Der Sachverhalt:
Im Februar 2008 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben von April 2008 teilte dieser dem Finanzamt mit, dass er das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigebe. Im Oktober 2009 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008. Der Insolvenzschuldner hatte in diesem Jahr ausschließlich gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer erzielt. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt wurde, hatte keine Einkünfte. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Jahr 2008 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen ergab sich ein Guthaben i.H.v. insgesamt rd. 1.400 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der dem Insolvenzschuldner zuzuordnende Einkommensteuererstattungsanspruch ist auch hinsichtlich des nachinsolvenzlichen Zeitraums durch die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen erloschen (§ 47 AO).
Die vom Finanzamt für den nachinsolvenzlichen Zeitraum erklärte Aufrechnung ist nicht durch ein besonderes insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot ausgeschlossen. Aufrechnungen werden zunächst nicht von den allgemeinen Vollstreckungsverboten in § 89 Abs. 1, § 294 Abs. 1 InsO erfasst. In Betracht kommt allein § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der jedoch voraussetzt, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Umsatzsteuervergütungsanspruch, den der Insolvenzschuldner durch eine gem. § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegebene selbständige Tätigkeit erworben hat, nicht i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet wird und das Finantamt gegen diesen Anspruch mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden aufrechnen kann. Der Senat hat diese Rechtsprechung auf Einkommensteuererstattungsansprüche ausgedehnt, die auf Vorauszahlungen beruhen, bei deren Berechnung nur die Einkünfte aus der freigegebenen Tätigkeit zu Grunde gelegt worden sind. Dies ergibt sich bereits aus der weiten Formulierung "Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit", aus der sich keine Beschränkung auf Betriebssteuern bzw. auf Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ableiten lässt.
Vielmehr erstreckt sich die Freigabe auf eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten, die der freigegebenen Tätigkeit gewidmet sind bzw. die auf dieser Tätigkeit beruhen, d.h. infolge der freigegebenen Tätigkeit entstehen oder vereinnahmt werden. Eine Zuordnung zum steuerlichen Betriebsvermögen ist zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich. Bei Einkommensteuererstattungsansprüchen sind diese Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt, wenn die zugrunde liegenden Einkommensteuervorauszahlungen erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der vom Insolvenzbeschlag befreiten Tätigkeit berechnet worden sind.
Zudem ist es ausreichend, wenn Vorauszahlungen nach der Freigabe aus Mitteln geleistet werden, die zum freigegebenen Vermögen gehören. In diesem Fall muss auch ein etwaiger Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen. Denn Mittel, die einmal zum freigegebenen Vermögen gehört haben, können nicht nachträglich wieder der Insolvenzmasse zugeordnet werden.
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