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Zurechnung von Aktien bei einer Wertpapierleihe

BFH 18.8.2015, I R 88/13

Das wirt­schaft­li­che Ei­gen­tum an Ak­tien, die im Rah­men ei­ner sog. Wert­pa­pier­leihe an den Ent­lei­her zi­vil­recht­lich übe­reig­net wur­den, kann aus­nahms­weise beim Ver­lei­her ver­blei­ben, wenn die Ge­samtwürdi­gung der Umstände des Ein­zel­fal­les er­gibt, dass dem Ent­lei­her le­dig­lich eine for­male zi­vil­recht­li­che Rechts­po­si­tion ver­schafft wer­den sollte. § 8b KStG 2002 i.d.F. des UntS­tRefG 2008 fin­det in sol­chen Fällen beim Ent­lei­her be­zo­gen auf die "ent­lie­he­nen" An­teile und die dar­aus re­sul­tie­ren­den Einkünfte ins­ge­samt keine An­wen­dung.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­treibt als GmbH ein Ma­schi­nen­bau- und -re­pa­ra­tur­un­ter­neh­men. Sie er­mit­telte im Streit­jahr 2007 ih­ren Ge­winn durch Be­stands­ver­gleich. Im Sep­tem­ber 2006 hatte sie mit einem in Großbri­tan­nien ansässi­gen Fi­nanz­in­sti­tut einen Rah­men­ver­trag für Wert­pa­pier­dar­le­hen ab­ge­schlos­sen. Da­nach tätigte die Kläge­rin im Zeit­raum Ok­to­ber 2006 bis März 2007 meh­rere Ein­zel­ab­schlüsse, die sich je­weils auf einen Um­fang von etwa 30 Mio. € be­lie­fen. Hier­bei wur­den je­weils Ak­tien un­ter­schied­li­cher eng­li­scher Ge­sell­schaf­ten in be­stimm­ter Stück­zahl zu einem be­stimm­ten Kurs, wor­aus sich nach Mul­ti­pli­ka­tion die­ser Ge­samt­wert er­gab, aus­ge­lie­hen und nach 14 Ta­gen in glei­cher Stück­zahl und zum glei­chen Kurs zurück­ge­ge­ben. Un­mit­tel­bar da­nach wurde das nächste Ge­schäft mit an­de­ren Ak­tien bin­nen 14 Ta­gen ab­ge­wi­ckelt.

In die­sen 14-Ta­ges­zeit­raum fie­len die Stich­tage der Di­vi­den­den­be­rech­ti­gun­gen (Re­cord date). Die Kläge­rin er­hielt die Di­vi­den­den und leis­tete - wie ver­ein­bart - zeit- und be­trags­gleich Kom­pen­sa­tion an das Fi­nanz­in­sti­tut. Als Si­cher­heit für die (um­gangs­sprach­lich Wert­pa­pier­leihe ge­nann­ten) Dar­le­hen diente eine mit einem Zins­satz von 3,693 v.H. ver­zin­ste Geld­an­lage der Kläge­rin im Fi­nanz­in­sti­tut i.H.v. 25 Mio. €, aus der sie im Wirt­schafts­jahr 2006/2007 Zins­erträge i.H.v. 474.447 € er­zielte.

Aus den ge­lie­he­nen Wert­pa­pie­ren er­hielt die Kläge­rin im Wirt­schafts­jahr 2006/2007 an Di­vi­den­den ins­ge­samt rund 9,8 Mio. €. Sie leis­tete Kom­pen­sa­ti­ons­zah­lun­gen zzgl. ei­nes Dar­le­hens­ent­gelts i.H.v. je­weils 2 v.H. pro Jahr be­zo­gen auf die Markt­werte der Dar­le­hens­pa­piere und die Dar­le­hens­zeiträume, ins­ge­samt 305.069 €. In ih­rer Körper­schaft­steu­er­erklärung für 2007 erklärte die Kläge­rin u.a. die Di­vi­den­den­gut­schrif­ten als steu­er­freie Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG 2002 n.F. Die Kom­pen­sa­ti­ons­zah­lun­gen so­wie die Dar­le­hens­ent­gelte be­han­delte sie als Be­triebs­aus­ga­ben und berück­sich­tigte i.H.v. 5 v.H. der Di­vi­den­den die pau­schale Kürzung von Be­triebs­aus­ga­ben gem. § 8b Abs. 5 KStG 2002 n.F.

