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Steuerberatung

Anforderungen an die schlüssige Begründung einer Schätzung

FG Nürnberg 12.4.2018, 2 V 1532/17

Bei ei­ner Schätzung gem. § 162 AO muss das Fi­nanz­amt - auch im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Recht­schut­zes - aus­rei­chende Be­lege vor­le­gen, die Zwei­fel an ei­ner Schätzungs­be­fug­nis des Fi­nanz­amts ausräumen und zu­dem seine Schätzung der Höhe nach durch die Of­fen­le­gung ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren Kal­ku­la­tion sub­stan­ti­ie­ren. Dies wird in der Re­gel da­durch gewähr­leis­tet wer­den, dass der Sach­be­ar­bei­ter in der Rechts­be­helfs­stelle sei­ner­seits die Kal­ku­la­tion der Be­triebsprüfung nach­voll­zieht und überprüft und dies in der Rechts­be­helfs­akte do­ku­men­tiert.

Der Sach­ver­halt:
Der An­trag­stel­ler be­treibt u.a. eine Kaf­fee­bar nach ita­lie­ni­schem Vor­bild. Mit Ände­rungs­be­schei­den aus Juni 2017 änderte das Fi­nanz­amt nach ei­ner Außenprüfung die Um­satz­steu­er­fest­set­zun­gen der Streit­jahre 2010 bis 2014 zu Las­ten des An­trag­stel­lers. Der Be­triebsprüfungs­be­richt führt nach um­fang­rei­chen all­ge­mei­nen Ausführun­gen zu den recht­li­chen An­for­de­run­gen an Buchführung und Auf­zeich­nun­gen nur auf, dass der An­trag­stel­ler sei­nen Ge­winn nach § 4 Abs. 3 EStG er­mittle und an­schei­nend geführte "Stri­ch­lis­ten" nicht alle Ge­schäfts­vorfälle (wohl insb. außer-Haus-Verkäufe) er­fass­ten.

Im Be­richt wer­den die Er­geb­nisse ei­ner Getränke­kal­ku­la­tion für 2013 und 2014 ver­wen­det, um Roh­ge­winn­auf­schläge zu er­mit­teln (2013: 311% und 2014: 310%), die an­schließend auf die früheren Jahre über­tra­gen wur­den (310%). In diese Rohauf­schläge fan­den auch kal­ku­lierte Erlöse für "Cia­batta" und "Gebäck" Ein­gang. Für diese fand sich eine ein­fa­che Kal­ku­la­tion im Be­richt, die an­schei­nend auf dem ge­buch­ten Wa­ren­ein­kauf an­setzte und mit einem Auf­schlag von 80% ope­rierte. Aus­weis­lich des Be­richts habe sich die­ser Auf­schlag aus "den Ein­kaufs­prei­sen lt. Rech­nung und den Ver­kaufs­prei­sen lt." dem An­trag­stel­ler er­ge­ben.

Der Be­richt ver­wies an­schließend auf eine Kal­ku­la­tion des An­trag­stel­lers aus Mai 2017, die nicht her­an­ge­zo­gen wer­den könne. Den­noch sei glaub­haft ge­macht wor­den, dass Gra­tis­getränke, Bruch etc. in der Kal­ku­la­tion der Be­triebsprüfung nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt wor­den seien und des­we­gen der Roh­ge­winn­auf­schlag auf 257% re­du­ziert werde. Da­durch würden "sämt­li­che Gra­tis­getränke, An­pas­sun­gen des Mahl­gra­des der Kaf­fee­ma­schine, Bruch, etc. berück­sich­tigt".

Der An­trag­stel­ler war der An­sicht, dass die be­son­de­ren Verhält­nisse des geprüften Be­trie­bes in der Schätzung nicht (aus­rei­chend) berück­sich­tigt wor­den seien. Das FG hob die Voll­zie­hung der Um­satz­steu­er­be­scheide für die Dauer des Ein­spruchs­ver­fah­rens auf.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat die steu­er­erhöhen­den Tat­sa­chen nicht glaub­haft ge­macht.

Bei ei­ner Schätzung gem. § 162 AO muss das Fi­nanz­amt da­her - auch im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Recht­schut­zes - aus­rei­chende Be­lege vor­le­gen, die Zwei­fel an ei­ner Schätzungs­be­fug­nis des Fi­nanz­amts ausräumen und zu­dem seine Schätzung der Höhe nach durch die Of­fen­le­gung ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren Kal­ku­la­tion sub­stan­ti­ie­ren. Dafür müssen so­wohl die ver­wen­de­ten Aus­gangs­zah­len (in der Re­gel die Bu­chungs­kon­ten), als auch der Kal­ku­la­ti­ons­weg nach­voll­zieh­bar dar­ge­stellt wer­den, da­mit das FG in die Lage ver­setzt wird, seine ei­gene Schätzungs­be­fug­nis auszuüben. Dies wird in der Re­gel da­durch gewähr­leis­tet wer­den, dass der Sach­be­ar­bei­ter in der Rechts­be­helfs­stelle sei­ner­seits die Kal­ku­la­tion der Be­triebsprüfung nach­voll­zieht und überprüft und dies in der Rechts­be­helfs­akte do­ku­men­tiert. Im vor­lie­gen­den Fall war in den Ak­ten al­ler­dings we­der ein Be­leg für eine Schätzungs­be­fug­nis des Fi­nanz­amt do­ku­men­tiert, noch ließ sich die Kal­ku­la­tion - nicht ein­mal in Grundzügen - überprüfen.

Die Aus­set­zungs­an­ord­nung war auch trotz der sich er­ge­ben Zwei­fel an der Rea­li­sie­rung der Steu­er­for­de­rung nicht von der Leis­tung ei­ner Si­cher­heits­leis­tung abhängig zu ma­chen. In der Re­gel recht­fer­tigt eine Gefähr­dung des Steu­er­an­spruchs die An­ord­nung ei­ner Si­cher­heits­leis­tung. Al­ler­dings ist von die­ser ab­zu­se­hen, wenn und so­weit mit Ge­wiss­heit oder doch mit großer Wahr­schein­lich­keit ein für den Steu­er­pflich­ti­gen güns­ti­ger Pro­zess­aus­gang zu er­war­ten ist.

Da­von ist für Zwecke des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes auch aus­zu­ge­hen, wenn der Sach­ver­halt, aus dem ein Steu­er­an­spruch her­ge­lei­tet wer­den soll, vom Fi­nanz­amt un­vollständig, wi­der­sprüch­lich oder auch so un­ge­ord­net vor­ge­tra­gen wird, dass die recht­li­che Sub­sum­tion Schwie­rig­kei­ten be­rei­tet. Das Fi­nanz­amt muss sich, so­weit es die Fest­stel­lungs­last trägt, im Ver­fah­ren über die Aus­set­zung der Voll­zie­hung ent­ge­gen­hal­ten las­sen, dass der von ihm gel­tend ge­machte Steu­er­an­spruch nicht schlüssig aus dem vor­ge­tra­ge­nen Sach­ver­halt her­ge­lei­tet wer­den kann.

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