Rechtsprechung des BFH
Mit Urteil vom 26.07.2022 (Az. II R 25/20, BStBl. II 2024, S. 21) kam der BFH im Fall einer Schenkung vor dem 01.07.2016 zu dem Ergebnis, dass bei einer einheitlichen Schenkung von mehreren wirtschaftlichen Einheiten von begünstigtem Unternehmensvermögen für jede Einheit gesondert eine unwiderrufliche Erklärung zur Vollverschonung abgegeben werden kann. Zudem bindet diese Erklärung aber dahingehend, dass die Regelverschonung nicht zu gewähren ist, wenn die Voraussetzungen der Vollverschonung nicht erfüllt werden - und dies obwohl die Voraussetzungen der Regelverschonung durchaus vorgelegen hätten.
Reaktion der Finanzverwaltung
Die obersten Finanzbehörden der Länder folgen mit gleich lautenden Erlassen vom 22.12.2023 (BStBl. II 2024, S. 21) dieser Rechtsauffassung und wenden diese in allen noch offenen Fällen an.
Zudem weisen die Finanzbehörden darauf hin, dass die Rechtsauffassung nicht nur auf Schenkungen, sondern auch auf Erwerbe von Todes wegen anzuwenden ist. Auch lasse sich die Rechtsauffassung des BFH zur früheren erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 und 8 ErbStG a. F. auf die aktuelle, für Erwerbe seit 01.07.2016 geltende Rechtslage nach § 13a Abs. 1 und 10 ErbStG übertragen.
Getrennte Betrachtung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten
Im Einzelnen schlussfolgert die Finanzverwaltung daraus, dass der Erwerber mehrerer wirtschaftlicher Einheiten von begünstigungsfähigem Vermögen für jede Einheit gesondert entscheiden muss, ob er die Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 ErbStG oder die Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG in Anspruch nimmt und eine entsprechende Erklärung abgeben. Damit kann beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten nebeneinander die Anwendung der Regel- und der Optionsverschonung in Betracht kommen. Die zu prüfende Lohnsummenregelung nach § 13a Abs. 3 ErbStG ist demnach für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu prüfen. Die bisherige Zusammenrechnung der Mindestlohnsummen der einzelnen Einheiten ist nicht mehr zulässig. Auch die Einhaltung der Behaltensfrist nach § 13a Abs. 6 ErbStG ist für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu prüfen und kann bei Anwendung der Regel- und Optionsverschonung voneinander abweichen. Die Finanzämter werden angewiesen, die Einhaltung der Fristen gesondert für jede Einheit zu überwachen.
Hinweis: Zur Prüfung des Schwellenwerts von 26 Mio. Euro, der für die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen von Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG nicht überschritten werden darf, ist hingegen das begünstigte Vermögen aller wirtschaftlichen Einheiten weiterhin zusammenzurechnen. Bei einem höheren Gesamterwerb von begünstigtem Vermögen sind ebenso das sog. Abschmelzmodell nach § 13c ErbStG und die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG nur einheitlich für alle erworbenen wirtschaftlichen Einheiten anzuwenden.
Erklärung der Optionsverschonung bindend
Bislang vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Regelverschonung gewährt wird, wenn zwar die Erklärung zur Optionsverschonung gestellt wurde, die Voraussetzungen dazu aber nicht vorliegen oder nachträglich, z. B. infolge einer Betriebsprüfung, wegfielen. Dies galt zumindest in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten nicht erfüllt wurden oder der Erwerb nur aus einer wirtschaftlichen Einheit bestand, bei der die Voraussetzungen der Optionsverschonung nicht erfüllt wurden. Wurde hingegen die Optionsverschonung beantragt, die nach bisheriger Rechtsauffassung nur einheitlich für alle wirtschaftlichen Einheiten erklärt werden konnte, wurden die Voraussetzungen der Optionsverschonung jedoch nur von einem Teil der Einheiten erfüllt, konnte insoweit die Optionsverschonung genutzt werden, für die weiteren Einheiten entfiel die Verschonung jedoch insgesamt.
Hinweis: Die obersten Finanzbehörden der Länder gewähren eine Vertrauensschutzregelung. Soweit nach dem bisherigen Rechtsverständnis die Regelverschonung anstelle der Optionsverschonung zu gewähren war, soll dies auch weiterhin gelten, sofern der Antrag auf Optionsverschonung vor dem 25.01.2024 (Veröffentlichung des BFH-Urteils im BStBl.) gestellt wurde.