Es ist das Wesen des gewerblichen Rechtsschutzes, dass die Mandantschaft einen - auch räumlich - umfassenden Schutz des eigenen geistigen Eigentums anstrebt. Dazu ist es notwendig, in einer Vielzahl von Rechtskreisen die begehrten Schutzrechte anzumelden, um eine räumlich umfassende Schutzrechtsfamilie zu begründen. Inländische Patentanwaltskanzleien können diese Verfahren nur im Rahmen ihrer Postulationsfähigkeit für die Mandantschaft übernehmen. Außerhalb der Reichweite der eigenen Postulationsfähigkeit bedarf es des Tätigwerdens ausländischer Patentanwaltskanzleien - und zwar seit der Begründung des Berufsstandes der Patentanwaltschaft vor über 100 Jahren. Finanzgerichtlich nicht entschieden war bisher, welche Folgen sich aus dem Tätigwerden ausländischer Patentanwaltskanzleien in Schutzrechtserteilungsverfahren, die von inländischen Patentanwaltskanzleien initiiert wurden, ergeben. Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen ging in den letzten Jahren davon aus, dass diese Tätigkeit infizierende Wirkung hat, die betroffenen Kanzleien gewerbliche Einkünfte erzielen und folglich auch der Gewerbesteuer unterliegen würden.
Erstmals hatte nun das FG Münster (Urteil vom 27.10.2023, Az. 14 K 1624/21 G -rkr-) Gelegenheit, die steuerlichen Auswirkungen des Tätigwerdens ausländischer Patentanwaltskanzleien bei der Erlangung von Schutzrechten im Ausland zur Begründung von Schutzrechtsfamilien aus finanzgerichtlicher Sicht zu beurteilen.
Das Finanzgericht kam im konkreten Entscheidungsfall zu der Erkenntnis, dass die ausländische Patentanwaltskanzlei nicht als fachlich vorgebildete Arbeitskraft i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz. 3 EStG der inländischen Patentanwaltskanzlei zuzurechnen war. Damit war nicht mehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in Bezug auf die inländische Patentanwaltskanzlei gegeben waren.
Im Entscheidungsfall kam das Gericht zu der Überzeugung, dass die ausländische Patentanwaltskanzlei ihre eigene Leistungspflicht gegenüber der Mandantschaft erfüllt und gegenüber der inländischen Patentanwaltskanzlei keine Leistungsverpflichtung besteht.
Das FG Münster grenzt den vorliegenden Fall von dem durch den BFH entschiedenen Fall eines Übersetzungsbüros ab (BFH-Urteil vom 21.02.2017, Az. VIII R 45/13, BStBl. II 2018, S. 4). Anders als im Entscheidungsfall des FG Münsters lag dem BFH ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, in dem die Kundschaft das Übersetzungsbüro mit der Übersetzung eines Ausgangstextes in eine Vielzahl von Sprachen beauftragte. Diesen mehrgliedrigen Auftrag gab das Übersetzungsbüro weit überwiegend an Subunternehmer weiter. Es lag also eine Aneinanderreihung von Vertragsverhältnissen vor. Damit stellte sich die Frage, ob das Übersetzungsbüro leitend und eigenverantwortlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig wurde, als es das Gesamtpaket an Übersetzungen an die Kundschaft auslieferte. Eine eigenverantwortliche Leistung hätte bei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Personen nur dann vorgelegen, wenn die mitunternehmerisch verbundenen Personen die fachliche Leitung übernommen hätten. Diese Voraussetzung sah der BFH nicht als gegeben an, da die im Übersetzungsbüro mitunternehmerisch verbundenen Personen lediglich einen Teil der Zielsprachen beherrschten. In weiten Teilen waren diese Sprachkenntnisse jedoch - aufgrund der Vielzahl der Zielsprachen verständlicher Weise - nicht vorhanden. Der BFH bestätigte im Rahmen dieser Entscheidung seine frühere Rechtsprechung.
Darüber hinaus konnte das Gericht im konkreten Einzelfall aus den übrigen im Rahmen der Abwicklung der Mandate erbrachten Leistungen keine Aktivitäten herauskristallisieren, die für sich geeignet waren, infizierend zu wirken. Das galt auch für die Zahlungsabwicklung bei der die inländische Kanzlei - wie schon vor 100 Jahren - dafür Sorge trug, dass die Mandantschaft auch die Kosten der Auslandsvertretung beglich. Entsprechend den überkommenen Strukturen der Patentanwaltschaft haftet die inländische Kanzlei der ausländischen Patentanwaltskanzlei für das Honorar und die durchlaufenden Posten, die in Bezug auf die Tätigkeit für die Mandantschaft der inländischen Kanzlei verursacht werden, vgl. auch § 24 Abs. 3 BOPA. Deswegen adressierte die ausländische Patentanwaltskanzlei ihre Rechnung an die inländische Patentanwaltskanzlei, die diese beglich und die verauslagten Beträge zusammen mit einem Aufschlag für Währungsschwankungen, Bankgebühren und Portokosten an die Mandantschaft weiterberechnete, wobei die Zahlungsabwicklung insgesamt verlustgeneigt war.
Auch wohnten dem konkreten Fall keine versteckten oder fehlgeschlagenen Mitunternehmerstellungen inne, die stets geeignet sind, eine Infektion auszulösen.
Hinweis: Die durch unseren Gewerbesteuerexperten, Stefan Liedtke, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner an unserem Düsseldorfer Standort, erstrittene Entscheidung hat, ist - auch wenn sie auf der Anwendung der vermeintlich einfachen Frage beruht, wer mit wem welches Vertragsverhältnis geschlossen hat und wer welche Tätigkeiten für wen durchführt - von grundlegender Bedeutung für die Durchführung von Abgrenzungsprüfungen und damit für die Frage des Bestehens der Gewerbesteuerpflicht.