Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2006 entgeltliche Umsätze i.H.v. 74.732 € und unentgeltliche Wertabgaben von 2.958 € angegeben. Unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen ergab sich eine Umsatzsteuer von 11.467 €. Im Rahmen einer Außenprüfung ging der Prüfer davon aus, dass die Pachtumsätze um 13.582 € aufgrund der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage sowie die unentgeltlichen Wertabgaben um 16.760 € zu erhöhen seien. Zudem unterliege die Geschäftsführertätigkeit des Klägers der Umsatzsteuer. Die Bemessungsgrundlage hierfür belief sich nach den handschriftlichen Aufzeichnungen des Prüfers in den Handakten auf 287.987 €. Infolgedessen setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2006 entsprechend auf 81.963 € fest.
Der Kläger wandte sich gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung und begehrte eine weitere Minderung der Bemessungsgrundlage für die Verpachtungsumsätze. In der mündlichen Verhandlung kamen die Beteiligten überein, dass ein der Umsatzsteuer unterliegendes Geschäftsführerhonorar von 184.000 € brutto zu versteuern sei. Die Vertreterin des Finanzamtes erklärte sich deshalb bereit, den Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr dahingehend zu ändern, dass die im Bescheid angesetzte Geschäftsführervergütung auf netto 158.620 € herabgesetzt wird. Der Vertreter des Klägers erklärte daraufhin, an seinem weiteren Begehren nicht mehr festzuhalten. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
In Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Zusage erließ das Finanzamt einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die bisher festgesetzte Umsatzsteuer um 20.698 € minderte. Daraufhin legte der Kläger gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid Einspruch ein und begehrte eine Minderung der Umsätze um 76.191 €. Die Behörde wies den Einspruch zurück und verwies darauf, dass der Bescheid das Ergebnis der mündlichen Verhandlung zutreffend umsetze.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH ohne Erfolg.
Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Änderungsbescheid nach § 129 AO zu ändern war.
Offenbare Unrichtigkeiten (§ 129 AO) sind mechanische Versehen wie z.B. Schreibfehler, Rechenfehler sowie Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler im Bereich der Willensbildung, Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigungen, unzutreffende Annahmen zu einem in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalt oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, die Anwendung der Vorschrift aus. § 129 AO ist daher nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.
Da der Wortlaut des § 129 Satz 1 AO auf "offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind", abstellt, kommt es entscheidend auf die Umstände bei der Entscheidungsfindung und demzufolge vornehmlich auf den Akteninhalt an. Maßgebend ist deshalb, ob der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen (objektiven) Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche; nicht dagegen ist erforderlich, dass für den Bescheidadressaten auch der an Stelle des unrichtigen zu setzende richtige Inhalt des Bescheids offenbar ist. Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte.
Im Streitfall war ausgeschlossen, dass der dem Prüfer unterlaufene Fehler auf irgendwelche rechtlichen oder tatsächlichen Fehlbeurteilungen zurückzuführen ist. Liegen somit die Voraussetzungen des §129 AO vor, kommt es auf eine zusätzliche Anwendung von § 351 Abs. 1 AO im Hinblick auf den dort vorgesehenen Vorbehalt zu den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten nicht an. Auch steht der Änderung der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen, da der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO gehemmt war.
Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3a Satz 1 AO nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. Eine Steuerfestsetzung wird unanfechtbar, wenn ein Rechtsstreit durch übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt wird. Hat das Finanzamt aber in der mündlichen Verhandlung vor dem FG den Erlass eines Änderungsbescheids zugesagt und erklären daraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, so ist die Behörde nach Treu und Glauben an die Zusage gebunden und der Steuerpflichtige kann, wenn das Finanzamt den Erlass des zugesagten Änderungsbescheids ablehnt, den Rechtsstreit mit dem Antrag fortsetzen, die Behörde zum Erlass des Änderungsbescheids zu verpflichten.
Daraus folgt, dass übereinstimmende Erledigungserklärungen im Zusammenhang mit der Zusage einer Bescheidänderung noch nicht zu einer unanfechtbaren Entscheidung über den Rechtsbehelf führen. Denn ohne Anwendung von § 171 Abs. 3a Satz 1 AO könnte sonst der Eintritt von Festsetzungsverjährung einer Fortsetzung des Rechtsstreits entgegenstehen. Eine derartige Einschränkung der Anspruchsdurchsetzung im Hinblick auf Zusagen des Finanzamtes ist mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, nicht vereinbar.
Übereinstimmende Erledigungserklärungen führen im Zusammenhang mit der Zusage einer Bescheidänderung noch nicht zu einer unanfechtbaren Entscheidung über den Rechtsbehelf. Ohne Anwendung von § 171 Abs. 3a Satz 1 AO könnte sonst der Eintritt von Festsetzungsverjährung einer Fortsetzung des Rechtsstreits entgegenstehen.