Im Ergebnis hat die Bundesregierung die meisten der Änderungsvorschläge des Bundesrates aus dem Sommer 2021 übernommen. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Rechte grundversorgter Kunden bei drohenden Versorgungsunterbrechungen wegen Zahlungsrückständen. Hier finden Sie einen Überblick über die zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Änderungen:
Angleichung der Vertragsgestaltung der Grundversorgung an Sonderverträge
- Mit der letzten Änderung der Stromgrundersorgungsverordnung (StromGVV) war in § 1 Abs. 1 klargestellt worden, dass der Grundversorgungsvertrag ein sog. kombinierter Vertrag gemäß § 9 Abs. 2 Messstellenbetriebsgesetz ist. Nunmehr wird ein neuer Satz 4 in § 1 Abs. 1 eingefügt, wonach der Grundversorger auf Verlangen des Kunden einen Grundversorgungsvertrag auch ohne Einbeziehung der Organisation des Messstellenbetriebs anzubieten hat. Das betrifft die Fälle, in denen der Letztverbraucher selbst einen Messstellenbetreiber beauftragt hat.
- In § 2 Abs. 3 StromGVV und § 2 Abs. 3 Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) ist aufgeführt, welche Angaben im Grundversorgungsvertrag oder in der Bestätigung des Vertrages enthalten sein müssen. Diese Auflistung wird ergänzt. Ausdrücklich aufgeführt werden muss künftig der Zeitraum der Abrechnungen, Informationen über die Rechte des Kunden im Hinblick auf Verbraucherbeschwerden, die Kontaktdaten des Verbraucherservices der Bundesnetzagentur und das Muster der Abwendungsvereinbarung des Grundversorgers nach § 19 Abs. 5 StromGVV bzw. GasGVV, auf das weiter unten noch detaillierter eingegangen wird.
- § 2 Abs. 3 StromGVV bzw. GasGVV wird weiterhin um eine Regelung ergänzt, wonach § 41 Abs. 1 EnWG unberührt bleibt. § 41 Abs. 1 EnWG regelt den Inhalt eines Energieliefervertrages mit Letztverbrauchern.
- In § 8 Abs. 2 StromGVV bzw. GasGVV wird ein neuer Satz 4 angefügt. Danach darf der Grundversorger die vom Kunden verlangte Prüfung der Messeinrichtung nicht von einer Vorleistung oder Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn der Kunde Umstände darlegt, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Funktion der Messeinrichtung begründen.
- § 11 der StromGVV und der GasGVV, der bislang mit „Ablesung“ überschrieben ist, wird nunmehr mit „Verbrauchsermittlung“ überschrieben. In Abs. 1 wird für die Ermittlung des Verbrauchs auf § 40a EnWG verwiesen.
- In § 12 Abs. 1 StromGVV und GasGVV wird bezüglich der Abrechnung auf die Neuregelung in § 40b Abs. 1 EnWG verwiesen.
- In § 14 StromGVV und GasGVV wird der Begriff „Vorkassensysteme“ durch „Vorauszahlungssysteme“ ersetzt und ein Verweis auf § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG eingefügt.
- In § 16 StromGVV und GasGVV (Rechnungen und Abschläge) wird auf § 40 Abs. 1 bis 4 EnWG verwiesen und ein Verweis auf § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 EnWG angefügt. Dieser Verweis regelt die anzubietenden Zahlungsweisen.
Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzug wird schwieriger
Die wichtigsten Änderungen sind in § 19 StromGVV und GasGVV enthalten und betreffen die Regelungen zur Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzugs.
Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 StromGVV und GasGVV darf die Versorgung wegen Zahlungsverzugs nicht unterbrochen werden, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen. Das ist jetzt dahingehend konkretisiert, dass die Verhältnismäßigkeit insbesondere dann nicht gewahrt ist, wenn in Folge der Unterbrechung eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der dadurch Betroffenen droht.
Hinweis: Im Vorschlag vom Sommer 2021 hatte der Bundesrat noch vorgesehen, dass eine Versorgungsunterbrechung grundsätzlich auch dann unverhältnismäßig sein soll, wenn von ihr „grundlegende Belange von Minderjährigen, Pflegebedürftigen oder schwerkranken Personen betroffen“ sind. Diese Regelung ist in der aktuellen Verordnung nicht mehr enthalten.
Gemäß der Neuregelung müssen Kunden mit der Androhung der Unterbrechung über die Möglichkeit informiert werden, Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung in Textform vorzutragen. Damit soll sichergestellt werden, dass sich der Grundversorger nicht darauf berufen kann, nichts von den Umständen gewusst zu haben, die zur Unverhältnismäßigkeit der Versorgungsunterbrechung führen.
Bereits bislang ist in der StromGVV geregelt, dass eine Sperrung nur dann zulässig ist, wenn der Zahlungsrückstand des Kunden mindestens 100 Euro beträgt. Künftig ist eine Sperrung erst dann zulässig, wenn der Kunde mit Abschlägen oder Vorauszahlungen in Höhe von mindestens zwei Monatsbeträgen oder einem Sechstel des voraussichtlichen Betrages der Jahresrechnung und mindestens 100 Euro im Rückstand ist.
Der Grundversorger muss dem Kunden gemäß dem geänderten § 19 Abs. 3 StromGVV bzw. GasGVV mit der Androhung der Unterbrechung eine Information über Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung zukommen lassen. Damit soll der Kunde über Hilfsangebote, Energieaudits oder Energieberatungen, staatliche Unterstützungsmöglichkeiten oder Schuldnerberatung informiert werden.
Die Unterbrechung muss nicht wie bisher drei Tage im Voraus, sondern acht Werktage im Voraus angekündigt werden. Dazu sollen nach Möglichkeit Kommunikationsmittel wie E-Mail oder Textnachrichten genutzt werden. Der Bundesrat begründet das damit, dass Kunden auf derartige Mitteilungen eher reagieren als auf einen Brief.
Gemäß dem neuen § 19 Abs. 5 StromGVV bzw. GasGVV muss dem Kunden spätestens mit der Unterbrechungsandrohung eine Abwendungsvereinbarung angeboten werden. Diese muss eine zinsfreie Ratenzahlungsvereinbarung über die Rückstände und eine Weiterversorgung auf Vorauszahlungsbasis beinhalten. Die Ratenzahlungsvereinbarung soll sicherstellen, dass die Rückstände innerhalb eines zumutbaren Zeitraums ausgeglichen werden. Zumutbar sein soll ein Zeitraum von sechs bis 18 Monaten. Nimmt der Kunde das Angebot an, darf die Versorgung erst dann unterbrochen werden, wenn der Kunde seinen Verpflichtungen aus der Abwendungsvereinbarung nicht nachkommt.
Das Muster der Abwendungsvereinbarung muss auf der Internetseite des Grundversorgers veröffentlicht werden. Diese Verpflichtung gilt ab dem 01.01.2022. Weiterhin ist in der Unterbrechungsandrohung darauf hinzuweisen, welche Kosten durch die Unterbrechung und die Wiederherstellung entstehen werden.
Hinweis: Übergangsregelungen sind nicht vorgesehen. Die Änderungen sind am 01.12.2021, dem Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Das Muster der Abwendungsvereinbarung ist von den Grundversorgern spätestens bis zum 01.01.2022 zu veröffentlichen.
Aufgrund der Änderungen muss insbesondere der Prozess der Versorgungsunterbrechung in nahezu allen Belangen angepasst werden.