Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind S für den Zeitraum von Januar 2002 bis Januar 2003. Der Kläger bezog Kindergeld für seine Tochter S. Er war bei der A-AG in B beschäftigt und bewohnte zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter ein in seinem Eigentum stehendes Einfamilienhaus in B. Mit Wirkung zum 1.6.2001 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber in das Land C versetzt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der A-AG wurde ruhend gestellt und der Kläger schloss mit Beginn des Auslandseinsatzes einen lokalen Arbeitsvertrag. Der Auslandseinsatz war befristet auf zwei Jahre, hätte aber in beiderseitigem Einvernehmen verlängert werden können.
Aufgrund fehlender Angaben oder Nachweise des Klägers zu Inlandsaufenthalten hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für den streitigen Zeitraum auf. Das Bestehen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sei durch den Kläger nicht nachgewiesen worden. Der Kläger macht demgegenüber geltend, Art und Dauer der Nutzung des inländischen Wohnsitzes seien nur am Rande zur Betrachtung heranzuziehen. Auch die Finanzverwaltung verlange für ein Beibehalten des Wohnsitzes in Deutschland keine Mindestaufenthaltszeiten.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Januar 2002 aufgehoben und für die Zeit bis Juni 2002 das Kindergeld zurückgefordert, da der Kläger für den streitigen Zeitraum keinen Kindergeldanspruch für seine Tochter S hat.
Für Kinder hat gem. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG derjenige einen Anspruch auf Kindergeld, der im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Der Kläger hatte während des streitigen Zeitraums keinen Wohnsitz im Inland. Nach § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend ist der objektive Zustand, nämlich das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Wohnungsinhaber diese Wohnung innehaben und benutzen wird.
Dabei kann jeder Steuerpflichtige mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze i.S.d. § 8 AO haben. Diese können im In- und/oder im Ausland gelegen sein. Nicht erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält. Dabei spricht es für die Beibehaltung eines Wohnsitzes, wenn jemand eine Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige ständig nutzt, während desselben unverändert und in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehält. Allerdings genügt es für die Annahme eines Wohnsitzes laut BFH-Rechtsprechung nicht, wenn die objektiven Wohnverhältnisse die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Dem Steuerpflichtigen muss die Wohnung grundsätzlich dadurch als Bleibe dienen, dass er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit tatsächlich benutzt. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken macht eine Wohnung nicht zum Wohnsitz i.S.d. § 8 AO.
Nicht genügend ist es daher, dass sich jemand, der dauernd und langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt, nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken in einer Wohnung im Inland aufhält. In einem solchen Fall nutzt er die Räume nicht als Bleibe und damit nicht als Wohnsitz, sondern nur besuchsweise oder als Ferienwohnung. Insbesondere bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, und daher nicht zwischenzeitliches Wohnen in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht für die Annahme aus, der Inlandswohnsitz werde aufrechterhalten. Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe.
Da selbst kurze Aufenthalte in einer inländischen Wohnung zu Besuchs- oder Urlaubszwecken mangels Wohncharakter des Aufenthalts nicht ausreichen, um einen Wohnsitz zu begründen, ist es im vorliegenden Fall als starkes Indiz gegen einen inländischen Wohnsitz zu werten, dass sich der Kläger überhaupt nicht in der Wohnung aufgehalten hat. Aus diesem Grunde kann vorliegend auch die Frage dahinstehen, ob Aufenthalte in einem vollständig eingerichteten, während eines befristeten Auslandsaufenthalts in wohnbereitem Zustand beibehaltenem Familienwohnung, grundsätzlich Aufenthalte zu Wohnzwecken sind, oder ob auch insofern für die Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht ausreichende Aufenthalte zu bloßen Besuchs-, Urlaubs- oder Berufszwecken vorliegen können. Insgesamt stellen sich die Umstände vorliegend so dar, dass der Kläger seinen Wohnsitz im inländischen Familienwohnhaus mit Beginn des Auslandsaufenthalts aufgegeben und erst mit der endgültigen Rückkehr nach Beendigung des Auslandsaufenthalts wiederbegründet hat.
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