Der Sachverhalt:
Die beklagte DocMorris N.V. ist eine europaweit tätige Versandapotheke. Sie betrieb zwischen April und Juni 2017 in Hüffenhardt (Neckar-Odenwald Kreis) eine pharmazeutische Videoberatung mit Arzneimittelabgabe (sog. Apothekenautomaten). Die Beklagte besaß für die Räumlichkeiten keine Apothekenbetriebserlaubnis.
Die Beklagte war in vier Verfahren von anderen Apothekern sowie in einem weiteren Verfahren vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Im sechsten Verfahren ist die Betreiberin des Lagers und Mieterin der Räumlichkeiten in Hüffenhardt - ebenfalls eine niederländische Gesellschaft - Beklagte. Die Beklagten waren der Ansicht, es handele sich bei der Verbringung der Arzneimittel von einer niederländischen Apotheke zum Lager in Hüffenhardt um einen erlaubten "antizipierten" Versandhandel.
Das LG verurteilte die Beklagten in allen sechs Fällen zur Unterlassung u.a. der Abgabe von apothekenpflichtigen oder verschreibungspflichtigen Arzneimittel, da entgegen § 43 Arzneimittelgesetz Arzneimittel außerhalb einer Apotheke und nicht im Wege des Versandes in Verkehr gebracht worden seien. Das OLG hat in vier Verfahren die Berufungen zurückgewiesen und die Untersagung des Betriebs eines Apothekenautomaten, wie er in Hüffenhardt eingerichtet war, bestätigt.
Die Gründe:
Die Beklagten haben die Abgabe von apothekenpflichtigen oder verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu unterlassen. Entgegen § 43 Arzneimittelgesetz waren Arzneimittel außerhalb einer Apotheke und nicht im Wege des Versandes in Verkehr gebracht worden. Denn das in Hüffenhardt installierte System stellt keinen Versandhandel dar.
Ein "Versand an den Endverbraucher von einer Apotheke" gem. § 73 Abs. 1 Nr. 1 a AMG kann nicht angenommen werden, wenn die Arzneimittel zunächst ohne konkrete Bestellung in Hüffenhardt gelagert und dann auf Kundenwunsch abgegeben werden. Ein Versandhandel setzt nämlich eine Bestellung des Endverbrauchers zeitlich vor der Bereitstellung, Verpackung und Absendung des Arzneimittels voraus.
Die Beklagten haben außerdem die Verstöße gegen Prüf- und Dokumentationspflichten bei der Bearbeitung von Rezepten und der Abgabe der Arzneimittel an Endverbraucher zu unterlassen. Die per Video erfolgenden Kontrollen und die erst nach Verbringung der Rezepte in die Niederlande vorgenommenen Vermerke genügen nämlich nicht den Vorschriften der deutschen Apothekenbetriebsordnung. So ist u.a. nicht gewährleistet, dass etwaige Änderungen auf der Verschreibung unmittelbar bei Abgabe des Arzneimittels vermerkt werden.
Ein Verbot aus wettbewerbsrechtlichen Gründen kann von einem Mitbewerber oder auch von Berufsverbänden bei einem Verstoß gegen sog. Marktverhaltensregeln (§ 3 a UWG) verlangt werden. Die hier verletzten Bestimmungen des Arzneimittel- und Apothekenrechtes sind nach Ansicht des Senats solche Marktverhaltensregeln. Schließlich bezwecken sie den Gesundheitsschutz der Verbraucher und wirken sich unmittelbar auf den Wettbewerb zwischen Apotheken aus.
Hintergrund:
In zwei weiteren Verfahren zum selben Problemkreis, in denen der Senat in anderer Besetzung zu entscheiden hat, wurde der Verkündungstermin auf den 26.6.2019 verlegt, weil die Schlussberatung aus terminlichen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte.
Das Urteil des VG Karlsruhe vom 4.4.2019 betreffend denselben Apothekenautomaten befasst sich mit der Frage, ob das vom Regierungspräsidium Karlsruhe gegen den Betreiber ausgesprochene Verbot rechtmäßig war.
Eine pharmazeutische Videoberatung mit Arzneimittelabgabe (sog. Apothekenautomaten) stellt keinen erlaubten "antizipierten" Versandhandel dar. Die per Video erfolgenden Kontrollen und die erst nach Verbringung der Rezepte in die Niederlande vorgenommenen Vermerke genügen nicht den Vorschriften der deutschen Apothekenbetriebsordnung.