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Anspruchsvoraussetzungen des Lieferanten, um vom Netzbetreiber die Unterbrechung der Stromversorgung eines Kunden zu verlangen

BGH 14.4.2015, EnZR 13/14

Zwar kann aus § 24 Abs. 3 NAV nicht die Pflicht des Netz­be­trei­bers her­ge­lei­tet wer­den, dem Ver­lan­gen ei­nes Lie­fe­ran­ten nach Un­ter­bre­chung der Strom­ver­sor­gung ei­nes Kun­den un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen nach­zu­kom­men. Es stellt al­ler­dings einen Ver­stoß ge­gen § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, wenn der Netz­be­trei­ber das Er­su­chen ei­nes Strom­lie­fe­ran­ten auf Un­ter­bre­chung der Ver­sor­gung ei­nes Ab­neh­mers schon des­halb ab­lehnt, weil die Be­lie­fe­rung nicht im Rah­men ei­nes Grund­ver­sor­gungs­verhält­nis­ses er­folgt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte auf­grund ei­nes für den Zeit­raum Ja­nuar 2009 bis Ende De­zem­ber 2010 ab­ge­schlos­se­nen Strom­lie­fe­rungs­ver­trags die mitt­ler­weile in­sol­vente S-GmbH aus dem von der Be­klag­ten be­trie­be­nen Mit­tel­span­nungs­netz mit Strom ver­sorgt. Im Jahr 2009 kam es zu ers­ten Zah­lungsrückständen und zum Ab­schluss ei­ner Ver­ein­ba­rung, in der sich die S-GmbH ge­genüber der Kläge­rin zur Til­gung die­ser Rückstände und zu Vor­aus­zah­lun­gen für künf­tige Lie­fe­run­gen ver­pflich­tete.

Nach­dem der Rück­stand den­noch wei­ter an­ge­wach­sen war, kündigte die Kläge­rin ge­genüber der S-GmbH die Un­ter­bre­chung der Ver­sor­gung an. Gleich­zei­tig bat sie die Be­klagte, die an­gekündigte Un­ter­bre­chung vor­zu­neh­men oder durch den Mess­stel­len­be­trei­ber vor­neh­men zu las­sen. Die Be­klagte lehnte dies un­ter Be­ru­fung auf grundsätz­li­che Erwägun­gen ab.

Im März 2012 wurde über das Vermögen der S-GmbH das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Die Kläge­rin mel­dete of­fene For­de­run­gen i.H.v. rund 123.536 € zur In­sol­venz­ta­belle an. Von der Be­klag­ten be­gehrte sie die Zah­lung des ge­nann­ten Be­trags so­wie die Fest­stel­lung, dass die Be­klagte un­ter näher be­zeich­ne­ten Vor­aus­set­zun­gen, die im We­sent­li­chen den Vor­ga­ben von § 24 Abs. 3 NAV ent­spra­chen, ver­pflich­tet ist, die An­schluss­nut­zung ei­nes von der Kläge­rin be­lie­fer­ten Kun­den auf schrift­li­ches Ver­lan­gen hin im Re­gel­fall in­ner­halb von drei Werk­ta­gen zu un­ter­bre­chen.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil in­so­weit auf, als die Klage hin­sicht­lich des mit Haupt- und Hilfs­an­trag gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­be­geh­rens und des mit dem Hilfs­an­trag gel­tend ge­mach­ten Fest­stel­lungs­be­geh­rens ab­ge­wie­sen wor­den war und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt war noch zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass aus § 24 Abs. 3 NAV nicht die Pflicht des Netz­be­trei­bers her­ge­lei­tet wer­den kann, dem Ver­lan­gen ei­nes Lie­fe­ran­ten nach Un­ter­bre­chung der Strom­ver­sor­gung ei­nes Kun­den un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen nach­zu­kom­men. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des OLG stellt es al­ler­dings einen Ver­stoß ge­gen § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG dar, wenn die Be­klagte das Er­su­chen ei­nes Strom­lie­fe­ran­ten auf Un­ter­bre­chung der Ver­sor­gung ei­nes Ab­neh­mers schon des­halb ab­lehnt, weil die Be­lie­fe­rung nicht im Rah­men ei­nes Grund­ver­sor­gungs­verhält­nis­ses er­folgt.

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG hat der Be­trei­ber ei­nes En­er­gie­ver­sor­gungs­net­zes je­der­mann nach sach­lich ge­recht­fer­tig­ten Kri­te­rien dis­kri­mi­nie­rungs­frei Netz­zu­gang zu gewähren. Zu den maßgeb­li­chen Kon­di­tio­nen gehören aber auch die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen der Netz­be­trei­ber dem Ver­lan­gen ei­nes Lie­fe­ran­ten nach Un­ter­bre­chung der Ver­sor­gung ei­nes be­stimm­ten Ab­neh­mers nach­kommt. Ein zwi­schen einem Strom­lie­fe­ran­ten und des­sen Ab­neh­mer ver­ein­bar­tes Recht, die Strom­lie­fe­rung zu un­ter­bre­chen, falls der Ab­neh­mer sei­nen Zah­lungs­pflich­ten nicht nach­kommt und be­stimmte wei­tere Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen, stellt eine Aus­ge­stal­tung des grundsätz­lich auch für Strom­lie­fe­rungs­verträge gel­ten­den ge­setz­li­chen Zurück­be­hal­tungs­rechts aus § 320 BGB dar. Ohne be­son­dere ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung ist der Strom­lie­fe­rant grundsätz­lich nur zur Lie­fe­rung Zug um Zug ge­gen Zah­lung ver­pflich­tet.

Dar­aus er­gibt sich für einen Netz­be­trei­ber zwar nicht ohne wei­te­res die Pflicht, je­dem Un­ter­bre­chungs­ver­lan­gen ei­nes Strom­lie­fe­ran­ten nach­zu­kom­men. Ein Netz­be­trei­ber schränkt den Zu­gang zu sei­nem Netz aber in sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­ter Weise ein, wenn er einem Lie­fe­ran­ten, der Ab­neh­mer im Rah­men ei­nes Son­der­kun­den­verhält­nis­ses be­lie­fert, die Möglich­keit ver­wehrt, ein ihm aus dem Lie­fe­rungs­ver­trag zu­ste­hen­des Zurück­be­hal­tungs­recht gel­tend zu ma­chen, ohne dass dies aus tech­ni­schen Gründen oder auf­grund von sons­ti­gen an­er­ken­nens­wer­ten In­ter­es­sen des Netz­be­trei­bers er­for­der­lich ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts führt der Um­stand, dass bei Son­der­kun­den­verträgen auch Vor­aus­zah­lun­gen und Si­cher­heits­leis­tun­gen ver­ein­bart wer­den können, nicht zu ei­ner ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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