Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, gegen die das Finanzamt wegen einer nicht angemeldeten Sachausschüttung Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum 2004 nachfordert. Die Gesellschafter der GmbH beschlossen im August 2003 die Abspaltung einer Gesamtheit von Vermögenspositionen auf die neu gegründete M-GmbH (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). Handelsrechtlicher Spaltungsstichtag war der 1.1.2003.
Noch vor Abschluss dieses Klageverfahrens erließ das Finanzamt im Dezember 2009 für den "Zeitraum 2003" gegenüber der GmbH einen Bescheid über die Nachforderung der durch die Sachausschüttung entstandenen Kapitalertragsteuer i.H.v. rd. 360.000 € zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. rd. 20.000 €, also insgesamt 380.000 €. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens stellte sich heraus, dass die Abspaltung nicht - wie ursprünglich vom Finanzamt angenommen - im Jahr 2003, sondern erst 2004 in das Handelsregister eingetragen worden war. Daraufhin hob das Finanzamt den Nachforderungsbescheid von Dezember 2009 auf und erließ im November 2012 unter Berufung auf § 174 Abs. 4 AO einen neuen Nachforderungsbescheid gegenüber der GmbH für den Zeitraum 2004.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der auf § 174 Abs. 4 S. 3 AO gestützte Nachforderungsbescheid ist rechtmäßig. Denn der an die GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und Entrichtungsschuldnerin der Kapitalertragsteuer gerichtete Nachforderungsbescheid i.S.d. § 167 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO ist formal ein die Entrichtungsschuld betreffender Steuerbescheid i.S.d. § 155 Abs. 1 S. 1 AO und kein Haftungsbescheid i.S.d. § 191 AO, so dass die Änderungsnorm des § 174 AO grundsätzlich Anwendung findet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Nachforderungsbescheid aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ergangen war. Das Finanzamt hat diesen Bescheid deshalb zu Recht im Rahmen des gegen ihn geführten Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben. Denn es hatte seinen Irrtum über den Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister und den daraus folgenden Irrtum über den Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ursprünglichen Nachforderungsbescheid erkannt und diesen zu Recht aufgehoben. Durch Erlass eines erneuten Nachforderungsbescheids wurden sodann gem. § 174 Abs. 4 S. 1 AO aus demselben Sachverhaltskomplex die zutreffenden kapitalertragsteuerlichen Folgerungen gezogen.
Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids stand auch keine Exkulpation gem. § 44 Abs. 5 S. 1 letzter Halbs. EStG entgegen. Denn eine solche setzt den Nachweis voraus, dass der Entrichtungsschuldner die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Ein solcher Nachweis wurde vorliegend jedoch nicht erbracht. Der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids stand im Ergebnis auch nicht entgegen, dass die der Entrichtungsschuld der GmbH zugrunde liegende Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits festsetzungsverjährt war.
Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist der Primärschuld war hier gem. § 174 Abs. 4 S. 3 AO unbeachtlich, da der Nachforderungsbescheid innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des ursprünglichen Nachforderungsbescheids ergangen war. Außerdem war zum Zeitpunkt des Erlasses dieses ursprünglichen Nachforderungsbescheids noch keine Festsetzungsverjährung der Primärschuld eingetreten (§ 174 Abs. 4 S. 4 AO). Letztlich war der streitbefangene Nachforderungsbescheid auch nicht wegen einer zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld der GmbH rechtswidrig, da insoweit ebenfalls § 174 Abs. 4 S. 3 AO greift.
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