Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte aufgrund eines für den Zeitraum Januar 2009 bis Ende Dezember 2010 abgeschlossenen Stromlieferungsvertrags die mittlerweile insolvente S-GmbH aus dem von der Beklagten betriebenen Mittelspannungsnetz mit Strom versorgt. Im Jahr 2009 kam es zu ersten Zahlungsrückständen und zum Abschluss einer Vereinbarung, in der sich die S-GmbH gegenüber der Klägerin zur Tilgung dieser Rückstände und zu Vorauszahlungen für künftige Lieferungen verpflichtete.
Im März 2012 wurde über das Vermögen der S-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete offene Forderungen i.H.v. rund 123.536 € zur Insolvenztabelle an. Von der Beklagten begehrte sie die Zahlung des genannten Betrags sowie die Feststellung, dass die Beklagte unter näher bezeichneten Voraussetzungen, die im Wesentlichen den Vorgaben von § 24 Abs. 3 NAV entsprachen, verpflichtet ist, die Anschlussnutzung eines von der Klägerin belieferten Kunden auf schriftliches Verlangen hin im Regelfall innerhalb von drei Werktagen zu unterbrechen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Klage hinsichtlich des mit Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachten Zahlungsbegehrens und des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Feststellungsbegehrens abgewiesen worden war und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Das Berufungsgericht war noch zu Recht davon ausgegangen, dass aus § 24 Abs. 3 NAV nicht die Pflicht des Netzbetreibers hergeleitet werden kann, dem Verlangen eines Lieferanten nach Unterbrechung der Stromversorgung eines Kunden unter den dort genannten Voraussetzungen nachzukommen. Entgegen der Auffassung des OLG stellt es allerdings einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, wenn die Beklagte das Ersuchen eines Stromlieferanten auf Unterbrechung der Versorgung eines Abnehmers schon deshalb ablehnt, weil die Belieferung nicht im Rahmen eines Grundversorgungsverhältnisses erfolgt.
Nach § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG hat der Betreiber eines Energieversorgungsnetzes jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren. Zu den maßgeblichen Konditionen gehören aber auch die Voraussetzungen, unter denen der Netzbetreiber dem Verlangen eines Lieferanten nach Unterbrechung der Versorgung eines bestimmten Abnehmers nachkommt. Ein zwischen einem Stromlieferanten und dessen Abnehmer vereinbartes Recht, die Stromlieferung zu unterbrechen, falls der Abnehmer seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt und bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen, stellt eine Ausgestaltung des grundsätzlich auch für Stromlieferungsverträge geltenden gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts aus § 320 BGB dar. Ohne besondere vertragliche Vereinbarung ist der Stromlieferant grundsätzlich nur zur Lieferung Zug um Zug gegen Zahlung verpflichtet.
Daraus ergibt sich für einen Netzbetreiber zwar nicht ohne weiteres die Pflicht, jedem Unterbrechungsverlangen eines Stromlieferanten nachzukommen. Ein Netzbetreiber schränkt den Zugang zu seinem Netz aber in sachlich nicht gerechtfertigter Weise ein, wenn er einem Lieferanten, der Abnehmer im Rahmen eines Sonderkundenverhältnisses beliefert, die Möglichkeit verwehrt, ein ihm aus dem Lieferungsvertrag zustehendes Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, ohne dass dies aus technischen Gründen oder aufgrund von sonstigen anerkennenswerten Interessen des Netzbetreibers erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass bei Sonderkundenverträgen auch Vorauszahlungen und Sicherheitsleistungen vereinbart werden können, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
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