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Rechtsberatung

Agile Verträge für agile Projekte

Ur­sprüng­lich aus der Soft­ware­ent­wick­lung stam­mend, wer­den agile Ar­beits­me­tho­den in Un­ter­neh­men zu­neh­mend in ver­schie­de­nen Dienst­leis­tungs­be­rei­chen ein­ge­setzt. Wird da­bei mit Dienst­leis­tern oder Kun­den zu­sam­men­ge­ar­bei­tet, be­darf es ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen, die die­ser Ar­beits­weise ge­recht wer­den.

So kann z. B. ge­mein­sam mit Dienst­leis­tern an Smart-Tool-Lösun­gen für das be­ste­hende Pro­dukt­port­fo­lio ge­ar­bei­tet wer­den, wozu je nach noch zu eru­ie­ren­dem Nut­zer­ver­hal­ten der Kun­den di­gi­tale Zu­satz­funk­tio­nen ent­wi­ckelt wer­den sol­len. Dazu kom­men re­gelmäßig Soft­ware-Tools, wie z. B. Kan­ban oder SCRUM, zum Ein­satz, um Teil­ziele zu dem ge­mein­sa­men Pro­jekt zu de­fi­nie­ren. Diese können fle­xi­bel auf sich verändernde Rah­men­be­din­gun­gen an­ge­passt wer­den und gewähren ei­ner in­no­va­ti­ven Her­an­ge­hens­weise möglichst viel Raum. Zeigt z. B. das Nut­zer­ver­hal­ten der Kun­den, dass eine In­ter­ak­tion zwi­schen den an­ge­bo­te­nen Pro­duk­ten als be­son­ders wich­tig er­ach­tet wird, wird der Lösungs­an­satz ein völlig an­de­rer sein, als wenn den Kun­den aus­schließlich am Re­mote-Zu­griff auf ein­zelne Pro­dukte ge­le­gen ist. Ent­schei­dend für den beid­sei­tig er­folg­rei­chen Ab­schluss agi­ler Pro­jekte ist ein ge­mein­sa­mes Verständ­nis der Ver­trags­part­ner u. a. darüber, wel­che Leis­tun­gen wie er­bracht wer­den, wann diese als erfüllt gel­ten und ab­ge­nom­men wer­den können, so­wie wie die Vergütung aus­ge­stal­tet wird. Dies muss auch sei­nen Nie­der­schlag in der Ver­trags­ge­stal­tung fin­den.

Standardverträge sind nicht geeignet

Stan­dard­klau­seln, die dem Werk- und/oder dem Dienst­recht ent­stam­men, eig­nen sich re­gelmäßig nicht, zur Ge­stal­tung von agi­len Verträgen. Denn es gilt der agi­len Me­tho­dik und dem agi­lem Mind­set Rech­nung zu tra­gen. Dazu ist letzt­lich ein Loslösen von den be­kann­ten Ver­trags­ty­po­lo­gien er­for­der­lich. Ent­schei­dend muss sein, wie die agile Zu­sam­men­ar­beit kon­kret aus­ge­stal­tet ist, und diese in rechts­ver­bind­li­che Re­ge­lun­gen um­zu­set­zen.

