Im Folgenden erläutern wir die Auffassung der Finanzverwaltung zu den Regelungen, welche nach der Gesetzesänderung die meisten Fragen aufgeworfen haben.
§ 55 AO: Vereinfachungsregelung für kleine Körperschaften
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO besteht die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung nicht für Körperschaft mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro. Das BMF hat nun klargestellt, dass für die Überprüfung der Einnahmengrenze alle Einnahmen des ideellen Bereichs, Bruttoeinnahmen der Vermögensverwaltung, Einnahmen aus Zweckbetrieben und des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs dazu zählen. Eine Ausnahme für Einnahmen, die grundsätzlich nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, z. B. für Erbschaften nach § 62 Abs. 3 AO, gibt es nicht. Nicht zu den Einnahmen gehören nur solche Mittel, deren zeitnahe Verwendung aufgrund eines Sphärenwechsels wiederauflebt.
Klargestellt wurde zudem, wie mit einem Überschreiten der Grenze im Folgejahr umgegangen wird. Ausgenommen von der zeitnahen Verwendungspflicht sind dann sämtliche vorhandenen Mittel, die in den Jahren des Unterschreitens angesammelt wurden und die übrigen, zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Mittel.
Hinweis: U. E. steht die Verwaltungsauffassung im Widerspruch zu dem Normzweck, wenn Mittel einbezogen werden, die (wie bspw. die Zuwendungen aus Erbschaften) dem Grunde nach gar nicht zeitnah zu verwenden sind.
§ 57 AO: Gemeinnütziges arbeitsteiliges Zusammenwirken
Gemäß § 57 Abs. 3 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke ab sofort auch dann unmittelbar, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren nach § 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verfolgt. Als Nachweis dafür, dass die Körperschaft, mit der sie zusammenwirkt, steuerbegünstigt ist und darauf vertrauen darf, ist dem anderen die Satzung und einer der in § 58a Abs. 2 AO genannten Nachweise vorzulegen. § 58a Abs. 3 Nr. 1 AO ist entsprechend anzuwenden.
Die Finanzverwaltung hat im AEAO nun definiert, was planmäßiges Zusammenwirken bedeutet. Planmäßiges Zusammenwirken ist das gemeinsame, inhaltlich aufeinander abgestimmte und koordinierte Wirken von zwei oder mehreren steuerbegünstigten Körperschaften, um einen ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke zu verwirklichen. Hierzu können neben Dienstleistungen auch Nutzungsüberlassungen gehören. Sind Nutzungsüberlassungen Gegenstand einer Kooperation nach § 57 Abs. 3 AO, hat diese Vorschrift Vorrang vor § 58 Nr. 1 AO und die Behandlung richtet sich danach.
Erforderlich ist kein Leistungsaustausch zwischen zwei Körperschaften, sondern ein „satzungsmäßiges planmäßiges Zusammenwirken“. Dieses Zusammenwirken kann auch in der Weise erfolgen, dass mehrere Körperschaften unterschiedliche Leistungselemente an einen selbst nicht steuerbegünstigten Dritten erbringen, wenn diese Leistungselemente durch ihr Zusammenwirken in die Förderung eines gemeinsamen steuerbegünstigten Zwecks münden.
Die Anforderung an den eigenen Beitrag einer Körperschaft besteht darin, dass sie selbst arbeitsteilig zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke beitragen muss. Eine bloße Vergabe von Aufträgen für ein Projekt ohne Eigenleistung in diesem Projekt selbst, ist beispielsweise nicht ausreichend. Das planmäßige Zusammenwirken erfordert keine Wiederholungsabsicht und keine finanzielle Eingliederung, so dass auch Kooperationen zwischen gesellschafts- oder verbandsrechtlich nicht verbundenen Körperschaften möglich sind.
Ein planmäßiges Zusammenwirken kann auch mit steuerbegünstigten Betrieben gewerblicher Art juristischer Personen des öffentlichen Rechts erfolgen, nicht aber mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts als solchen.
Verschärft hat die Finanzverwaltung die Neuregelung, indem sie vorgibt, dass das Zusammenwirken mit anderen Körperschaften in der Satzung als Art der Zweckverwirklichung festgehalten sein muss. Die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation müssen in den Satzungen der Beteiligten bezeichnet werden.
Leistungen, die in Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfolgen, werden innerhalb eines Zweckbetriebs erbracht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 65 ff. AO erfüllt sind. Für die Prüfung der Voraussetzungen des Zweckbetriebs im Sinne der §§ 65 ff. AO sind die aufgrund des planmäßigen Zusammenwirkens ausgeübten Tätigkeiten aller beteiligten Körperschaften in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Eine isolierende Betrachtung darf nicht vorgenommen werden. Begünstigt können z. B. gemeinschaftliche Serviceleistungen, wie Buchhaltung oder Beschaffungsstellen sowie Nutzungsüberlassungen und Vermietungen sein. Diese zweckbetriebliche Beurteilung ist dann für alle beteiligten Körperschaften maßgeblich.
