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Steuerberatung

Auch Knock-Out-Zertifikate sind steuerlich keine Termingeschäfte

Der BFH hat in dem jüngst veröff­ent­lich­ten Ur­teil (Ur­teil vom 08.12.2021, Az. I R 24/19) geklärt, dass Knock-Out-Zer­ti­fi­kate wie In­dex­zer­ti­fi­kate keine Ter­min­ge­schäfte i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sind.

Hin­ter­grund der Ent­schei­dung ist die Re­ge­lung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG, wo­nach Ver­luste aus Ter­min­ge­schäften im be­trieb­li­chen Be­reich nicht mit an­de­ren Einkünf­ten ver­rech­net wer­den dürfen. Sie dürfen le­dig­lich im Rah­men des Ver­lustrück­trags bzw. -vor­trags mit Ge­win­nen aus Ter­min­ge­schäften ver­rech­net wer­den. Für diese Ver­lust­ver­rech­nungs­be­schränkung exis­tie­ren sek­to­rale und funk­tio­nale Aus­nah­men.

Al­ler­dings wird der Be­griff des Ter­min­ge­schäfts durch die Vor­schrift nicht de­fi­niert. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) ist der Be­griff im Grund­satz nach den wert­pa­pier- bzw. ban­ken­recht­li­chen Maßga­ben zu be­stim­men. Dies be­deu­tet, dass das Ter­min­ge­schäft ins­be­son­dere vom Kas­sa­ge­schäft ab­zu­gren­zen ist: Bei einem Kas­sa­ge­schäft er­folgt der Leis­tungs­aus­tausch ent­we­der un­mit­tel­bar oder in­ner­halb der übli­chen Frist (z. B. bei Wert­pa­pie­ren zwei Bank­ar­beits­ta­gen), d. h. Zug um Zug. Oder an­ders for­mu­liert: Dem Ver­pflich­tungs­ge­schäft folgt un­mit­tel­bar das Erfüllungs­ge­schäft. Bei einem Ter­min­ge­schäft hin­ge­gen han­delt es sich um ein als Kauf oder Tausch aus­ge­stal­te­tes Fest­ge­schäft oder Op­ti­ons­ge­schäft, das erst mit ei­ner zeit­li­chen Verzöge­rung zu erfüllen ist und des­sen Wert sich un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar vom Preis ei­nes Ba­sis­werts ab­lei­tet (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG). Diese Ab­gren­zung ist gemäß dem BFH auch für die steu­er­recht­li­che Ein­ord­nung maßgeb­lich.

Bei In­dex­zer­ti­fi­ka­ten hat der BFH be­reits geklärt, dass sie als Kas­sa­ge­schäfte nicht zu den Ter­min­ge­schäften i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG gehören (BFH, Ur­teil vom 4.12.2014, Az. IV R 53/11). Denn die Schuld­ver­schrei­bung, in wel­cher das In­dex­zer­ti­fi­kat recht­lich aus­ge­stal­tet ist, wird Zug um Zug er­wor­ben. Dem Ver­pflich­tungs­ge­schäft folgt mit der Lie­fe­rung der Schuld­ver­schrei­bung un­mit­tel­bar das Erfüllungs­ge­schäft.

Nun hat der BFH ent­schie­den, dass Knock-Out-Zer­ti­fi­kate eben­falls nicht zu Ter­min­ge­schäften i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG gehören (BFH, Ur­teil vom 8.12.2021, Az. I R 24/19). Dies begründet der BFH mit Blick auf die Ge­set­zes­his­to­rie. Denn § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG wurde zu­sam­men mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ein­geführt, nach der auch Zer­ti­fi­kate, die Ak­tien ver­tre­ten, als Ter­min­ge­schäfte gel­ten, so dass diese von der da­mals im Pri­vat­vermögen gel­ten­den Ver­rech­nungs­be­schränkung der Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften er­fasst wer­den. Um die Ver­la­ge­rung die­ser pri­va­ten Ver­luste in den be­trieb­li­chen Be­reich zu un­ter­bin­den, wurde in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG die glei­che Ver­lust­ver­rech­nungs­be­schränkung for­mu­liert. Al­ler­dings wur­den im be­trieb­li­chen Be­reich Zer­ti­fi­kate nicht als Ter­min­ge­schäfte fin­giert bzw. mit die­sen gleich­ge­stellt. Durch die Fik­tion im Pri­vat­vermögen ist der Ge­setz­ge­ber nach An­sicht des BFH so­mit er­kenn­bar selbst da­von aus­ge­gan­gen, dass Zer­ti­fi­kate keine Ter­min­ge­schäfte i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sind.

Außer­dem spielt das Ausmaß der spe­zi­fi­schen Gefähr­lich­keit ei­nes Ge­schäfts keine Rolle für die Frage, ob steu­er­recht­lich ein Ter­min­ge­schäft vor­liegt. In o. g. Ur­teil hat der BFH noch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass bei In­dex­zer­ti­fi­ka­ten „der An­le­ger nicht dazu ver­lei­tet wird, ohne oder mit verhält­nismäßig ge­rin­gem Ein­satz ei­ge­nen Vermögens und ohne Auf­nahme ei­nes förm­li­chen Kre­dits auf Ge­winn zu spe­ku­lie­ren, denn sein Ver­lust­ri­siko ist nach der Auf­fas­sung des BGH auf den Kauf­preis für die Schuld­ver­schrei­bung be­grenzt, den er so­fort bei Ver­trags­schluss in vol­ler Höhe be­zah­len muss. Der Er­werb von In­dex­zer­ti­fi­ka­ten hat da­nach auch nicht die für Ter­min­ge­schäfte spe­zi­fi­sche He­bel­wir­kung und begründet zu­dem nicht die Ge­fahr des To­tal­ver­lusts in dem für Ter­min­ge­schäfte ty­pi­schen Maße.“ Nach der nun präzi­sier­ten Recht­spre­chung ist der Ri­si­ko­ge­halt des Ge­schäfts für die vor­lie­gende Frage ir­re­le­vant. Da­her ist es nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich, ob es sich bei dem Zer­ti­fi­kat um ein He­bel­pro­dukt han­delt oder nicht. Et­was an­de­res könnte al­len­falls dann gel­ten, wenn auf­grund der kon­kre­ten Ver­trags­be­din­gun­gen ein sog. Schein­kas­sa­ge­schäft bzw. "wirt­schaft­li­ches Ter­min­ge­schäft" vor­liegt, weil u. a. eine Nach­schuss­pflicht und da­mit ein un­be­grenz­tes Ver­lust­ri­siko be­steht.

Bei Knock-out-Zer­ti­fi­ka­ten han­delt es sich da­mit im Er­geb­nis um gewöhn­li­che Schuld­ver­schrei­bun­gen, bei de­nen der Erfüllungs­zeit­punkt ge­rade nicht hin­aus­ge­scho­ben wird.

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