Der Sachverhalt:
Die I. betrieb einen Handel mit Elektroartikeln, insbesondere mit Computerhardware und Computersoftware und belieferte u.a. Kunden in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU. Das Finanzamt erließ unter im Juni 2016 gegen die I. eine Arrestanordnung zur Sicherung der USt für 2014 und 2015 sowie die USt-VZ 1/2016 bis 3/201. Auf Grund der Feststellungen der französischen Steuerfahndung und des Finanzamtes für Steuerstrafsachen stehe demnach fest, dass i.H.d. Arrestbetrages bisher von der I. als umsatzsteuerfrei erklärte Umsätze gem. § 4 Nr. 1b UStG i.V.m. § 6a UStG der USt zu unterwerfen seien.
Im Jahr 2017 eröffnete das AG wegen Zahlungsunfähigkeit das derzeit noch anhängige Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. und bestellte den Rechtsanwalt R. zum Insolvenzverwalter. Mit am gleichen Tag beim Gericht eingegangenen Schreiben erklärte der Insolvenzverwalter "die Aufnahme des Verfahrens" und teilte mit, dass er im Verfahren durch die bisherigen Prozessbevollmächtigten der I. vertreten werde. Fortan war streitig, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den von der jetzigen Insolvenzschuldnerin I. gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuer(USt)-Bescheide für 2014 und für 2015 und der USt-Bescheide für die Voranmeldungszeitraume (VZ) 1/2016 bis 3/2016 entfallen ist, nachdem im Laufe des hiesigen Verfahrens das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. eröffnet wurde.
Das FG wies den Antrag, die Vollziehung der USt-Bescheide für 2014 und für 2015 sowie der USt-Bescheide für die VZ 1/2016 bis 3/2016 ab. Beschwerde wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Senat konnte trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I. über den Antrag des Insolvenzverwalters entscheiden.
Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 240 S. 1 ZPO ist nicht eingetreten. Zwar wird nach diesen Vorschriften ein gerichtliches Verfahren im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft. Dies gilt aber nicht in einem Verfahren über die Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, weil eine (weitere) Vollziehung der in einem solchen Verfahren streitbefangenen Steuerbescheide während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig ist (vgl. BFH-Beschl. v. 31.1.2017, Az.: V B 14/16. Außerdem hatte der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Verfahrens erklärt.
Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechterhaltene und vom Insolvenzverwalter durch erklärte Aufnahme des Verfahrens weiterverfolgte Antrag auf Aufhebung der Vollziehung war unzulässig. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen, der eine Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung der ihm erteilten Steuerbescheide begehrt hatte, war das Rechtsschutzbedürfnis für diese Anträge entfallen.
Zwar können trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwaltungsakte wie Steuerbescheide i.S.d. § 155 Abs. 1 AO gem. § 251 Abs. 1 S. 1 AO vollstreckt werden. § 251 Abs. 2 S. 1 AO schreibt aber vor, dass die Vorschriften der InsO unberührt bleiben. Gem. § 87 InsO kann die Finanzbehörde ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des steuerpflichtigen Steueransprüche, die als Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO anzusehen sind, nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger verfolgen, wobei zu berücksichtigen ist, dass § 89 Abs.1 InsO bestimmt, dass Zwangsvollstreckungen unzulässig sind.
Angesichts dieser Rechtslage konnte ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners das mit dem (bisherigen) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verfolgte Ziel nicht mehr erreicht werden. Sollte das Rechtschutzbedürfnis für den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung entgegen den vorstehenden Darlegungen zu bejahen sein, ist der Antrag aber nicht begründet.
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