Der Sachverhalt:
Die verheirateten Kläger werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der S-GmbH, der Kläger war alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag standen dem Kläger eine mtl. Vergütung i.H.v. 8.000 € sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld zu. Zudem wurde dem Kläger ein Pkw der gehobenen Klasse zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Im Streitjahr bezog der Kläger einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. rd. 110.000 €. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. rd, 10.000 €.
Zwischen dem Kläger und der S-GmbH wurden verschiedene Darlehensverträge abgeschlossen, die jeweils vom Kläger als Darlehensgeber und als Geschäftsführer der S-GmbH unterschrieben wurden. Der Kläger war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verträge:
- Darlehensvertrag vom 14.6.2013 über 19.200 €: Dieses Darlehen war mit 7,8 % pro Jahr zu verzinsen. Es war von der S-GmbH in 54 Monatsraten i.H.v. rd. 420 € ab dem 15.6.2013 zurückzuzahlen. Als Sicherheit wurde dem Kläger ein Achsenvermessungsstand der S-GmbH übereignet.
- Darlehensvertrag vom 24.6.2013 über 20.000 €: Das mit 7,8 % pro Jahr verzinste Darlehen war von der S-GmbH ab dem 20.7.2013 in 54 Monatsraten i.H.v. rd. 440 € zurückzuzahlen. Der Kläger erhielt einen Leistungsprüfstand der S-GmbH als Sicherung übereignet.
- Darlehensvertrag vom 20.2.2014 über 37.000 €: Das Darlehen war zum 20.3.2014 an die S-GmbH auszuzahlen und mit 5,646 % jährlich zu verzinsen. Es war einschließlich der Zinsen in 59 Monatsraten i.H.v. rd. 600 € ab dem 21.3.2014 an den Kläger zurückzuzahlen. Am 21.2.2019 war eine letzte Schlussrate über rd. 8.000 € zu leisten. Der Kläger erhielt von der S-GmbH einen Mercedes Sprinter als Sicherheit übereignet.
- Darlehensvertrag vom 29.10.2014 über 50.000 €: Dieses Darlehen war zum 31.12.2014 in voller Höhe an die S-GmbH auszuzahlen und mit 5,646 % jährlich zu verzinsen. Es war ab dem 5.1.2015 von der S-GmbH in 59 Monatsraten von rd. 810 € und am 5.12.2019 durch eine letzte Rate i.H.v. rd. 11.000 € zurückzuzahlen. Als Sicherheiten wurden an den Kläger weitere Gegenstände des Anlagevermögens der S-GmbH übereignet.
Das FG stellte fest, dass die S-GmbH Darlehen zu vergleichbaren Konditionen von einem fremden Dritten nicht erhalten hätte. Sie hätte allerdings die Kontokorrentlinie bei ihrer Hausbank zu einem Zinssatz i.H.v. 8 % nutzen können. Der Kläger erzielte aus den Darlehen im Streitjahr 2014 Zinserträge i.H.v. rd. 3.900 €. Diese erklärte er in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als inländische Kapitalerträge ohne Steuerabzug, die gem. § 32d Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 EStG dem gesonderten Tarif unterlägen. Das Finanzamt berücksichtigte die Zinseinkünfte des Klägers als gem. § 32a EStG tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierbei stützte es sich auf die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG. Der Kläger als Darlehensgeber stehe der Klägerin als Anteilseignerin der S-GmbH nahe.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht, wenn die Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Nach Satz 2 des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigener nahestehende Person ist. Hierfür genügt ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes persönliches Interesse allein nicht, um ein Näheverhältnis zwischen dem Darlehensgeber und dem Anteilseigner der Kapitalgesellschaft zu begründen. Erforderlich ist vielmehr, dass zwischen dem Darlehensgeber als nahestehender Person (hier: dem Kläger) und dem Anteilseigner (seiner Ehefrau) ein Beherrschungsverhältnis besteht. Entweder der Kläger oder die Ehefrau kann hier auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung (des Darlehensvertrags mit der GmbH) begründeten Einfluss ausüben. Das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens mit der GmbH im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt.
