Der Sachverhalt:
Der Antragsteller betreibt u.a. eine Kaffeebar nach italienischem Vorbild. Mit Änderungsbescheiden aus Juni 2017 änderte das Finanzamt nach einer Außenprüfung die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre 2010 bis 2014 zu Lasten des Antragstellers. Der Betriebsprüfungsbericht führt nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den rechtlichen Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen nur auf, dass der Antragsteller seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittle und anscheinend geführte "Strichlisten" nicht alle Geschäftsvorfälle (wohl insb. außer-Haus-Verkäufe) erfassten.
Der Bericht verwies anschließend auf eine Kalkulation des Antragstellers aus Mai 2017, die nicht herangezogen werden könne. Dennoch sei glaubhaft gemacht worden, dass Gratisgetränke, Bruch etc. in der Kalkulation der Betriebsprüfung nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und deswegen der Rohgewinnaufschlag auf 257% reduziert werde. Dadurch würden "sämtliche Gratisgetränke, Anpassungen des Mahlgrades der Kaffeemaschine, Bruch, etc. berücksichtigt".
Der Antragsteller war der Ansicht, dass die besonderen Verhältnisse des geprüften Betriebes in der Schätzung nicht (ausreichend) berücksichtigt worden seien. Das FG hob die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für die Dauer des Einspruchsverfahrens auf.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die steuererhöhenden Tatsachen nicht glaubhaft gemacht.
Bei einer Schätzung gem. § 162 AO muss das Finanzamt daher - auch im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes - ausreichende Belege vorlegen, die Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des Finanzamts ausräumen und zudem seine Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation substantiieren. Dafür müssen sowohl die verwendeten Ausgangszahlen (in der Regel die Buchungskonten), als auch der Kalkulationsweg nachvollziehbar dargestellt werden, damit das FG in die Lage versetzt wird, seine eigene Schätzungsbefugnis auszuüben. Dies wird in der Regel dadurch gewährleistet werden, dass der Sachbearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle seinerseits die Kalkulation der Betriebsprüfung nachvollzieht und überprüft und dies in der Rechtsbehelfsakte dokumentiert. Im vorliegenden Fall war in den Akten allerdings weder ein Beleg für eine Schätzungsbefugnis des Finanzamt dokumentiert, noch ließ sich die Kalkulation - nicht einmal in Grundzügen - überprüfen.
Die Aussetzungsanordnung war auch trotz der sich ergeben Zweifel an der Realisierung der Steuerforderung nicht von der Leistung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. In der Regel rechtfertigt eine Gefährdung des Steueranspruchs die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Allerdings ist von dieser abzusehen, wenn und soweit mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist.
Davon ist für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes auch auszugehen, wenn der Sachverhalt, aus dem ein Steueranspruch hergeleitet werden soll, vom Finanzamt unvollständig, widersprüchlich oder auch so ungeordnet vorgetragen wird, dass die rechtliche Subsumtion Schwierigkeiten bereitet. Das Finanzamt muss sich, soweit es die Feststellungslast trägt, im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung entgegenhalten lassen, dass der von ihm geltend gemachte Steueranspruch nicht schlüssig aus dem vorgetragenen Sachverhalt hergeleitet werden kann.
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