Der Sachverhalt:
Das Finanzamt setzte daraufhin die Einkommensteuer für 2015 fest, ohne die geltend gemachten Aufwendungen für die künstliche Befruchtung zum Abzug zuzulassen. Die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einer unverheirateten Frau, die den Nachweis der eigenen Unfruchtbarkeit nicht erbracht habe, könnten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, da es an der Zwangsläufigkeit fehle. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BFH sei nicht einschlägig, da es sich bei den dortigen Klägern um Eheleute gehandelt habe.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Aufwendungen der Klägerin für die im Streitjahr durchgeführte Kinderwunschbehandlung zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist eine Krankheit. Dementsprechend erkennt der BFH in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Nach neuerer Rechtsprechung kommt es insoweit weder auf den Familienstand der Frau noch darauf an, ob sie mit einem männlichen Partner oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Erforderlich ist allerdings in jedem Fall, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer "Krankheit" der Frau (Empfängnisunfähigkeit) oder des Mannes (Zeugungsunfähigkeit) beruhende Kinderlosigkeit zu beheben.
Unter einer sog. "Krankheit" ist ein objektiv anomaler regelwidriger Körperzustand zu verstehen. Hiervon ist nach der Überzeugung des Senats der Fall abzugrenzen, dass eine objektiv feststellbare herabgesetzte Fertilität nicht auf anormalen organischen Ursachen, sondern auf dem fortgeschrittenen Alter eines Menschen beruht. Es handelt sich in diesem Fall gerade nicht um einen "regelwidrigen" Körperzustand, sondern um die Folge eines natürlichen biologischen Vorgangs.
Im Streitfall war die Klägerin bei Vornahme der Kinderwunschbehandlung bereits 40 Jahre alt. In diesem Alter ist die Fertilität einer Frau nach allgemeinen medizinischen Erkenntnissen im Durchschnitt bereits erheblich herabgesetzt, ohne dass man insoweit von einer "Krankheit" sprechen könnte. Andere organische Ursachen für die fortdauernde Kinderlosigkeit der Klägerin und ihres Partners waren trotz eingehender ärztlicher Untersuchungen nicht festzustellen. Wenn die Klägerin darauf verweist, dass eine ungewollte Kinderlosigkeit, sofern keine körperlichen Ursachen feststellbar seien, immer auf psychischen Ursachen basieren müsse, so dass "immer eine Krankheit" vorliege, kann dies - falls überhaupt - nur für Partner gelten, die sich in einem voll gebährfähigem Alter befinden.
Der hier getroffenen Differenzierung zwischen einer "anormalen" und einer "normalen" herabgesetzten Fertilität aufgrund Alters steht auch nicht entgegen, dass in der Rechtsprechung mitunter auch Aufwendungen für solche Hilfsmittel (z.B. für Brillen, Hörapparate, Rollstühle) als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, die dazu bestimmt sind, andere altersbedingte körperliche Funktionsbeeinträchtigungen auszugleichen. Während der Mensch idealtypischerweise während seiner gesamten Lebensdauer die Fähigkeiten des Sehens, Hörens und des Sich-Fortbewegens behält, gilt dies für die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau aus biologischen Gründen gerade nicht.
Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob auch in der altersbedingt herabgesetzten Fertilität einer Frau eine der Empfängnisunfähigkeit vergleichbare Krankheit zu sehen ist, die Revision zum BFH zugelassen.
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