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Rechtsberatung

Arbeitsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz

Spätes­tens seit 17.12.2023 müssen Un­ter­neh­men mit mehr als 50 Be­schäftig­ten ein Hin­weis­ge­ber­sys­tem im­ple­men­tiert ha­ben. Das ist noch längst nicht in al­len Un­ter­neh­men Rea­lität und sollte schnellstmöglich nach­ge­holt wer­den, da an­sons­ten dras­ti­sche Bußgelder als Sank­tion dro­hen. In die­sem Zu­sam­men­hang spie­len auch ar­beits­recht­li­che Fra­gen eine be­deut­same Rolle.

Nach dem sog. Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz (HinSchG) müssen Un­ter­neh­men in­terne und ex­terne Mel­demöglich­kei­ten für ihre Mit­ar­bei­ten­den schaf­fen, da­mit diese be­stimmte Missstände im Un­ter­neh­men mel­den können, ohne Re­pres­sa­lien befürch­ten zu müssen.

Hin­weis: Ausführ­li­che In­for­ma­tio­nen zum Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz fin­den Sie hier.

Sicherstellung unternehmensinterner Abläufe

Kommt es zu ei­ner Mel­dung, müssen be­stimmte un­ter­neh­mens­in­terne Abläufe si­cher­ge­stellt sein. Diese soll­ten in ei­ner Hin­weis­ge­ber­richt­li­nie, ggf. auch in einem Code of Con­duct, fest­ge­legt und ent­spre­chend kom­mu­ni­ziert wer­den. Die Mit­ar­bei­ten­den soll­ten da­bei dazu an­ge­hal­ten wer­den, vor­zugs­weise an die in­terne Mel­de­stelle zu mel­den, um evtl. Rufschädi­gun­gen zu ver­mei­den. Der Pro­zess nach Ein­gang ei­ner Mel­dung ist ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben. Es emp­fiehlt sich, einen ver­schrif­te­ten Ab­lauf­plan zu er­stel­len, um Rück­mel­de­fris­ten und Ver­trau­lich­keit zu wah­ren.

Ernennung von Ansprechpartnern

Für die in­ter­nen Mel­dun­gen müssen un­abhängige (Com­pli­ance-)An­sprech­part­ner be­nannt wer­den. In­frage kom­men so­wohl in­terne Mit­ar­bei­tende wie auch ex­terne Dritte. So­fern Un­ter­neh­men die in­terne Mel­de­stelle mit ei­ge­nen Mit­ar­bei­ten­den be­trei­ben, muss die per­so­nelle Aus­stat­tung der Mel­de­stelle si­cher­ge­stellt und das zuständige Per­so­nal insb. im Be­reich Com­pli­ance ge­schult sein. Die zuständi­gen Be­schäftig­ten müssen recht­lich prüfen können, ob der ge­mel­dete Hin­weis nach dem HinSchG mel­defähig ist, und die ho­hen An­for­de­run­gen an die ver­trau­li­che Be­hand­lung der Mel­dung erfüllen. Wei­ter müssen sie in­terne Fol­gemaßnah­men, wie bspw. in­terne Un­ter­su­chun­gen durchführen können. Ar­beit­ge­ber soll­ten ent­spre­chende Qua­li­fi­ka­ti­ons­nach­weise do­ku­men­tie­ren und im Be­darfs­fall vor­hal­ten können. Wich­tig ist zu­dem, dass die Un­abhängig­keit der zuständi­gen Be­schäftig­ten gewähr­leis­tet wird und In­ter­es­sen­kon­flikte aus­ge­schlos­sen wer­den können.

Hin­weis: So­fern Un­ter­neh­men die in­terne Mel­de­stelle durch ex­terne Om­buds­per­so­nen, etwa Rechts­anwälte, or­ga­ni­sie­ren, können sie sich auf de­ren Qua­li­fi­ka­tio­nen ver­las­sen.

Einbindung des Betriebsrats

Be­steht ein Be­triebs­rat im Un­ter­neh­men, sollte die­ser bei der Im­ple­men­tie­rung ei­nes Hin­weis­ge­ber­sys­tems frühzei­tig ein­ge­bun­den und an­ge­mes­sen be­tei­ligt wer­den. Kon­kret ist der Be­triebs­rat vorab über die ge­plante Ein­rich­tung ei­nes Hin­weis­ge­ber­sys­tems zu in­for­mie­ren, § 80 Abs. 2 Be­trVG. Des­sen Im­ple­men­tie­rung kann ein Mit­be­stim­mungs­recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG auslösen, wo­nach der Be­triebs­rat bei Fra­gen der Ord­nung des Be­trie­bes und des Ver­hal­tens der Be­schäftig­ten im Be­trieb mit­zu­be­stim­men hat.