Das Abhängigkeitsverhältnis kann wirtschaftlicher oder persönlicher Natur sein. Ein solches Näheverhältnis liegt z.B. vor, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine Beteiligung an der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft der darlehensnehmenden Tochterkapitalgesellschaft innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft. Vorliegend bestand zwischen dem Kläger als Darlehensgeber und der Ehefrau als Anteilseignerin der GmbH kein solches Abhängigkeitsverhältnis. Zwar hätte die Ehefrau als Alleingesellschafterin der GmbH den Kläger als deren Geschäftsführer mittels eines Gesellschafterbeschlusses abberufen und dessen Anstellungsvertrag kündigen können. Allerdings fehlte es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Ehefrau ihre gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten eingesetzt hat, um den Kläger zur Vergabe der Darlehen an die S-GmbH zu veranlassen. Vielmehr stand dem Kläger ein Entscheidungsspielraum im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung zu. Umstände, die dafürsprachen, dass der Kläger als Darlehensgeber auf die Ehefrau als Anteilseignerin der GmbH einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss genommen hat und ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der Ehefrau vorlag, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Für die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses der Vertragsparteien an der Einkünfteerzielung des anderen reicht es nicht aus, dass der Darlehensgeber von der Besteuerung der Zinsen nach dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG profitiert und der Schuldner die gezahlten Vergütungen im tariflichen Bereich als Betriebsausgaben abziehen kann. Hätte der Darlehensgeber, statt das Darlehen auszureichen, sein Kapital auch bei einer Bank anlegen und für die hieraus erzielten Kapitalerträge den gesonderten Tarif in Anspruch nehmen können, oder hätte der Darlehensnehmer das benötigte Kapital auch bei einer Bank aufnehmen können, fehlt es an einem entsprechenden Näheverhältnis. Denn die vom Gesetzgeber durch die Gewährung von Fremdkapital befürchtete missbräuchliche Verlagerung von Einkünften auf die privilegiert besteuerte private Anlageebene kann nicht eintreten, wenn die Chancen und Risiken bei der Gewährung der Darlehen in fremdüblicher Weise verteilt sind. Vorliegend war ein eigenes wirtschaftliches Interesse der GmbH als Darlehensschuldnerin an der Einkünfteerzielung des Klägers als Darlehensgeber oder umgekehrt nicht zu erkennen. Weder der Kläger als Darlehensgeber noch die Ehefrau als Anteilseignerin der GmbH noch die GmbH selbst waren danach bei Eingehen der Darlehensbeziehung in ihrer Finanzierungsfreiheit beschränkt. Ein Näheverhältnis gem. § 32d Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG lag auf dieser Grundlage nicht vor.
Allerdings hat das FG rechtsfehlerhaft angenommen, dass bei Nichtvorliegen des Ausschlusstatbestands gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ein Ausschluss der Kapitalerträge des Klägers aus dem gesonderten Tarif (§ 32d Abs. 1 EStG) gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht kommt. Dies hat der BFH jedoch ausdrücklich verneint. Der Tatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ist ein speziell für Vergütungen, die u.a. von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner oder an eine diesem nahestehende Person gezahlt werden, geschaffener Ausschlusstatbestand. Er ist abschließend. Sind die Voraussetzungen der Regelung nicht erfüllt, kommt ein Rückgriff auf den Ausschlusstatbestand gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG weder für Vergütungen aus einem Darlehen des Anteilseigners noch einer nahestehenden Person an die Kapitalgesellschaft in Betracht. Dies gilt nicht nur, wenn die in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG normierte Beteiligungsschwelle des Anteilseigners von 10 % nicht erreicht wird, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen für ein wirtschaftliches oder persönliches Näheverhältnis des Darlehensgebers zum Anteilseigner oder umgekehrt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht gegeben sind.