Der Sachverhalt:
Das Hauptzollamt führt aufgrund entsprechender Vollstreckungsaufträge die Vollstreckung von Beitragsforderungen einer Krankenkasse (Gläubigerin) gegen die A-GmbH (Schuldnerin) durch. In diesem Zusammenhang hat es zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen über das IT-Verfahren "Elektronisches Vollstreckungssystem (eVS)" erzeugt, diese über eine zentrale Druckstraße ausgedruckt und die förmliche Zustellung dieser mit dem Datum des 10.8.2017 versehenen Verfügungen an die Antragstellerin veranlasst.
Die der Antragstellerin am 12.8.2017 zugestellten Ausfertigungen der beiden Verfügungen enthalten im Briefkopf jeweils den Namen und die Anschrift des Hauptzollamts, den Namen des Bearbeiters, jedoch weder eine Unterschrift noch ein Dienstsiegel. Sie schließen jeweils mit dem Satz "Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig". Nachdem die Antragstellerin dem Hauptzollamt mitgeteilt hatte, dass es die Verfügungen zwar erhalten habe, sie aber nicht beachten werde, weil sie weder unterzeichnet noch mit einem Siegel versehen seien, legte sie hiergegen mit weiterem Schreiben vom 12.9.2017 (beim Hauptzollamt eingegangen am 14.9.2017) Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Hauptzollamt wies den Einspruch zurück und lehnte den Antrag auf AdV ab.
Das FG lehnte den Antrag auf AdV ebenfalls ab. Die Beschwerde zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen begegnet nach der im Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung keinen ernstlichen Zweifeln. Sie genügen der gesetzlich vorgeschriebenen Form.
§ 309 Abs. 1 S. 1 AO verlangt für die Pfändung von Geldforderungen die Schriftform. Denn die Pfändung setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift voraus, dass sowohl das an den Drittschuldner gerichtete Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Arrestatorium), als auch das an den Vollstreckungsschuldner gerichtete Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium), schriftlich erfolgen. Dem hat das Hauptzollamt dadurch Rechnung getragen, dass es der Antragstellerin entsprechende, auf das Hauptzollamt als ausstellende Behörde hinweisende Urkunden hat zustellen lassen, in denen diese Anordnungen verkörpert sind. Damit hat es den gesetzlichen Formerfordernissen genügt.
Soweit die Antragstellerin rügt, dass die streitgegenständlichen Verfügungen nicht von einem Amtsträger unterzeichnet worden seien, begründet dies hier keine Zweifel an deren formeller Rechtmäßigkeit. Zwar muss ein schriftlicher Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 3 S. 2 AO neben anderen Erfordernissen grundsätzlich auch die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten und fehlt es auf den streitbefangenen Urkunden an einer solchen Unterschrift. Der zweite Halbsatz in der genannten Vorschrift macht von dem Erfordernis einer Unterzeichnung und der Namenswiedergabe jedoch eine Ausnahme für Verwaltungsakte, die formularmäßig oder mit Hilfe elektronischer Einrichtungen erlassen werden. Genau um solche formularmäßigen Verwaltungsakte handelt es sich bei den vorliegenden Verfügungen.
Die jeweils in Schriftstücken verkörperten beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu beanstanden, weil § 309 Abs. 1 S. 2 AO für solche Verwaltungsakte die elektronische Form ausdrücklich ausschließt. Die beiden Verfügungen mögen zwar mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erzeugt worden sein. Sie sind gleichwohl nicht in elektronischer Form erlassen worden. Für die Frage, ob eine Regelung in elektronischer Form vorliegt oder nicht, ist nicht darauf abzustellen, ob bei dem Prozess ihrer Entstehung an irgendeiner Stelle auch Daten elektronisch verarbeitet worden sind. Maßgebend ist vielmehr, ob dem Adressaten ein elektronisches Dokument übermittelt wird. Das ist nicht der Fall, wenn dem Betroffenen - wie hier - der Ausdruck eines elektronisch erzeugten Dokuments zugesandt wird.
Auch der Ansicht der Antragstellerin, § 309 Abs. 1 AO schließe als speziellere Regelung die Anwendung des § 119 Abs. 3 AO aus, vermag sich der Senat in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Richtig ist, dass § 309 Abs. 1 S. 2 AO die Regelung des § 119 Abs. 3 S. 3 AO insoweit verdrängt, als es um die Zulässigkeit einer Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form geht; diese ist bei Pfändungen ausgeschlossen. Soweit es allerdings um die (weitere) Frage geht, ob das in § 309 Abs. 1 S. 1 AO enthaltene Schriftformerfordernis einem Rückgriff auf die Regelung in § 119 Abs. 3 S. 2 AO entgegen steht, ist nicht ersichtlich, woraus sich eine solche Rechtsfolge ableiten lässt.
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