Der Koalitionsvertrag enthält für die Immobilienwirtschaft, Immobilieneigentümer und Mieter zahlreiche Neuerungen und Vorhaben, wobei der Schwerpunkt auf den Bereichen Bauen, Wohnen, Digitalisierung und Klimaschutz liegt. Nachfolgend werden die wichtigsten Themen im Überblick zusammengefasst:
Eigenständiges Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Mit der Bildung der neuen Regierung wurde ein eigenständiges Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen geschaffen. Zur Zuständigkeit des neuen Ministeriums gehören insbesondere Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten, Stadtentwicklung und Wohnen sowie Raumordnung. Das Ressort wird von Klara Geywitz (SPD) geleitet.
Nachdem der Bau- und Wohnungsbereich in den vergangenen Jahren kaum mehr als ein Anhängsel anderer Ministerien, zuletzt des Innenministeriums war, sollen die Themen Bauen und Wohnen nunmehr durch die Schaffung eines neuen Ministeriums aufgewertet und sichtbarer vorangetrieben werden.
1. Schaffung von Wohnraum
Ein zentrales Ziel der Ampel-Koalition ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr - davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Im Vergleich dazu wurden im vergangenen Jahr etwa 300.000 neue Wohnungen gebaut.
Um dieses Ziel zu erreichen, soll die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inkl. sozialer Eigenheimförderung fortgeführt und die Mittel hierfür erhöht werden. Als Investitionsanreiz für den Mietwohnungsbau ist die Erhöhung der linearen Abschreibung von 2 % auf 3 % geplant. Durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung sollen zudem die Baukosten für den Wohnungsbau gesenkt werden. Auch damit erhofft sich die Ampel-Koalition einen Anreiz, mehr Wohnraum zu schaffen.
Das Baugesetzbuch (BauGB) soll novelliert werden. Durch einfachere Genehmigungsverfahren und die vollständige Digitalisierung der Bauleitplanverfahren sollen mehr Effizienz und Tempo geschaffen werden.
Die Ampel-Koalition plant, ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren zu schließen. Es soll zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg gebracht werden, um den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbarer Wohnimmobilien voranzutreiben. Auch soll ein Bund-Länder Programm für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende aufgelegt werden. Eine neue Bau- und Investitionsoffensive soll zudem die Voraussetzungen schaffen, schnell und günstig zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten.
Darüber hinaus sollen die Kommunen dahingehend unterstützt werden, ein Potenzialflächenregister einzuführen, um das Problem fehlender Bauflächen und stockender Wohnraumbedarfsdeckung anzugehen.
2. Förderung von privatem Wohneigentum
Die Ampel-Koalition möchte insgesamt mehr Menschen in Deutschland ermöglichen, im selbstgenutzten Eigentum zu wohnen. Dabei sollen die Hürden beim Eigentumserwerb durch eigenkapitalersetzende Darlehen gesenkt und Schwellenhaushalte langfristig (z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen) beim Eigentumserwerb unterstützt werden.
Des Weiteren werden die Bundesländer die Option bekommen, die Grunderwerbssteuer künftig flexibler auszugestalten, etwa durch Ermöglichen eines Freibetrags, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern. Im Gegenzug möchte die Ampel-Koalition „steuerliche Schlupflöcher“ bei gewerblichen Immobilientransaktionen im Rahmen von Immobilien-Sharedeals weiter schließen. Insofern ist eine erneute und weitergehende Anpassung der erst vor kurzem novellierten Regelung zum Immobilien-Sharedeal im Grunderwerbssteuergesetz zu erwarten, wobei der Koalitionsvertrag hierzu keine näheren Angaben enthält.
3. Mieterschutz
Vor dem Hintergrund der Wohnraumknappheit bezweifelt die Ampel-Koalition, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden können. Die Ampel-Koalition plant daher, die geltenden Mieterschutzregelungen zu evaluieren und zu verlängern. Die derzeit reguläre Kappungsgrenze von 20 % und die abgesenkte Kappungsgrenze von 15 % soll in angespannten Wohnungsmärkten auf 11 % in drei Jahren abgesenkt werden.
Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahr 2029 verlängert werden. Zudem sollen qualifizierte Mietspiegel gestärkt, verbreitert und rechtssicher ausgestaltet werden. Für Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern soll der qualifizierte Mietspiegel verpflichtend sein. Dabei sollen zur Berechnung der angemessenen Mieten die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Erst 2020 wurde der bis dahin geltende Zeitraum von vier auf sechs Jahre angehoben.
Des Weiteren will die Ampel-Koalition für mehr Transparenz bei der Nebenkostenabrechnungen sorgen, ohne dies jedoch im Koalitionsvertrag näher zu erläutern.
Um die Ursachen drohender Wohnungslosigkeit zu beseitigen, soll auch das Mietrecht entsprechend angepasst werden. Dabei sollen insbesondere Regelungen, die dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, überprüft werden.
4. Klimaschutz im Immobilienbereich
Ein zentrales Thema des Koalitionsvertrags ist der Klimaschutz. Dies macht sich auch im Immobilienbereich bemerkbar.
Als Ersatz des im Januar 2022 auslaufenden Neubauförderungsprogramms für den Kfw-Effizienzhausstandard 55 soll ein neues Förderprogramm für den Wohnungsneubau eingeführt werden, das insbesondere die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche fokussiert.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll zudem angepasst werden:
- Ab 2025 muss demnach jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 % erneuerbarer Energien betrieben werden.
- Bereits zum 01.01.2024 müssen wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen im Bestand dem Kfw-Effizienzhausstandart 70 entsprechen.
- Neubauten müssen ab dem 01.01.2025 den Kfw-Effizienzhausstandard 40 erfüllen.
Die Ampel-Koalition plant die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses mit dem Ziel, auch im Gebäudebereich zu einer vollendeten Kreislaufwirtschaft zu gelangen. So sollen der Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachtet werden können. Auch der Gebäudeenergieausweis soll verbessert, vereinheitlicht und digitalisiert werden. Die Koalition möchte zudem die Erstellung eines digitalen Gebäudeenergiekatasters prüfen.
Es soll außerdem eine nationale Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie aufgelegt werden. Dies dürfte insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Material- und Lieferengpässe zu sehen sein. Nähere Ausführungen zu dieser Strategie enthält der Koalitionsvertrag allerdings nicht. Für innovative Materialien, Technologien und Start-ups sollen der Markteintritt und die Zulassungen leichter werden.
Die Ampel-Koalition möchte den „schnellen Umstieg“ auf die Teilwarmmiete prüfen. Dies bedeutet, dass der Vermieter an den Heizkosten beteiligt werden soll. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, dass der Vermieter in Maßnahmen investiert, die den gebäudebedingten Heizbedarf senken.
Schließlich soll bereits zum 01.06.2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, das die Umlage des CO2-Preises nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) regelt. Die Ampel-Koalition will sich daher an der Umsetzung der Verteilung der CO2-Kosten in Abhängigkeit von der Qualität versuchen. Sollte dies zeitlich jedoch nicht gelingen, sollen die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 01.06.2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieter geteilt werden.
5. Fazit
Die Ampel-Koalition hat sich und der Immobilienwirtschaft ein äußerst ambitioniertes Paket geschnürt, das enorme Herausforderungen, aber auch viele Chancen in sich birgt. Es bleibt abzuwarten, wie die zum Teil nur angerissenen und noch nicht näher ausgeführten Ziele und Maßnahmen konkret umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den angestrebten Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr und den klaren Fokus auf den Klimaschutz und der damit verbundenen Herausforderungen für Immobilieneigentümer und Mieter.