Im konkreten Fall erzielte eine vermögensverwaltende GbR im Jahr 2012 gewerbliche Verluste aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage, die sie auf einem von ihr vermieteten Grundstück errichten ließ. Die Umsätze aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage überschritten die durch den BFH und von der Finanzverwaltung akzeptierte Bagatellgrenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze. Die Finanzverwaltung ging demnach von einer Abfärbewirkung der gewerblichen Tätigkeit auf die im Übrigen vermögensverwaltende Tätigkeit aus und behandelte die Einkünfte der GbR insgesamt als gewerbliche Einkünfte.
Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 12.04.2018, Az. IV R 5/15, BStBl. II 2020, S. 118), wonach im Verlustfall eine Abfärbung zu verneinen sei, bejaht der BFH mit Urteil vom 30.06.2022 (Az. IV R 42/19) im Streitfall eine abfärbende Wirkung. Durch die Ende 2019 erfolgte gesetzliche Neuregelung der Abfärberegelung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 EStG) sei klargestellt worden, dass eine originär gewerbliche Tätigkeit eine abfärbende Wirkung unabhängig davon habe, ob aus dieser Tätigkeit ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird. Laut BFH sei die vorgesehene rückwirkende Anwendung der gesetzlichen Neuregelung auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 aus verfassungsrechtlicher Sicht ausnahmsweise nicht zu beanstanden, da dadurch lediglich eine vor dem BFH-Urteil aus dem Jahr 2018 gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung festgeschrieben worden sei. Ein Vertrauensschutz bestünde im Streitfall aufgrund des im Jahr 2018 entschiedenen Streitfalls nicht.