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Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrags ab Zahlung einer unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe

BFH 22.9.2015, VII R 32/14

Uni­ons­recht­li­che Ab­ga­ben sind, so­weit sie zu Un­recht er­ho­ben wur­den und dem Ab­ga­be­pflich­ti­gen des­halb zu er­stat­ten sind, ab dem Zeit­punkt ih­rer Zah­lung durch den Ab­ga­be­pflich­ti­gen zu ver­zin­sen. Für den Fall, dass die Fi­nanz­behörden auf­grund ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung Ab­ga­ben zu er­stat­ten ha­ben, wird da­her für die Be­rech­nung der Zin­sen auf den Er­stat­tungs­be­trag künf­tig zwi­schen uni­ons­recht­li­chen und na­tio­na­len Ab­ga­ben zu un­ter­schei­den sein.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein Zu­cker er­zeu­gen­des Un­ter­neh­men, das für meh­rere Wirt­schafts­jahre eine auf Uni­ons­recht be­ru­hende markt­ord­nungs­recht­li­che Pro­duk­ti­ons­ab­gabe zu zah­len hatte. Die der Ab­ga­ben­er­he­bung zu­grun­de­lie­gende uni­ons­recht­li­che Ver­ord­nung zur Fest­set­zung der Pro­duk­ti­ons­ab­ga­ben im Zu­cker­sek­tor wurde später vom EuGH für nich­tig erklärt. Grund dafür war, dass die Me­thode der Ab­ga­ben­be­rech­nung zu ei­ner überhöhten Be­las­tung der Zu­cker­er­zeu­ger geführt hatte. Der Rat der EU trug die­sem EuGH-Ur­teil Rech­nung und er­ließ eine neue Ver­ord­nung, die zu ei­ner für die Kläge­rin ge­rin­ge­ren Pro­duk­ti­ons­ab­gabe führte.

Das be­klagte Haupt­zoll­amt er­stat­tete dar­auf­hin der Kläge­rin den zu viel ent­rich­te­ten Ab­ga­ben­be­trag und be­rech­nete ab Rechtshängig­keit, d.h. ab dem Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung, Zin­sen auf die­sen Er­stat­tungs­be­trag. Die Kläge­rin ver­langte hin­ge­gen, die Zin­sen be­reits von dem Tag an zu be­rech­nen, an dem sie die Pro­duk­ti­ons­ab­gabe ent­rich­tet hatte. Das hierfür an­zu­wen­dende na­tio­nale Recht, nämlich die AO, sieht für den Fall, dass Ab­ga­ben auf­grund ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu er­stat­ten sind, vor, dass der Er­stat­tungs­be­trag vom Tag der Rechtshängig­keit an zu ver­zin­sen ist.

Al­ler­dings hat der EuGH in einem Ur­teil vom 18.4.2013 (C-565/11, "Iri­mie") ent­schie­den, das na­tio­nale Recht dürfe nicht dazu führen, dass dem Ab­ga­be­pflich­ti­gen eine an­ge­mes­sene Ent­schädi­gung für die­je­ni­gen Einbußen vor­ent­hal­ten werde, die er durch eine zu Un­recht ge­zahlte uni­ons­recht­li­che Ab­gabe er­lit­ten habe. Zin­sen auf Er­stat­tungs­beträge müss­ten des­halb für den Zeit­raum be­rech­net wer­den, in wel­chem die Mit­tel dem Ab­ga­be­pflich­ti­gen nicht zur Verfügung ge­stan­den hätten.

Das FG hatte dar­auf­hin die Be­scheide für die  für die streit­ge­genständ­li­chen Wirt­schafts­jahre 2002/2003 und 2004/2005 wei­test­ge­hend auf­ge­ho­ben. Der BFH hat kei­nen Grund ge­se­hen, im Streit­fall von der EuGH-Recht­spre­chung ab­zu­wei­chen.

Die Gründe:
Zin­sen für die zu er­stat­ten­den Beträge sind ent­spre­chend dem FG-Ur­teil ab dem Zeit­punkt der Über­zah­lung der Ab­ga­ben zu leis­ten.

In sei­nem Iri­mie-Ur­teil, in dem der EuGH erst­mals über die Uni­ons­rechts­kon­for­mität ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung zur Ver­zin­sung von Er­stat­tungs­an­sprüchen zu be­fin­den hatte, ha­ben die Rich­ter ein­deu­tig ent­schie­den, Zin­sen auf uni­ons­rechts­wid­rig er­ho­bene Steu­ern für den Zeit­raum, in dem die Mit­tel nicht zur Verfügung ste­hen, zu­zu­spre­chen und diese Recht­spre­chung späte­ren auch bestätigt. Der An­spruch auf Zah­lung von Zin­sen ab dem Tag der zu Un­recht ge­leis­te­ten Ab­ga­ben­zah­lung er­gibt sich un­mit­tel­bar aus dem Uni­ons­recht. Den an­ders­lau­ten­den BFH-Be­schluss vom 18.9.2007 (Az.: I R 15/05) ist als durch die ak­tu­elle EuGH-Recht­spre­chung über­holt an­zu­se­hen.

Die Frage nach der da­mals ge­bo­te­nen Aus­set­zung des Ver­fah­rens gem. § 74 FGO bis zum Er­lass ei­ner neuen Ver­ord­nung zur Be­rech­nung der Pro­duk­ti­ons­ab­ga­ben be­darf kei­ner wei­te­ren Klärung. Selbst wenn dem FG dies­bezüglich ein Ver­fah­rens­feh­ler an­zu­las­ten sein sollte, hätte sich die Aus­set­zung des Ver­fah­rens durch den Er­lass der VO Nr. 1360/2013 er­le­digt. Die Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das FG könnte da­her nicht zur Hei­lung ei­ner feh­ler­haft un­ter­las­se­nen Aus­set­zung gem. § 74 FGO führen. Für den Fall, dass die Fi­nanz­behörden auf­grund ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung Ab­ga­ben zu er­stat­ten ha­ben, wird da­her für die Be­rech­nung der Zin­sen auf den Er­stat­tungs­be­trag künf­tig zwi­schen uni­ons­recht­li­chen und na­tio­na­len Ab­ga­ben zu un­ter­schei­den sein.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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