Ausgestaltung am Beispiel von SCRUM

Die er­ste Zu­tat für einen um­setz­ba­ren und da­mit gu­ten agi­len Ver­trag ist die Be­schrei­bung und Re­ge­lung der tatsäch­li­chen Aus­ge­stal­tung der agi­len Zu­sam­men­ar­beit. Hierzu ist es un­erläss­lich, sich mit den Grundzügen der Me­tho­dik des ein­ge­setz­ten Soft­ware-Tools und dem agi­len Mind­set aus­ein­an­der­zu­set­zen. Von be­son­de­rer Be­deu­tung für die Zu­sam­men­ar­beit sind die Rol­len, die das ein­ge­setzte Soft­ware-Tool vor­sieht. Bei SCRUM sind dies kon­kret der Pro­duct Ow­ner, das Ent­wick­lungs­team und der SCRUM-Mas­ter. So wird der Pro­duct Ow­ner zwar oft­mals mit dem Auf­trag­ge­ber iden­ti­sch sein bzw. von die­sem ge­stellt wer­den. Als Pro­duct Ow­ner kann aber auch eine an­dere Per­son de­fi­niert wer­den, die letzt­lich die In­ter­es­sen des Auf­trag­ge­bers ver­tritt und auf­grund sei­ner gu­ten Markt­kennt­nisse am bes­ten die zu rea­li­sie­ren­den Pro­dukt­ei­gen­schaf­ten und Pro­dukt­funk­tio­na­litäten be­stim­men kann. Das Ent­wick­lungs­team wird je­weils nach den Zie­len in­di­vi­du­ell und ggf. mul­ti­dis­zi­plinär zu­sam­men­ge­stellt. Un­terstützt wird die Ar­beit des Ent­wick­lungs­teams durch den SCRUM-Mas­ter, der als Mo­de­ra­tor und Ver­mitt­ler un­terstützt.

Ein kla­res ge­mein­sa­mes Rol­len­verständ­nis der Ver­trags­par­teien ist für die Ver­trags­ge­stal­tung es­sen­ti­ell. Oft­mals wird es Auf­gabe des bei der Ver­trags­ge­stal­tung hin­zu­ge­zo­ge­nen Be­ra­ters sein, hier die­ses Verständ­nis zu schärfen.

Definition von Abnahmen

Mit eine der größten Her­aus­for­de­run­gen bei der agi­len Ver­trags­ge­stal­tung ist re­gelmäßig die Re­ge­lung der Ab­nahme. Bei der Ge­stal­tung ei­ner agi­len Ab­nah­me­klau­sel gilt es zunächst, den Ge­gen­stand der Ab­nahme zu iden­ti­fi­zie­ren und zu be­schrei­ben. Weit ver­brei­tet ist der Irr­glaube, dass sich bei agi­len Pro­jek­ten nicht de­fi­nie­ren lässt, wie das Er­geb­nis aus­se­hen soll. Trotz der Möglich­keit, die Er­geb­nisse im­mer wie­der an­zu­pas­sen, be­ste­hen zu­meist di­verse Grund­an­nah­men beim Auf­trag­ge­ber im Hin­blick auf das Er­geb­nis, die in einem Pro­duct Back­log fest­ge­hal­ten wer­den. Wich­tig ist, dass der In­halt die­ses Pro­duct Back­logs nicht zum Ge­gen­stand der Ab­nahme ge­macht wird, weil da­mit das Pro­duct Back­log dem klas­si­schen Pflich­ten­heft gleich­setzt, was je­doch nicht zum An­satz des agi­len Ar­bei­tens ent­spricht. Im Ein­gangs­bei­spiel wäre etwa die Ent­wick­lung di­gi­ta­ler Zu­satz­funk­tio­nen zu den be­ste­hen­den Pro­duk­ten im Pro­dukt Back­log fest­zu­hal­ten.

Der In­halt des Sprint Back­logs, mit dem die Auf­ga­ben in­ner­halb ei­ner vor­ge­ge­be­nen Zeit­spanne zur Er­zie­lung ei­nes Zwi­schen­er­geb­nis­ses de­fi­niert wer­den, kann hin­ge­gen Ge­gen­stand der Ab­nahme sein. Das zu Be­ginn des agi­len Pro­jekts grob de­fi­nierte Werk wird da­mit im Wege der agi­len Ent­wick­lung mit je­dem In­kre­ment, dem Er­geb­nis aus einem er­le­dig­ten Sprint, im­mer wei­ter kon­kre­ti­siert. Die Sprint­re­views können hier­bei als Teil­ab­nahme ge­nutzt wer­den, wenn diese ähn­lich einem Ab­nah­me­pro­to­koll schrift­lich do­ku­men­tiert sind. Wurde im Bei­spiels­fall de­fi­niert, dass die In­ter­ak­tion der Pro­dukte im Vor­der­grund steht, und dazu in einem Sprint Back­log ver­ein­bart, dass mit­tels ei­ner zu er­stel­len­den di­gi­ta­len Schnitt­stelle ein Pro­dukt sich au­to­nom be­triebs­be­reit schal­ten soll, so­bald sich ein an­de­res Pro­dukt in­ner­halb ei­nes Ra­dius von 20 m be­fin­det, könnte dies Ge­gen­stand ei­ner Ab­nahme sein.

