Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Oktober 2004 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann eine Parzelle in einer Siedlung mit Wohnbebauung gepachtet, die aus einer früheren Kleingartenkolonie entstanden war. Das Pachtverhältnis galt von Dezember 2004 bis Ende März 2018 und hatte eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Die Vorpächterin hatte auf der Parzelle ein Steinhaus mit Wintergarten errichtet, das der Ehemann der Klägerin mit privatschriftlichem Vertrag kaufte und die Klägerin im Jahr 2011 übernahm. Das Gebäude wurde im Pachtvertrag geduldet. Laut Vertrag waren bei Beendigung des Pachtverhältnisses gleich aus welchem Grund vom Pächter oder von einem Vorgänger errichtete Bauten auf Wunsch der Verpächter zu entfernen. Ein Entschädigungsanspruch war ausgeschlossen.
In den Jahren 2006/2007 begann die bauplanungsrechtliche Erfassung der Siedlung. Der Bebauungsplan wurde 2011 beschlossen. Vor 2011 war das auf der Parzelle errichtete Gebäude nicht für Zwecke der Grundsteuer erfasst. Nach Inaugenscheinnahme des Objekts durch das Finanzamt wurde die Klägerin zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1.1.2007 aufgefordert. Nachdem sie keine Erklärung abgegeben hatte, stellte das Finanzamt im April 2012 den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit "Gebäude auf fremdem Grund und Boden" auf den 1.1.2007 im Ertragswertverfahren auf 41.210 € fest. Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine Feststellungserklärung ein. Daraufhin setzte das Finanzamt den Einheitswert auf 35.023 € herab. Der beantragte Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG wurde nicht gewährt. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Gründe:
Die Feststellungen des FG tragen nicht die Entscheidung, dass zum Feststellungszeitpunkt 1.1.2007 der Nichtabbruch des Gebäudes voraussehbar war.
Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 BewG erfolgt die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nach § 76 BewG. Ist vereinbart, dass das Gebäude nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzubrechen ist, so ist dieser Umstand durch einen entsprechenden Abschlag zu berücksichtigen; der Abschlag unterbleibt, wenn vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abgebrochen werden wird (§ 94 Abs. 3 Satz 3 BewG). Hierfür muss es konkrete Anhaltspunkte geben. Für die Prognoseentscheidung ist maßgebend auf das Verhalten der Vertragsbeteiligten abzustellen. Auch das Verhalten ihrer jeweiligen Rechtsvorgänger oder der Beteiligten vergleichbarer Miet- oder Pachtverhältnisse kann bei der Prognoseentscheidung über die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs berücksichtigt werden.
Wird ein Miet- oder Pachtvertrag trotz wiederholter Kündigungsmöglichkeit stillschweigend über einen Zeitraum von 25 Jahren verlängert, spricht dies dafür, dass die Abbruchverpflichtung des Mieters oder Pächters nicht oder zumindest nicht innerhalb der üblichen Lebensdauer der errichteten Anlagen realisiert wird. Das Gleiche gilt, wenn ein Miet- oder Pachtverhältnis ausdrücklich mehrmals im Anschluss an den vorhergehenden Vertrag ohne grundsätzliche Änderungen der Vertragsbedingungen verlängert wird und hierdurch eine lange Gesamtdauer entsteht.
Haben sich die Verhältnisse zum Feststellungszeitpunkt in Bezug auf das Grundstück oder das Gebäude im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in wesentlicher Weise geändert, sind diese Änderungen in die Abwägung einzubeziehen. Eine wesentliche Änderung, die auf einen Gebäudeabbruch hindeutet, kann etwa vorliegen, wenn ein Grundstück einer anderen Nutzung zugeführt werden soll oder ein vorhandenes Gebäude nicht mehr den technischen Anforderungen entspricht. Die Voraussetzungen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs sind von Amts wegen zu erforschen, wobei die Beteiligen heranzuziehen sind. Kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden, ist unter Anwendung der Regeln über die Feststellungslast (objektive Beweislast) zu entscheiden, zu wessen Lasten die Nichterweislichkeit von maßgeblichen Tatsachen geht.
Im vorliegenden Fall könnte für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs der Umstand sprechen, dass das Pachtverhältnis verlängert werden sollte. Anhaltspunkte für die Beurteilung der Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs des Gebäudes bei Vertragsende können sich auch aus dem Pachtverhältnis der Vorpächterin der Parzelle ergeben. Auch eine Änderung der bauplanungsrechtlichen Verhältnisse zum Feststellungszeitpunkt im Vergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrags kann in die Würdigung einfließen. Für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs würde es sprechen, wenn etwa durch eine zum Feststellungszeitpunkt bereits vorhandene Änderung des Flächennutzungsplans die Stellung der Steuerpflichtigen als Eigentümerin des Gebäudes über das Vertragsende am 31.3.2018 hinaus gestärkt wurde. Haben die Verpächter eine anderweitige Verpachtung, Nutzung oder Veräußerung des Grundstücks in Erwägung gezogen, spricht dies dagegen, dass das Gebäude bei Vertragsende voraussichtlich nicht abgebrochen wird.
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