Der Sachverhalt:
Im März 2012 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und ordnete Eigenverwaltung an. Im März 2013 erklärte die Klägerin gegenüber der Verkäuferin die Nichterfüllung des Bauträgervertrags aus Dezember 2005 gem. § 103 Abs. 2 InsO. Anschließend bat die Klägerin das Finanzamt um Erstattung der Grunderwerbsteuer.
Das Finanzamt hob den Grunderwerbsteuerbescheid "wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2" GrEStG auf und erklärte die Aufrechnung mit Steuerschulden der Klägerin wegen Lohnsteuer für die Monate Dezember 2009 bis April 2010. Den Einspruch der Klägerin wertete die Behörde als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids und stellte fest, dass das Guthaben aus der Grunderwerbsteuer durch Aufrechnung erloschen sei.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH ohne Erfolg.
Gründe:
Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig war.
Gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Der nach dieser Regelung entstehende Anspruch des Steuerpflichtigen auf Aufhebung eines bereits ergangenen Grunderwerbsteuerbescheids führt nicht zum Erlöschen des einmal wirksam entstandenen ursprünglichen Steueranspruchs. Der Anspruch nach § 16 GrEStG ist vielmehr ein weiterer (gegenläufiger), eigenständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO, der selbständig neben den Steueranspruch tritt. Es handelt sich nicht um einen Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO.
Dies hat zur Folge, dass der Anspruch aus § 16 GrEStG die Rechtmäßigkeit der für den ursprünglichen Erwerbsvorgang vorgenommenen Besteuerung unberührt lässt. Damit gewährt § 16 Abs. 1 GrEStG - ebenso wie §§ 14c Abs. 2 und 17 Abs. 2 UStG - einen eigenständigen Berichtigungsanspruch. "Rückgängig gemacht" i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Erst zu diesem Zeitpunkt entsteht materiell-rechtlich der Anspruch aus § 16 GrEStG. Dementsprechend ist der Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG auch erst zu diesem Zeitpunkt vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen.
Im vorliegenden Fall war der Erwerb der mit Bauträgervertrag aus Dezember 2005 verkauften Miteigentumsanteile erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückgängig gemacht worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG sind damit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt gewesen. Dementsprechend ist auch der Anspruch aus § 16 GrEStG materiell-rechtlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden mit der Folge, dass das Finanzamt das hier streitige Guthaben aus der Grunderwerbsteuer erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldig geworden ist.
Soweit der BFH in seinem Urteil v. 17.4.2007 - VII R 27/06, BStBl II 2009, 589 von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, hält er daran insbesondere im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung zu § 17 Abs. 2 UStG (BFH v. 25.7.2012 - VII R 29/11, BStBl II 2013, 36) und zu § 14c Abs. 2 UStG (BFH v. 8.11.2016 - VII R 34/15, BStBl II 2017, 496; Senatsbeschluss v. 25.4.2018 - VII R 18/16, BFH/NV 2018, 1289) nicht mehr fest.
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