Für die Ge­samt­ab­nahme gibt es zwei un­ter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen: Ent­we­der muss zur Er­zie­lung der Ab­nah­mefähig­keit ei­nes Werks eine sog. Fro­zen Zone des Pro­duct Back­logs ein­ge­rich­tet wer­den, in­ner­halb de­rer das Pro­duct Back­log nicht mehr geändert wer­den darf. Zwar kann die­ses Vor­ge­hen den agi­len Pro­zess ver­lang­sa­men, bringt aber einen sinn­vol­len Ab­schluss für das Pro­jekt. Oder aber das sog. Au­to­ma­ted Tes­ting kommt zum Ein­satz. Dies er­setzt eine Ab­nahme zu je­dem von den Par­teien gewünsch­ten Zeit­punkt. So kann das als In­kre­ment oder sog. Shipp­able Pro­duct er­zielte Teil­er­geb­nis, das nach je­dem Sprint grundsätz­lich vor­han­den sein sollte, so­gleich in der Pra­xis ein­ge­setzt wer­den, da im­mer eine Ab­nahme er­folgt. Vor­teile bringt die­ses Vor­ge­hen ins­be­son­dere bei Pro­jek­ten mit ei­ner kurzen Time-to-Mar­ket-Zeit­spanne oder bei de­nen eine frühzei­tige Kun­den­re­ak­tion maßgeb­lich für die wei­tere Ent­wick­lung ist. Al­ler­dings sind hohe An­for­de­run­gen an die Tech­nik und die Be­triebs­um­ge­bung, in­klu­sive ent­spre­chen­der Ver­ant­wort­lich­kei­ten so­wie die her­aus­for­dernde Ka­li­brie­rung für das Tes­ting zu meis­tern. So­fern das Au­to­ma­ted Tes­ting ge­nutzt wird, ist in den Ab­nah­me­re­ge­lun­gen fest­zu­hal­ten, wie und durch wen die Er­geb­nisse des Tes­ting ab­ge­ru­fen und do­ku­men­tiert wer­den und wel­che Rechts­wir­kung dies ha­ben soll. Im Bei­spiels­fall könnte ver­ein­bart wer­den, dass 14 Tage nach einem Soft­ware-Up­date der Pro­dukte mit der Zu­satz­funk­tion der au­to­no­men In­be­trieb­nahme er­mit­telt wird, wie oft Kun­den au­to­nom ein­ge­schal­tete Pro­dukte so­fort wie­der ab­schal­ten und sich da­mit diese Zu­satz­funk­tion als nicht erwünscht er­weist.

Kernpunkt der Vertragsgestaltung: die Vergütung

Im Rah­men von agi­len Verträgen wird letzt­lich zwi­schen drei Vergütungs­mo­del­len un­ter­schie­den:

