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Anforderungen an eine Ressortaufteilung auf Ebene der Geschäftsführung

BGH v. 6.11.2019 - II ZR 11/17

Eine Ge­schäfts­ver­tei­lung oder Res­sort­auf­tei­lung auf der Ebene der Ge­schäftsführung setzt eine klare und ein­deu­tige Ab­gren­zung der Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben auf Grund ei­ner von al­len Mit­glie­dern des Or­gans mit­ge­tra­ge­nen Auf­ga­ben­zu­wei­sung vor­aus, die die vollständige Wahr­neh­mung der Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben durch hierfür fach­lich und persönlich ge­eig­nete Per­so­nen si­cher­stellt und un­ge­ach­tet der Res­sort­zuständig­keit ei­nes ein­zel­nen Ge­schäftsführers die Zuständig­keit des Ge­samt­or­gans ins­be­son­dere für nicht de­le­gier­bare An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­schäftsführung wahrt. Eine die­sen An­for­de­run­gen genügende Auf­ga­ben­zu­wei­sung be­darf nicht zwin­gend ei­ner schrift­li­chen Do­ku­men­ta­tion.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger ist In­sol­venz­ver­wal­ter im In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der W-GmbH (Schuld­ne­rin), das auf Ei­gen­an­trag vom 10.10.2008 hin eröff­net wurde. Der Be­klagte war ne­ben dem Zeu­gen K Ge­schäftsführer der Schuld­ne­rin. Die Schuld­ne­rin wurde gegründet, um die vom Be­klag­ten mo­de­rierte Fern­seh­show "Ka." für den Fern­seh­sen­der V zu pro­du­zie­ren. Nach de­ren Ein­stel­lung und ver­schie­de­nen klei­ne­ren Pro­jek­ten be­gann die Schuld­ne­rin im Herbst 2006 mit der Pro­duk­tion der "D.", ei­ner Late-Night-Show, die mit dem Be­klag­ten als Mo­de­ra­tor vom Fern­seh­sen­der S. aus­ge­strahlt wurde. Der Fern­seh­sen­der stellte die Sen­dung nach der zehn­ten Folge der fünf­ten Staf­fel im Ok­to­ber 2008 ein.

Der Kläger macht gel­tend, die Schuld­ne­rin sei seit Juli 2008 mit fälli­gen Ver­bind­lich­kei­ten i.H.v. rd. 150.000 €, die auch später nicht aus­ge­gli­chen wor­den seien, spätes­tens aber seit Sep­tem­ber 2008 zah­lungs­unfähig ge­we­sen. Un­ge­ach­tet des­sen seien vom 3.9. bis zum 10.10.2008 aus dem Vermögen der Schuld­ne­rin noch Zah­lun­gen i.H.v. rd. 94.000 € ge­leis­tet wor­den, de­ren Er­stat­tung der Kläger vom Be­klag­ten u.a. ver­langt.

Das LG wies die Klage ab. Das KG gab ihr teil­weise statt und ver­ur­teilte den Be­klag­ten un­ter Ab­wei­sung der wei­ter­ge­hen­den Klage, an den Kläger rd. 4.000 € nebst Zin­sen zu zah­len. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil in­so­weit auf, als der Zah­lungs­an­trag des Klägers ab­ge­wie­sen wurde, und ver­wies die Sa­che im Um­fang der Auf­he­bung zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das KG zurück.

Die Gründe:

Das KG hat im Aus­gangs­punkt zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass zu Las­ten ei­nes Ge­schäftsführers, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG in der bis 31.10.2008 gel­ten­den Fas­sung (a.F.) be­schrie­be­nen Lage der Ge­sell­schaft Zah­lun­gen aus dem Ge­sell­schafts­vermögen leis­tet, ver­mu­tet wird, dass er schuld­haft ge­han­delt hat. Maßstab für die Be­ur­tei­lung ei­nes schuld­haf­ten Han­delns ist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. die Sorg­falt ei­nes or­dent­li­chen Ge­schäfts­manns. Auf die in­di­vi­du­el­len Fähig­kei­ten des in An­spruch ge­nom­me­nen Ge­schäftsführers kommt es nicht an, so dass die­sen man­gelnde Sach­kennt­nis nicht ent­schul­digt. Rechts­feh­ler­haft ist al­ler­dings die Be­ur­tei­lung des KG, dass der Be­klagte im vor­lie­gen­den Fall den Ent­las­tungs­be­weis zu sei­nen Guns­ten geführt habe. Die Fest­stel­lun­gen des KG recht­fer­ti­gen schon nicht die An­nahme, dass es eine wirk­same Res­sort­ver­tei­lung zwi­schen dem Be­klag­ten und dem Zeu­gen K. ge­ge­ben hat, auf Grund de­rer der Be­klagte sich auf die Kon­trolle und Über­wa­chung der Tätig­keit des Mit­ge­schäftsführers be­schränken konnte.