Für die Erbringung von Leistungen außerhalb des gemeinsamen steuerbegünstigten Zwecks gelten die allgemeinen Regelungen, so dass beispielsweise Leistungen an steuerpflichtige Dritte weiterhin regelmäßig einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen.
Hinweis: Der neue AEAO hat zum arbeitsteiligen Zusammenwirken einige Klarstellungen gebracht und offene Fragen geklärt. Leider wurde die für die Praxis dringend benötigte Klarstellung, welche Anforderungen das BMF konkret an die Bezeichnung der "Körperschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation" in den Satzungen der Beteiligten stellt, nicht beantwortet. Fraglich ist damit weiterhin, ob eine abstrakte Beschreibung der Kooperationspartner ausreicht oder ob eine namentliche Nennung aller Kooperationspartner erforderlich ist. Unserer Auffassung nach wäre dies nicht vom Gesetzeszweck gedeckt und schließt ein punktuelles Zusammenwirken aus, da jedes Mal eine Satzungsänderung aller Beteiligten notwendig wäre.
Zudem ist u. E. die einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs auf Kooperationen mit steuerbegünstigten Betrieben gewerblicher Art nicht mit dem Regelungszweck vereinbar. Vielmehr sollten auch Kooperationen mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit diese auf die Verfolgung eines steuerbegünstigten Zwecks gerichtet sind, erfasst werden.
§ 57 Abs. 4 AO: Gemeinnütziger Konzern
Nach § 57 Abs. 4 AO wird durch das Halten und Verwalten von Anteilen an (mindestens einer) steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften der Grundsatz der Unmittelbarkeit erfüllt (Holdingstrukturen). Die Finanzverwaltung stellt nun entgegen des Gesetzestextes klar, dass eine solche steuerbegünstigte Holdinggesellschaft auch Anteile an steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften halten kann. Die übrigen Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO (insb. die Grundsätze der Selbstlosigkeit und der Ausschließlichkeit, §§ 55, 56 AO) müssen dennoch vorliegen. Das heißt, dass die Beteiligung darauf ausgerichtet sein muss, über Gewinnausschüttungen Mittel zur Verwendung für die steuerbegünstigten Satzungszwecke zu generieren.
Ergänzt wird, dass eine Mindestbeteiligungsquote nicht erforderlich ist.
Eine Beteiligung, die nach § 57 Abs. 4 AO zur unmittelbaren Verfolgung der eigenen steuerbegünstigten Zwecke an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft gehalten und verwaltet wird, ist dem ideellen Bereich zuzuordnen, wenn die steuerbegünstigten Zwecke der gehaltenen Beteiligungsgesellschaft in den eigenen steuerbegünstigten Zwecken enthalten sind (Zweckidentität).
Die Einnahmen aus dieser Beteiligung sind dann keine Einnahmen der Vermögensverwaltung, sondern Einnahmen im ideellen Bereich und die Anteile stellen sog. nutzungsgebundenes Vermögen (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 AO) dar. Damit wird der Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel ermöglicht.
Soweit eine Holdinggesellschaft entgeltliche Leistungen, wie z. B. Buchführung, gegenüber den Kapitalgesellschaften ausführt, sind diese Leistungen grundsätzlich als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren.
Hinweis: Die bisher im Raum stehenden Fragen zu diesen Neuregelungen wurden durch das BMF weitgehend beantwortet und der Gesetzeswortlaut erweitert ausgelegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Umsetzung in der Praxis auch entsprechend durchführbar ist. Insbesondere könnten sich dann Herausforderungen ergeben, wenn einer Beteiligungsgesellschaft die Gemeinnützigkeit entzogen wird und diese daher dann nicht darauf ausgerichtet ist, Gewinnausschüttungen zu generieren.
§ 58 AO: Vereinheitlichung der Mittelweitergabe an eine andere Körperschaft oder juristische Person des öffentlichen Rechts
Nach Aufhebung des § 58 Nr. 2 AO und durch Vereinheitlichung der Weitergabe von Mitteln an eine andere Körperschaft oder eine juristischen Person des öffentlichen Rechts für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke in § 58 Nr. 1 AO, hat die Finanzverwaltung hierzu Stellung genommen.
Im AEAO zu § 58 AO erfolgt nun eine Klarstellung, wer als Mittelempfänger in Betracht kommt: Neben den gesetzlich genannten inländischen steuerbegünstigten Körperschaften und in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführten Körperschaften (beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus EU/EWR-Staaten), ergänzt das BMF-Schreiben die inländische und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Zudem sind ausländische Körperschaften, die nicht beschränkt steuerpflichtig sind, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird, und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Nicht-EU/EWR Staaten, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird, als Mittelempfänger zulässig.