Zwar be­steht bei der Ent­schei­dung über das „Ob“, also ob eine in­terne Mel­de­stelle er­rich­tet wird, an­ge­sichts der be­ste­hen­den ge­setz­li­chen Ver­pflich­tung kein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats. Aber beim „Wie“ be­ste­hen Ge­stal­tungs­spielräume hin­sicht­lich der kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung des Hin­weis­ge­ber­sys­tems oder der Be­nen­nung der die in­terne Mel­de­stelle be­trei­ben­den in­ter­nen Mit­ar­bei­ten­den, bei der der Be­triebs­rat ein­zu­bin­den ist (§ 99 Be­trVG).

Ent­spre­chend ist wie­derum die Ent­schei­dung darüber, ob das Un­ter­neh­men die in­terne Mel­de­stelle im Un­ter­neh­men selbst oder bei einem ex­ter­nen Drit­ten ein­rich­tet, nicht mit­be­stim­mungs­pflich­tig.

Auch bie­tet das wei­tere Ver­fah­ren bezüglich der Be­ar­bei­tung der ein­ge­gan­ge­nen Hin­weise Spielräume für die Mit­be­stim­mungs­rechte des Be­triebs­rats.

Schließlich sind die Be­triebsräte vor et­wai­gen Schu­lungsmaßnah­men, die auf­grund der Er­rich­tung und des Be­triebs ei­ner in­ter­nen Mel­de­stelle er­for­der­lich wer­den, ord­nungs­gemäß nach §§ 96 ff. Be­trVG zu be­tei­li­gen.

Unternehmensinterne Vorkehrungen wegen des Schutzes des Hinweisgebers vor Repressalien

Das HinSchG ver­bie­tet jeg­li­che Re­pres­sa­lien ge­genüber hin­weis­ge­ben­den Per­so­nen. Es darf ih­nen ge­genüber also bspw. nicht zu ei­ner Kündi­gung, der Nicht­berück­sich­ti­gung bei ei­ner Beförde­rungsmöglich­keit, ei­ner Ver­set­zung oder der Ver­sa­gung bzw. Re­du­zie­rung ei­nes Bo­nus kom­men. Zur ef­fek­ti­ven Aus­ge­stal­tung die­ses Ver­bots von Re­pres­sa­lien können sich hin­weis­ge­bende Per­so­nen auf eine Be­weis­last­um­kehr be­ru­fen. Dem­nach wird das Vor­lie­gen ei­ner Re­pres­sa­lie ge­setz­lich ver­mu­tet und der Ar­beit­ge­ber muss diese Ver­mu­tung wi­der­le­gen. Vor die­sem Hin­ter­grund soll­ten Un­ter­neh­men bei ge­plan­ten Per­so­nalmaßnah­men die Grund­la­gen und Be­weggründe von Per­so­nal­ent­schei­dun­gen gut do­ku­men­tie­ren.

Melde- und Anzeigepflichten beachten

Um Verstöße ef­fek­tiv ahn­den bzw. ab­stel­len zu können, müssen Melde- und An­zei­ge­pflich­ten be­ach­tet und ggf. ar­beits­recht­li­che Fris­ten über­wacht wer­den.

Von be­stimm­ten Aus­nah­men (§ 138 StGB) ab­ge­se­hen, sind Straf­ta­ten grundsätz­lich nicht an­zei­ge­pflich­tig. Je­doch kann bei steu­er­recht­li­chen Zu­wi­der­hand­lun­gen eine un­verzügli­che Be­rich­ti­gungs­pflicht nach § 153 AO be­ste­hen, de­ren Ver­let­zung eine Straf­bar­keit we­gen Steu­er­hin­ter­zie­hung nach sich zie­hen kann. Wei­tere Mel­de­pflich­ten können sich aus dem Geldwäsche­ge­setz er­ge­ben. Un­ter Umständen kann sich eine ak­tive Kon­takt­auf­nahme mit den Er­mitt­lungs­behörden emp­feh­len, um das Ri­siko ei­ner zeit­na­hen an­der­wei­ti­gen Kennt­nis­nahme durch die Behörden, etwa durch ex­terne Mel­de­stel­len, zu re­du­zie­ren. Dies kann auch zur Ab­wen­dung dro­hen­der Zwangsmaßnah­men und zur Be­schränkung des Ri­si­kos ei­ner ei­ge­nen Straf­bar­keit ggf. durch Un­ter­las­sen die­nen. Zu­dem er­for­dert ein funk­tio­nie­ren­des Com­pli­ance-Sys­tem ein kla­res Be­kennt­nis zu rechts­kon­for­mem Ver­hal­ten, was sei­ner­seits durch Er­stat­tung ei­ner Straf­an­zeige gewähr­leis­tet wer­den kann. Wird die Er­stat­tung ei­ner Straf­an­zeige in Be­tracht ge­zo­gen, ist bei sog. An­trags­de­lik­ten die drei­mo­na­tige An­trags­frist zu be­ach­ten.

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