Beim agi­len Fest­preis wer­den sog. User Sto­ries, also Be­schrei­bun­gen der An­wen­dung ei­nes Pro­dukts, dem Auf­wand nach ge­schätzt und es wer­den sog. Story Points, mit der die Größe der User Story be­schrie­ben wer­den, ver­ge­ben. Dar­aus er­gibt sich ein Pau­schal­preis, der durch die An­pas­sung der User Sto­ries und da­mit der Story Points mo­di­fi­ziert wer­den kann. Er­schwert wird da­durch al­ler­dings die Be­en­di­gung des Pro­jekts. Eine Ab­wand­lung des­sen sieht vor, dass auch im Rah­men von Ver­ein­ba­run­gen zum agi­len Fest­preis das Pro­jekt nach je­dem Sprint be­en­det wer­den kann und dann nur die bis da­hin vom Auf­trag­ge­ber ge­nutzte oder nut­zungsfähige Soft­ware bzw. das er­zielte Pro­dukt zu be­zah­len ist. Klärungs­bedürf­tig ist hier al­ler­dings, wie das Vergütungs­ri­siko auf die Par­teien in­ter­es­sen­ge­recht ver­teilt wird.

Beim Pay-per-Sprint-Mo­dell wird nach je­dem oder für je­den Sprint ge­zahlt. Dies kann al­ler­dings bei Ver­ein­ba­rung ei­ner kon­klu­den­ten Ab­nahme zu Kom­pli­ka­tio­nen führen. Zu­dem wird die Be­deu­tung von Sprint­re­views ge­stei­gert, die ggf. un­be­ab­sich­tigt ge­gen Ende des Pro­jekts kom­ple­xer und länger wer­den können, so­dass die Ef­fi­zi­enz­ge­winne der agi­len Me­thode gefähr­det sind.

Schließlich gibt es Bo­nus-/Ma­lus-Mo­delle, die auf eine ge­wisse Er­folgs­be­loh­nung ab­zie­len und z. B. 20 % mehr Vergütung ver­spre­chen, wenn das Pro­dukt nach acht an­stelle von zehn Sprints fer­tig­ge­stellt wird. Die­ses Mo­dell birgt die Ge­fahr, dass die Qua­lität des Pro­duk­tes lei­det, weil es vor­ran­gig um ein vor­ge­ge­be­nes zeit­li­ches Ziel geht.

Weiterer Regelungsbedarf

Alle wei­te­ren für einen agi­len Ver­trag ty­pi­schen Klau­seln sind mit Blick auf des­sen Be­son­der­hei­ten zu ge­stal­ten. Grundsätz­lich gilt, dass stets an­hand der Par­tei­in­ter­es­sen ab­ge­wo­gen wer­den muss, wel­che Stan­dards in wel­chem Um­fang benötigt wer­den und wie sich diese auf die Agi­lität des Pro­jek­tes aus­wir­ken können. So be­darf es kei­ner um­fang­rei­chen Ga­ran­tie ei­nes MVP (Mi­ni­mal Via­ble Pro­duct), also ei­ner Ent­wick­lungs­stufe des Pro­dukts, in der es erst­mals real ge­tes­tet wer­den kann, wenn sich be­reits ab­zeich­net, dass diese sich in na­her Zu­kunft noch verändern könnte. Zu­dem sind Nut­zungs­rechte und die Art und Weise der Do­ku­men­ta­tion in Form von Handbüchern und Ent­wick­lungs­do­ku­men­ta­tio­nen zu re­geln.

Fazit

Bei agi­len Verträgen sind die Ver­trags­par­teien und de­ren Be­ra­ter ge­for­dert, wie auch beim agi­len Ar­bei­ten an sich, ge­wohnte Pfade zu ver­las­sen. Viel­mehr sind in­di­vi­du­elle Re­ge­lun­gen not­wen­dig, die den agi­len Wer­ten ge­recht wer­den. Stan­dardlösun­gen ver­bie­ten sich da­mit zu­meist. So­fern sich aber die Ver­trags­par­teien über das Ziel und die Rah­men­be­din­gun­gen ei­nig sind, können durch­aus prag­ma­ti­sche Lösun­gen ge­fun­den wer­den. Be­ra­tern mit einem ver­tief­ten Verständ­nis zum agi­len Ar­bei­ten kommt da­bei eine zen­trale Rolle zu.

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