Der Sachverhalt:
Das Finanzamt hatte beim Antragsteller im Hinblick auf seine hohen Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Außenprüfung angeordnet und verwies in der Anlage zur Prüfungsanordnung darauf, dass sich die Summe der positiven Einkünfte des Antragstellers gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 7 EStG (Überschusseinkünfte) im Jahr 2011 auf mehr als 500.000 € belaufen habe, so dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO erfüllt seien.
Gründe:
Die Rechtmäßigkeit der vom Finanzamt angeordneten Außenprüfung ist nicht ernstlich zweifelhaft und die Voraussetzungen für eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO liegen vor.
Der Antragsteller hatte im Jahr 2011 Kapitaleinkünfte i.H.v. insgesamt 1.186.038 €, die aufgrund seines Antrags auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Besteuerung zugrunde gelegt wurden. Abzüglich des gem. § 20 Abs. 9 EStG allein zu berücksichtigenden Sparer-Pauschbetrags i.H.v. 801 € liegen seine Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG somit über dem Schwellenwert des § 147a Abs. 1 S. 1 AO i.H.v. 500.000 €, so dass eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO zulässig ist.
Der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG führt dazu, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S. des § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie sind danach in die Berechnung des Schwellenwertes des § 147a Abs. 1 S. 1 AO mit einzubeziehen. Dagegen sind die tatsächlich entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auch bei einem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht zu berücksichtigen.
Ein horizontaler Verlustausgleich innerhalb der Kapitaleinkünfte kam im Streitfall nicht in Betracht, da der Antragsteller im Jahr 2011 keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG erzielt hatte. Da nach dem Wortlaut des § 147a Abs. 1 S. 1 AO für das Überschreiten des Schwellenwertes die Summe der positiven Einkünfte im Kalenderjahr maßgebend sind, können weder Verlustvorträge noch Verlustrückträge aus anderen Jahren noch vertikale Verlustverrechnungen mit anderen Einkunftsarten bei der Berechnung des Schwellenwertes nach § 147a AO berücksichtigt werden.
Das Finanzamt hatte auch sein Ermessen beim Erlass der Prüfungsanordnung fehlerfrei ausgeübt. Denn im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Nach der Auffassung des Gesetzgebers sind auch Steuerpflichtige i.S.d. § 147a AO, die Überschusseinkünfte von mehr als 500.000 € erzielen, "prüfungsrelevant". Er vermutet bei diesen Steuerpflichtigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, bei einer Außenprüfung "beachtliche" Mehrergebnisse zu erzielen.
Im Gegensatz zu dem Fall einer nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Prüfung, unter die sog. Einkunftsmillionäre vor der Einführung des § 147a AO fielen, kommt es im Fall einer Prüfungsanordnung nach § 193 Abs.1 AO nicht auf die weiteren Voraussetzungen an, ob die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßiger ist. Vielmehr hält der Gesetzgeber bei den in § 193 Abs.1 AO genannten Steuerpflichtigen - typisierend - die Außenprüfung für das geeignete Mittel, den Sachverhalt aufzuklären. Sie unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung und sind daher verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden.
Dieser gesetzlichen Vermutung stand im Streitfall auch nicht entgegen, dass es sich bei den Einkünften des Antragstellers, die zum Überschreiten der Schwellengrenze des § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a Abs. 1 S. 1 AO geführt hatten, um Kapitaleinkünfte handelt, die gem. § 43 Abs. 1 EStG dem inländischen Steuerabzug unterlagen. Denn ein konkretes Prüfungsbedürfnis ergibt sich daraus, dass die Kapitaleinkünfte aufgrund des Antrags auf Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen wurden, da dies - aufgrund der Verrechnung mit hohen negativen Einkünften - zu einer niedrigeren Einkommensteuer führte. Zudem hatte der Antragsteller gem. § 32d Abs.4 EStG die Überprüfung des Steuereinbehalts beantragt, so dass er sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, wenn er anlässlich der Anordnung einer Außenprüfung geltend macht, dass eine Überprüfung des Kapitalertragsteuerabzugs nicht erforderlich sei.
Eine andere Beurteilung ergab sich im Streitfall auch nicht aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Antragstellers. Die Gewährleistung des in § 85 AO normierten verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs.1 GG) würde beeinträchtigt, wenn sich Steuerpflichtige ab einem bestimmten Alter der Überprüfung ihrer im Besteuerungsverfahren gemachten Angaben entziehen könnten. Eine Rechtfertigung hierfür ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige, wie im Streitfall der Antragsteller, über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um einen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Zusammenhang mit der Außenprüfung zu beauftragen.
Letztlich lagen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelungen des § 147a AO sowie des insoweit ergänzten § 193 Abs. 1 AO vor.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.