er­vor­aus­zah­lun­gen er­gab sich ein Gut­ha­ben i.H.v. ins­ge­samt rd. 1.400 €.

Hin­sicht­lich des­je­ni­gen Teils des Gut­ha­bens, das zeit­an­tei­lig auf die Zeit nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens ent­fiel (rd. 1.200 €), erklärte das Fi­nanz­amt ge­genüber dem In­sol­venz­schuld­ner die Auf­rech­nung mit In­sol­venz­for­de­run­gen (Ein­kom­men­steuer 2003). Hin­sicht­lich des rest­li­chen Gut­ha­bens (rd. 230 €) erklärte das Fi­nanz­amt ge­genüber dem Kläger die Auf­rech­nung mit In­sol­venz­for­de­run­gen (eben­falls Ein­kom­men­steuer 2003). Mit an den Kläger ge­rich­te­tem Ab­rech­nungs­be­scheid ord­nete das Fi­nanz­amt das Gut­ha­ben i.H.v. rd. 1.400 € un­ter Hin­weis auf die feh­len­den Einkünfte der Ehe­frau vollständig dem In­sol­venz­schuld­ner zu, teilte es an­schließend mit den oben ge­nann­ten Beträgen zeit­an­tei­lig auf die Zeit vor und nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens auf und stellte das Erlöschen die­ser Beträge durch Auf­rech­nung fest.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der dem In­sol­venz­schuld­ner zu­zu­ord­nende Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­spruch ist auch hin­sicht­lich des nach­in­sol­venz­li­chen Zeit­raums durch die vom Fi­nanz­amt erklärte Auf­rech­nung mit In­sol­venz­for­de­run­gen er­lo­schen (§ 47 AO).

Die vom Fi­nanz­amt für den nach­in­sol­venz­li­chen Zeit­raum erklärte Auf­rech­nung ist nicht durch ein be­son­de­res in­sol­venz­recht­li­ches Auf­rech­nungs­ver­bot aus­ge­schlos­sen. Auf­rech­nun­gen wer­den zunächst nicht von den all­ge­mei­nen Voll­stre­ckungs­ver­bo­ten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO er­fasst. In Be­tracht kommt al­lein § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der je­doch vor­aus­setzt, dass der In­sol­venzgläubi­ger et­was zur In­sol­venz­masse schul­dig ge­wor­den ist. Diese Vor­aus­set­zung ist vor­lie­gend je­doch nicht erfüllt.

Der Se­nat hat be­reits ent­schie­den, dass ein Um­satz­steu­er­vergütungs­an­spruch, den der In­sol­venz­schuld­ner durch eine gem. § 35 Abs. 2 InsO aus dem In­sol­venz­be­schlag frei­ge­ge­bene selbständige Tätig­keit er­wor­ben hat, nicht i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der In­sol­venz­masse ge­schul­det wird und das Fi­nant­amt ge­gen die­sen An­spruch mit vor­in­sol­venz­li­chen Steu­er­schul­den auf­rech­nen kann. Der Se­nat hat diese Recht­spre­chung auf Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche aus­ge­dehnt, die auf Vor­aus­zah­lun­gen be­ru­hen, bei de­ren Be­rech­nung nur die Einkünfte aus der frei­ge­ge­be­nen Tätig­keit zu Grunde ge­legt wor­den sind. Dies er­gibt sich be­reits aus der wei­ten For­mu­lie­rung "Vermögen aus der selbständi­gen Tätig­keit", aus der sich keine Be­schränkung auf Be­triebs­steu­ern bzw. auf Be­triebs­ein­nah­men und Be­triebs­aus­ga­ben ab­lei­ten lässt.

Viel­mehr er­streckt sich die Frei­gabe auf eine Ge­samt­heit von Ge­genständen und Wer­ten, die der frei­ge­ge­be­nen Tätig­keit ge­wid­met sind bzw. die auf die­ser Tätig­keit be­ru­hen, d.h. in­folge der frei­ge­ge­be­nen Tätig­keit ent­ste­hen oder ver­ein­nahmt wer­den. Eine Zu­ord­nung zum steu­er­li­chen Be­triebs­vermögen ist zwar die Re­gel, aber nicht zwin­gend er­for­der­lich. Bei Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüchen sind diese Vor­aus­set­zun­gen je­den­falls dann erfüllt, wenn die zu­grunde lie­gen­den Ein­kom­men­steu­er­vor­aus­zah­lun­gen erst nach der Frei­gabe fest­ge­setzt und al­lein nach den zu er­war­ten­den Einkünf­ten aus der vom In­sol­venz­be­schlag be­frei­ten Tätig­keit be­rech­net wor­den sind.

Zu­dem ist es aus­rei­chend, wenn Vor­aus­zah­lun­gen nach der Frei­gabe aus Mit­teln ge­leis­tet wer­den, die zum frei­ge­ge­be­nen Vermögen gehören. In die­sem Fall muss auch ein et­wai­ger Er­stat­tungs­an­spruch wie­der in das frei­ge­ge­bene Vermögen ge­lan­gen. Denn Mit­tel, die ein­mal zum frei­ge­ge­be­nen Vermögen gehört ha­ben, können nicht nachträglich wie­der der In­sol­venz­masse zu­ge­ord­net wer­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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