Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist als oHG die Rechtsnachfolgerin einer 1998 errichteten GmbH (Eintritt der Rechtsnachfolge nach den Streitjahren), die eine Agentur für die Vermittlung von Agrarprodukten betrieb. Gesellschafter der GmbH waren A und B. Die GmbH schloss mit ihnen 1998 jeweils einen Geschäftsführervertrag nebst Tantieme- und Kraftfahrzeugüberlassungsvereinbarung. Kurz darauf wurden die Verträge mit Gesellschafterbeschluss um eine Pensionszusage ergänzt.
In einer Abfindungsklausel heißt es: "Das Unternehmen behält sich vor, bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze bzw. Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes anstelle der Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung zu gewähren. Hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus der Pensionszusage einschließlich einer etwaigen Hinterbliebenenrente. ... Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages sind ein Rechnungszinsfuß von 6 von Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden ...".
Im Rahmen einer Außenprüfung bemängelte die Prüferin, dass die Abfindungsklausel keine Angaben dazu enthalte, welche Sterbetafel für die Berechnung des Barwerts der Rentenverpflichtung zu verwenden sei. Das Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG sei aber nur erfüllt, wenn das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe (einschließlich der zu verwendenden Sterbetafel) eindeutig und präzise fixiert sei (Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 6.4.2005, BStBl I 2005, 619, Tz. 3). Das Finanzamt änderte daraufhin mit Änderungsbescheiden die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre 2009 bis 2011.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH ohne Erfolg.
Gründe:
Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die in der Pensionszusage gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.
Die bei der Besteuerung der GmbH maßgebenden gesetzlichen (formalrechtlichen) Vorgaben zum Ansatz von Pensionsrückstellungen zu den Versorgungszusagen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG, jeweils i.V.m. § 6a EStG) waren erfüllt. Die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel begründete auch keinen schädlichen Vorbehalt i.S.d. § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Letztlich verstieß die Abfindungsklausel auch nicht gegen das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG.
Danach darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage schriftlich erteilt ist; die Pensionszusage muss eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten. Dabei sind auch Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende Ausscheidewahrscheinlichkeiten als biometrische Einflussgrößen) schriftlich festzulegen, sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist.
Der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG verwendete Begriff "eindeutige Angabe(n)" lässt zwar offen, ob sich alle Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung (im Streitfall: die anzuwendende Sterbetafel) wörtlich aus der (schriftlichen, s. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG) Pensionszusage ergeben müssen oder ob es ausreicht, dass nach einer Auslegung des Wortlauts der Zusage keine Zweifel an diesen Maßgaben verbleiben. Pensionszusagen sind nach der zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. vor dem Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794) ergangenen BFH-Rechtsprechung anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht bereits klar und eindeutig feststeht. Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG durch das StÄndG 2001 hat hieran nichts geändert.
Die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspricht seit 1998 in langjähriger Verwaltungspraxis den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Die Anwendung anderer oder modifizierter Rechnungsgrundlagen wird von der Finanzverwaltung nur anerkannt, wenn die besonderen Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 9.12.2011 (BStBl I 2011, 1247) erfüllt sind. Berechnungen auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln, die üblicherweise auch in der Handelsbilanz herangezogen werden, können daher auch aufgrund der langjährig anerkennenden Verwaltungspraxis als entsprechend einer "Verkehrssitte" erfolgt anzusehen sein.
Indem das FG im angefochtenen Urteil als weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrund den Inhalt der Vereinbarung ausdrücklich - "aufgrund der Übernahme des Wortlauts des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG" und mit Blick darauf, dass die Steuerpflichtige bei der Bewertung ihrer Pensionsrückstellung seit dem erstmaligen Rückstellungsansatz auf die Heubeck-Richttafeln zurückgegriffen hat - i.S. einer Festschreibung der Anwendung der Heubeck-Tafeln auslegt, ist der Inhalt der Vereinbarung ohne erkennbare Auslegungsfehler in der Weise bestimmt, dass zur Berechnung der Abfindung auf ebendiese Heubeck-Richttafel zurückzugreifen ist.
Diese Lösung lässt es ohne weiteres zu, die im Abfindungszeitpunkt (bzw. zum letzten Stichtag der Pensionsrückstellung vor diesem Zeitpunkt) aktuell geltende Richttafel anzuwenden, was - ebenfalls bei konkreter Benennung der zum Zusagezeitpunkt geltenden Richttafel ohne eine "dynamische Verweisung" - auch mit Blick auf die begrenzte betragsmäßige Auswirkung als für die steuerrechtliche Anerkennung unschädliche "Unsicherheit" zu qualifizieren ist.
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