Eine Ge­schäfts­ver­tei­lung oder Res­sort­auf­tei­lung auf der Ebene der Ge­schäftsführung setzt eine klare und ein­deu­tige Ab­gren­zung der Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben auf Grund ei­ner von al­len Mit­glie­dern des Or­gans mit­ge­tra­ge­nen Auf­ga­ben­zu­wei­sung vor­aus, die die vollständige Wahr­neh­mung der Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben durch hierfür fach­lich und persönlich ge­eig­nete Per­so­nen si­cher­stellt und un­ge­ach­tet der Res­sort­zuständig­keit ei­nes ein­zel­nen Ge­schäftsführers die Zuständig­keit des Ge­samt­or­gans ins­be­son­dere für nicht de­le­gier­bare An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­schäftsführung wahrt. Eine Ge­schäfts- oder Res­sort­ver­tei­lung be­darf nicht zwin­gend der Schrift­form oder ei­ner ausdrück­li­chen Ab­spra­che, wenn­gleich die schrift­li­che Do­ku­men­ta­tion re­gelmäßig das na­he­lie­gende und ge­eig­nete Mit­tel für eine klare und ein­deu­tige Auf­ga­ben­ab­gren­zung dar­stellt. Ob und ggf. in wel­chem Um­fang eine sol­che Do­ku­men­ta­tion er­for­der­lich ist, muss un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Verhält­nisse im Ein­zel­fall be­stimmt wer­den.

Das KG hat von die­sen Maßstäben aus­ge­hend keine aus­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen zu ei­ner wirk­sa­men Auf­tei­lung der Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben zwi­schen dem Be­klag­ten und dem Zeu­gen K. ge­trof­fen. Es er­scheint schon zwei­fel­haft, ob die auf der Grund­lage der Aus­sage des Zeu­gen K. ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen über die vor­ge­nom­mene Auf­tei­lung der Zuständig­kei­ten un­ter den Ge­schäftsführern den dar­ge­stell­ten An­for­de­run­gen genügt. Das KG hat fer­ner keine Fest­stel­lun­gen zu der Frage ge­trof­fen, ob sich der Be­klagte im Zu­sam­men­hang mit der Über­tra­gung der Wahr­neh­mung von Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben an den Zeu­gen K. aus­rei­chend ver­ge­wis­sert hat, dass die­ser die er­for­der­li­che fach­li­che und persönli­che Eig­nung auf­weist. Ent­spre­chend ist auch nicht er­sicht­lich, auf Grund wel­cher Umstände der Be­klagte dar­auf ver­trauen durfte, über we­sent­li­che An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­sell­schaft zu­verlässig in­for­miert zu wer­den, da­mit er der bei ihm ver­blie­be­nen Ver­ant­wort­lich­keit als Ge­schäftsführer nach­kom­men konnte.

Die Erwägun­gen des KG zu ei­ner hin­rei­chen­den Kon­trolle und Über­wa­chung ei­ner ord­nungs­gemäßen Auf­ga­ben­er­le­di­gung durch den Be­klag­ten hal­ten ei­ner recht­li­chen Überprüfung eben­falls nicht stand. Auch die Über­le­gung des KG, die Durchführung wöchent­li­cher bzw. 14-tägi­ger Be­spre­chun­gen sei in­ner­halb ei­nes Ge­schäfts­jah­res ohne be­son­dere Hin­weise für die Not­wen­dig­keit ver­schärf­ter Kon­trol­len eine aus­rei­chende Or­ga­ni­sa­tion in­ner­halb der Ge­schäftsführung, ist rechts­feh­ler­haft. Das KG würdigt zu­dem nicht um­fas­send, ob in der Zeit vor Ende Au­gust/An­fang Sep­tem­ber 2008 An­halts­punkte für Un­re­gelmäßig­kei­ten bei der Er­le­di­gung von Ge­schäftsführungs­auf­ga­ben oder In­di­zien für eine kri­sen­hafte Ent­wick­lung im Un­ter­neh­men vor­han­den wa­ren, die An­lass für eine ver­schärfte Kon­trolle und Über­wa­chung des Zeu­gen K. ge­we­sen wären. Das Be­ru­fungs­ur­teil war da­her auf­zu­he­ben und die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das KG zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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