Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Anschluss an eine Betriebsprüfung über die Abzinsung von Darlehen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit A und einen Handel für B. Bis 2009 ermittelte sie den Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung, seit 2010 (Streitjahr) erstellt sie für beide Betriebe Bilanzen. Mit Fertigstellungszeitpunkt 2011 errichtete die Klägerin auf dem zuvor erworbenen Grundstück "C-Straße" in M ein gemischt genutztes Gebäude. Die Anschaffungskosten des Grund- und Bodens und die Baukosten betrugen rd. 1,6 Mio. €. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung nutzt die Klägerin das Objekt zu 17,35 % für eigene Wohnzwecke, zu 63,92 % für den Einzelhandel A und zu 18,73 % für den Betrieb B.
Nach Erörterung schenkungsteuerlicher Konsequenzen übersandte die Klägerin im November 2012 auf August 2012 datierende Zusatzvereinbarungen. Darin heißt es, "in Ergänzung" zu den Darlehensverträgen vom 14.10.2009 werde hiermit vereinbart, dass ab dem 1.1.2012 jeweils zum Jahresende Zinsen i.H.v. 2 % zu zahlen sind. Der Prüfer wies darauf hin, dass unverzinsliche Verbindlichkeiten ertragsteuerlich nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen seien, nach dem Stichtagsprinzip auf die Verhältnisse zum Bilanzstichtag abgestellt werden müsse und die nachträglichen Vereinbarungen ertragsteuerlich nicht zurückwirkten. Demgemäß zinste der Prüfer die Darlehen für die vertraglich vereinbarte Laufzeit ab. Die Unterschiedsbeträge zwischen den Darlehensnennbeträgen und den steuerlichen Wertansätzen rechnete er dem Gewinn hinzu.
Das FG wies die gegen die erfolgte Abzinsung gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht die in Rede stehenden Darlehensverbindlichkeiten zum Bilanzstichtag 31.12.2010 nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst und den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend erhöht.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind in der Bilanz Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen. Vorliegend ist keiner der Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG einschlägig, das in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG normierte Abzinsungsgebot daher anzuwenden. Die zum Neubau des Geschäftshauses bei P und F aufgenommen Darlehen dienten betrieblichen Zwecken. Sie wurden der Klägerin langfristig gewährt, ohne dass die Klägerin dafür Zinsen zu leisten hatte. Die Bewertungsansätze berücksichtigen die vereinbarte Laufzeit der Darlehen, der Zinssatz von 5,5 % entspricht den Vorgaben des Gesetzes.
Dem Abzinsungsgebot steht nicht entgegen, dass in 2012 geänderte, nunmehr verzinsliche Darlehensverträge abgeschlossen wurden. Denn für die Bilanzierung maßgebend sind die Verhältnisse zum jeweiligen Bilanzstichtag. Danach eintretende Umstände - wie nachträgliche Zusatz- bzw. Aufhebungsvereinbarungen - wirken steuerlich nicht zurück. Der Steuerpflichtige kann auf einen entstandenen Steueranspruch nicht mit Wirkung für die Vergangenheit Einfluss nehmen, sofern dies in dem jeweiligen Einzelsteuergesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Eine schuldrechtliche Rückbeziehung von Verträgen ist nur ausnahmsweise anzuerkennen, z.B. wenn sie nur von kurzer Dauer ist und sich steuerrechtliche Folgen daraus nicht ergeben. Ein dahingehender Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Änderung der Darlehensverträge in 2012 ist eine wertbegründende Tatsache, die eine neue Situation schafft und damit allenfalls für 2012 Wirkung entfalten kann.
Soweit die Klägerin die Unverzinslichkeit der Darlehen in Frage gestellt hat, kann sie damit nicht durchdringen. Zwar ist der Klägerin darin beizupflichten, dass es für die Verzinslichkeit eines Darlehens nicht nur auf die Nominalverzinsung ankommt, sondern insoweit auch andere mit der Darlehensgewährung verbundene Leistungspflichten des Darlehensnehmers bedeutsam sein können. Auch ist nicht erforderlich, dass der Zinssatz dem Kapitalmarktniveau im Zeitpunkt der Vereinbarung entspricht. Es ist aber nicht nachgewiesen, dass entgegen dem Wortlaut der Vertragsurkunden eine konkrete Gegenleistung vereinbart und eine Vergütung für die Kapitalüberlassung geschuldet wurde. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch darauf, dass überhaupt keine Betriebsschulden vorliegen würden. Der Anlass der Darlehensaufnahme, die Verwendung der Mittel und die von der Klägerin selbst vorgenommene Bilanzierung sprechen für die Annahme betrieblicher Verbindlichkeiten.
Auch die - bei Verträgen unter nahen Angehörigen zu beachtenden - Grundsätze des Fremdvergleiches stehen der Berücksichtigung einer Betriebsschuld und deren Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG hier nicht entgegen. Zum einen besteht zum Darlehensgeber P kein und zu F als Schwager jedenfalls kein enges Verwandtschaftsverhältnis, dass von vornherein auf einen Interessengleichklang hindeutet. Zum anderen geht es um die Passivierung von Darlehen, die eindeutig im Zusammenhang mit der Herstellung eines betrieblichen Wirtschaftsgutes aufgenommen, hinsichtlich der beiderseitigen Pflichten klar geregelt und von der Klägerin selbst als Betriebsschulden ausgewiesen wurden.
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