Gelockert wurde der Gesetzeswortlaut für Mittelweiterleitungen an beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Nicht-EU/EWR Staaten, welche rein nach dem Gesetzeswortlaut nicht mehr als Empfängerkörperschaften in Frage gekommen wären.
Gesetzlich verankert wurde durch die Änderung im Rahmen des JStG 2020, dass es sich bei der Mittelzuwendung um eine Art der Zweckverwirklichung und nicht um einen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck handelt. Der steuerbegünstigte Zweck ist in der Satzung weiterhin separat anzugeben. Ist die einzige Art der Zweckverwirklichung die Weitergabe von Mitteln an andere Körperschaften oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, muss dies in der Satzung benannt sein (Förderkörperschaft). Es ist nicht erforderlich, die Körperschaften, an die Mittel weitergegeben werden sollen, in der Satzung aufzuführen.
Der AEAO nennt nun Beispiele, wann gemeinnützige Körperschaften die Angabe als Mittelweiterleitungskörperschaft in der Satzung zu verankern haben. Eine steuerbegünstigte Körperschaft, die einen Satzungszweck unmittelbar verfolgt und einen weiteren Satzungszweck ausschließlich durch Mittelweitergabe verwirklicht, muss sowohl die unmittelbare Zweckverfolgung als auch die Mittelweitergabe in der Satzung abbilden. Verwirklicht hingegen eine steuerbegünstigte Körperschaft einen Zweck sowohl unmittelbar als auch durch Mittelweitergabe, ist eine Satzungsklausel zur Mittelweitergabe nicht erforderlich.
Klargestellt wurde durch ein ergänzendes Beispiel, dass die Zwecke der hingebenden und empfangenden Körperschaft im Übrigen nicht identisch sein müssen. Die Neuregelung führt allerdings dazu, dass die Verwendung der Mittel für Satzungszwecke ins Zivilrecht verlagert wird. Aus vereins-, stiftungs- und spendenrechtlichen Gründen hat die zuwendende Körperschaft dennoch darauf zu achten, dass die Mittelweiterleitung satzungskonform ist. Ansonsten kann eine nicht zweckentsprechende Verwendung Rückforderungsansprüche von Spendern oder Mitgliedern auslösen.
Weiterhin bleibt bestehen, dass die Verwendung der zugewendeten Mittel i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu erfolgen hat. Wird dagegen verstoßen, liegt eine Mittelfehlverwendung bei der Empfängerkörperschaft vor. Nicht zeitnah zu verwendende Mittel der Geberkörperschaft (z. B. freie Rücklagen) unterliegen jedoch auch bei der Empfängerkörperschaft nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Durch ausdrückliche gesetzliche Nennung der Mittelweiterleitung anderer Vermögenswerte, wie die unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder unentgeltliche oder verbilligte Erbringung einer Dienstleistung, wird im AEAO aufgeführt, dass es sich um keinen Fall des § 58 Nr. 1 AO handelt, wenn das Entgelt die entstandenen Kosten übersteigt. Dann handelt es sich grundsätzlich um steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bzw. Vermögensverwaltung und diese Bereiche können nicht aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden.
Hinweis: Sehr unerfreulich bleibt, dass Mittelempfänger aus EU/EWR Staaten, die aufgrund von inländischen Einkünften, ggfs. sogar unwissentlich, als beschränkt steuerpflichtig angesehen werden, nur dann gefördert werden können, wenn sie nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG in Deutschland als gemeinnützig anerkannt wurden. Bereits aufgrund der Satzungsstrenge des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts ist es ausländischen Körperschaften praktisch unmöglich, als steuerbegünstigt anerkannt zu werden, so dass eine Mittelweiterleitung an diese Körperschaften nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung ausscheidet.
§ 58a AO: Vertrauensschutz bei Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts
Das BMF nimmt den bereits in der Gesetzesbegründung dargestellten Vertrauensschutz bei Zuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke auf. Unabhängig von § 58a AO besteht stets ein Vertrauensschutz, weil die Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist. Zuwendende dürfen darauf vertrauen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts die zugewendeten Mittel entsprechend ihrer Bestimmung für steuerbegünstigte Zwecke verwendet.
Zudem wurde klargestellt, dass für den Nachweis des geschützten Vertrauens im Sinne des § 58a Abs. 2 AO ist eine (elektronische) Kopie der in Nrn. 1 bis 3 genannten Unterlagen ausreicht.
§ 64 AO: Besteuerungsfreigrenze
Im AEAO wurde die bereits bestehende Praxis geregelt, dass die höhere Besteuerungsfreigrenze von 45.000 Euro erstmalig für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden ist.