Der Sachverhalt:
Die verstorbene Ehefrau des Klägers im März 2007 von einem Bauträgerunternehmen eine noch zu errichtende Eigentumswohnung und vier Tiefgaragenstellplätze erworben. Der Kaufpreis betrug rund 3,6 Mio. € zzgl. 1,1 Mio. € für Sonderwünsche. Die Vertragsparteien erklärten zugleich die Auflassung. Im Januar 2008 wurde zugunsten der Gattin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Im Dezember 2008 zog der Kläger mit seiner Familie in die Wohnung ein. Der Kaufpreis war zu diesem Zeitpunkt bis auf eine zunächst noch zurückbehaltene restliche Kaufpreisrate gezahlt. Mit privatschriftlichem Testament aus Juli 2009 hatte die Ehefrau des Klägers verfügt, dass dieser bei ihrem Ableben die Eigentumswohnung allein erhalten solle. Für das restliche Vermögen bestimmte sie die gesetzliche Erbfolge.
In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger für den Erwerb der Eigentumswohnung die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und setzte Erbschaftsteuer i.H.v. 340.480 € fest. Es nahm an, der Kläger habe von der Erblasserin nicht das Eigentum an einem Familienheim, sondern einen mit dem Verkehrswert anzusetzenden Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (Eigentumsverschaffungsanspruch) erworben. Dieser Eigentumsverschaffungsanspruch sei nicht als Erwerb eines Familienheims steuerbefreit.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG lagen nicht vor.
Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit. Die Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den S. 2 u. 3 der Vorschrift ergibt, liegt ein Erwerb i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.
Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist jedoch die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (§ 873 Abs. 1 BGB). Auch für die Einräumung des Sondereigentums ist die Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich.
Der Erwerb eines anderen Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die Immobilie, wie z.B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs oder eines dinglichen Wohnrechts genügt dagegen nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG. Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, die Anwendung durch eine klare Abgrenzung auf den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten zu beschränken und alle anderen Erwerbe von der Steuerbefreiung auszunehmen.
Auch eine erweiternde Auslegung (teleologische Extension) der Vorschrift auf von ihrem Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte kommt nicht in Betracht, da keine hierfür erforderliche Regelungslücke vorliegt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig, sondern entspricht der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen.
Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist auch nicht deshalb geboten, weil die Vorschrift auch den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim begünstigt, das in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR belegen ist, und die dort geltenden Vorschriften geringere Anforderungen an den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück oder einer Eigentumswohnung vorsehen können als die Regelungen im BGB. Die Erbschaftsteuer knüpft grundsätzlich an das Zivilrecht an. Wird für den Erwerb eines im Inland belegenen Familienheims die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG begehrt, ist deshalb zur Klärung der Frage, ob Eigentum von Todes wegen erworben wurde, auf die inländischen Vorschriften abzustellen. Eine Einbeziehung ausländischer Vorschriften scheitert schon daran, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb nicht gesondert benennt und damit nur eine Bestimmung nach den allgemeinen Grundsätzen möglich ist.
Letztlich ist eine erweiternde Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 ErbStG auch nicht im Hinblick auf die Regelung über die steuerbefreite Schenkung unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG geboten. Denn § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG hat andere Voraussetzungen und eine andere Zielrichtung als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Die Vorschrift wurde als Reaktion auf die BFH-Entscheidung v. 2.3.1994 (Az.: II R 59/92) eingefügt, mit der der BFH die Steuerfreiheit von ehebedingten unbenannten Zuwendungen aufgegeben hatte. Der Gesetzgeber wollte die lebzeitige Zuwendung des Familienheims aus der Besteuerung wieder ausnehmen. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG umfasst daher alle Arten ehebedingter Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder Erhalt eines Familienheims zu Lebzeiten der Eheleute. Die Steuerbefreiung ist - anders als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG - nicht auf den Erwerb des Eigentums beschränkt.
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