Nachdem der EuGH bereits mit Urteil vom 20.12.2017 (Rs. C-504/16, C-613/16, Deister Holding AG, Juhler Holding) die bis zum Veranlagungszeitraum 2011 anzuwendende Fassung des § 50d Abs. 3 EStG als EU-rechtswidrig beurteilte, kommt das Gericht hinsichtlich der seit dem Veranlagungszeitraum 2012 anzuwendenden Fassung der Regelung zum gleichen Ergebnis (Beschluss vom 14.6.2018, Rs. C-440/17, GS).
Der EuGH sieht die Mutter-Tochter-Richtlinie verletzt, durch die die Befreiung vom Quellensteuerabzug von Dividenden gewährleistet werden soll, die von einer in einem Mitgliedsstaat ansässigen Tochter- an ihre in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Muttergesellschaft ausgeschüttet werden. Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie hiervon Ausnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen vorsehen. Diese Ausnahmeregelung sei jedoch eng auszulegen. Die allgemeine Vermutung für das Vorliegen von Steuerhinterziehung und Missbrauch könne eine solche Einschränkung nicht rechtfertigen. § 50d Abs. 3 EStG 2012 bezwecke aber nicht speziell, von der Inanspruchnahme der Quellensteuerbefreiung rein künstliche Konstruktionen auszuschließen. Vielmehr erfasse die Regelung generell Situationen, in denen zum einen Personen an einer gebietsfremden Muttergesellschaft beteiligt sind, denen die Befreiung nicht zustände, wenn sie die Dividenden unmittelbar bezogen hätten, und in denen zum anderen die von der Muttergesellschaft erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. Eine umfassende Prüfung der betreffenden Situation im Einzelfall sei hingegen nicht vorgesehen. Aus den vorgenannten Gründen verstößt § 50d Abs. 3 EStG 2012 laut EuGH darüber hinaus gegen die Niederlassungsfreiheit.
Hinweis
Die Finanzverwaltung hat auf das EuGH-Urteil vom 20.12.2017 bereits mit einem BMF-Schreiben vom 4.4.2018 reagiert. Durch dieses BMF-Schreiben soll eine unionrechtskonforme Auslegung des § 50d Abs. 3 EStG 2012 in Fällen der Mutter-Tochter-Richtlinie gewährleistet werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung für eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 50d Abs. 3 EStG 2012 weiterhin an dem BMF-Schreiben festhalten werden.