Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist als Bauträger tätig. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese von Bauunternehmern bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese. In ihren ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 setzte die Klägerin nach § 13b Abs. 5 S. 2, Abs. 2 Nr. 4 UStG die Umsatzsteuer für Bauleistungen von Bauunternehmern an (sog. Reverse Charge), die sie für ihre steuerfreien Grundstückslieferungen verwendete. Die Klägerin folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die beim BFH anhängige Revision wird dort unter dem Az. XI R 4/18 geführt.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 233a Abs. 1 und 3 AO zu verzinsen.
Die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuern für die Jahre 2009 bis 2011 führt zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Klägerin. Der Zinslauf beginnt jeweils 15 Monate nach Ablauf eines jeden Streitjahrs (§ 233a Abs. 2 AO). Der Zinslauf beginnt nicht aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde ist kein rückwirkendes Ereignis im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch der Klägerin. Die Steuerfestsetzung bei ihr war von Anfang an rechtswidrig, weil zu keiner Zeit die Voraussetzungen für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vorlagen.
Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Umsatzsteueranspruchs des leistenden Bauunternehmers an die Finanzbehörde stellt auch keine aufschiebende Bedingung für die Entstehung des (zu verzinsenden) Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Klägerin dar. Das Finanzamt hat keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem es eine solche aufschiebende Bedingung ausgesprochen hat (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 AO). Der (zu verzinsende) Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer entsteht vielmehr - unbedingt - kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen bzw. Handlungen der Beteiligten.
Die Klägerin muss ihrem Zinsanspruch auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten lassen. In dem Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer um die zu Unrecht festgesetzte Steuer kann kein treuwidriges Verhalten der Klägerin gegenüber dem Finanzamt gesehen werden. Die Klägerin hat - wie die gesamte Baubranche - auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung irrig angenommen, Steuerschuldnerin zu sein. Diese Annahme hat sich als unrichtig erwiesen. Der Antrag auf Herstellung eines rechtmäßigen Zustands kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Im Übrigen hat die Klägerin die vom Finanzamt erbetenen Auskünfte zu den leistenden Bauunternehmern erteilt, damit diese ihre (zivilrechtlichen) Ansprüchen auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten.
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