Das Fi­nanz­amt folgte dem nicht. Es war der An­sicht, dass die Re­ge­lung in § 8b Abs. 10 KStG 2002 n.F. auf die im Wirt­schafts­jahr 2006/2007 durch­geführ­ten Wert­pa­pier­dar­le­hen nach § 34 Abs. 7 S. 9 KStG 2002 n.F. An­wen­dung fin­det. Die an das Fi­nanz­in­sti­tut ge­zahl­ten Ent­gelte seien so­mit nicht als Be­triebs­aus­ga­ben ab­zu­zie­hen und die pau­schale Kürzung von Be­triebs­aus­ga­ben nach § 8b Abs. 5 S. 1 KStG 2002 n.F. sei nicht vor­zu­neh­men. Es erhöhte so­dann die nicht ab­zugsfähi­gen Be­triebs­aus­ga­ben in ent­spre­chen­dem Um­fang.

Die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage blieb in al­len In­stan­zen er­folg­los.

Gründe:
Die Be­tei­lig­ten hat­ten über die Ver­fas­sungsmäßig­keit der An­wen­dung des § 8b Abs. 10 KStG 2002 n.F. auf die von der Kläge­rin getätig­ten sog. Wert­pa­pier­leih­ge­schäfte ge­strit­ten. Ob darin etwa eine ver­fas­sungs­recht­lich un­zulässige Rück­wir­kung zu se­hen sei. Die Vor­in­stanz hat das ver­neint. Der Se­nat konnte diese Frage un­be­ant­wor­tet las­sen. Denn die Re­vi­sion war aus an­de­ren Gründen er­folg­los:

Die Kläge­rin war nicht wirt­schaft­li­che Ei­gentüme­rin der Ak­tien ge­wor­den. Da § 8b Abs. 10 S. 1 KStG 2002 n.F. tat­be­stand­lich des­we­gen nicht ein­schlägig war, kam es auch nicht dar­auf an, ob die zeit­li­che An­wen­dungs­be­stim­mung in § 34 Abs. 7 S. 9 KStG 2002 n.F. ge­gen das GG verstößt. Das wirt­schaft­li­che Ei­gen­tum an Ak­tien, die im Rah­men ei­ner sog. Wert­pa­pier­leihe an den Ent­lei­her zi­vil­recht­lich übe­reig­net wur­den, kann nämlich aus­nahms­weise beim Ver­lei­her ver­blei­ben, wenn die Ge­samtwürdi­gung der Umstände des Ein­zel­fal­les er­gibt, dass dem Ent­lei­her le­dig­lich eine for­male zi­vil­recht­li­che Rechts­po­si­tion ver­schafft wer­den sollte. § 8b KStG 2002 i.d.F. des UntS­tRefG 2008 fin­det dann beim Ent­lei­her be­zo­gen auf die "ent­lie­he­nen" An­teile und die dar­aus re­sul­tie­ren­den Einkünfte ins­ge­samt keine An­wen­dung.

So lag der Fall auch hier. Die streit­ge­genständ­li­chen Ge­schäfte wa­ren schon nicht dar­auf an­ge­legt, der Kläge­rin in einem wirt­schaft­li­chen Sinn die Erträge aus den "ver­lie­he­nen" Ak­tien zu­kom­men zu las­sen. Denn das Fi­nanz­in­sti­tut hatte sich diese in Ge­stalt der Di­vi­den­den­kom­pen­sa­ti­ons­zah­lun­gen vollständig vor­be­hal­ten. Auch wa­ren zu­guns­ten der Kläge­rin kei­ner­lei Li­qui­ditätsvor­teile aus ei­ner et­wai­gen zeit­ver­setz­ten Ver­ein­nah­mung und Ver­aus­ga­bung ent­stan­den, weil die Zah­lun­gen zeit- und be­trags­gleich er­folg­ten. Es war zu­dem nicht er­kenn­bar, dass es an­ge­sichts des kurz­fris­ti­gen Um­schlags und des Aus­tauschs der Ak­ti­en­ti­tel dar­auf an­ge­kom­men wäre, Stimm­rechte von Sei­ten der Kläge­rin auszuüben oder das er­hal­tene (Sach-)Dar­le­hens­ka­pi­tal i.H.v. rund 30 Mio. € wirt­schaft­lich, etwa zur Zwi­schen­fi­nan­zie­rung ei­nes sons­ti­gen Vor­ha­bens der Kläge­rin, zu nut­zen. Es er­folgte auch kein endgülti­ger Überg­ang der Chan­cen und Ri­si­ken, die mit dem Ei­gen­tum an den Wert­pa­pie­ren übli­cher­weise ver­bun­den sind.

Link­hin­weis:

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