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Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an Gesellschaft in Insolvenz des Gesellschafters keine unentgeltliche Leistung

BGH 13.10.2016, IX ZR 184/14

Die Aus­zah­lung ei­nes Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hens an die Ge­sell­schaft kann in der In­sol­venz des Ge­sell­schaf­ters nicht als un­ent­gelt­li­che Leis­tung des Ge­sell­schaf­ters an­ge­foch­ten wer­den. Der In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen ei­nes Ge­sell­schaf­ters, wel­cher der Ge­sell­schaft ein Dar­le­hen gewährt hat, kann dem Nach­rang­ein­wand des In­sol­venz­ver­wal­ters über das Vermögen der Ge­sell­schaft nicht den Ge­gen­ein­wand ent­ge­gen­hal­ten, die Gewährung ei­nes Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hens sei als un­ent­gelt­li­che Leis­tung an­fecht­bar.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Ver­wal­ter in dem am 1.9.2006 eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der DM-AG. Die frühere Be­klagte zu 1) war seit Ende 2002 Mehr­heits­ge­sell­schaf­te­rin der D-GmbH (Schuld­ne­rin), über de­ren Vermögen am 1.12.2009 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wurde; der Be­klagte zu 2) ist de­ren In­sol­venz­ver­wal­ter. Die DM-AG er­warb am 31.12.2003 von zwei Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaf­ten so­wie am 27.10.2004 von der früheren Be­klag­ten zu 1) Ge­sell­schafts­an­teile der Schuld­ne­rin und wurde hier­durch de­ren Mehr­heits­ge­sell­schaf­te­rin. Am 7.2.2005 über­wies die DM-AG 50.000 € und am 4.11.2005 wei­tere 30.000 € mit dem Ver­wen­dungs­zweck "Ge­sell­schaf­ter-Dar­le­hen" und "2. Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen" an die frühere Be­klagte zu 1). Diese lei­tete die Beträge je­weils ei­nige Tage nach dem Ein­gang an die Schuld­ne­rin wei­ter.

Der Kläger mel­dete mit Schrei­ben vom 4.1.2010 - ne­ben wei­te­ren An­sprüchen - eine "Dar­le­hens­for­de­rung" i.H.v. 80.000 € (Buchst. a des Ta­bel­len­aus­zu­ges), Zin­sen für den Zeit­raum vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2009 i.H.v. rd. 19.000 € (Buchst. b) so­wie Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung (Buchst. f) i.H.v. rd. 5.000 € (Buchst. f) zur Ta­belle der Schuld­ne­rin an. Der Kläger er­wei­terte die zunächst nur ge­gen die frühere Be­klagte zu 1) aus un­er­laub­ter Hand­lung so­wie aus Ver­trag er­ho­bene Klage am 29.1.2009 auf die Schuld­ne­rin. Nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens über de­ren Vermögen nahm der Be­klagte zu 2) den Rechts­streit auf. Die Par­teien strei­ten im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch über die Frage, ob die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten For­de­run­gen als nicht nach­ran­gige In­sol­venz­for­de­run­gen fest­zu­stel­len sind; einen hilfs­weise gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Fest­stel­lung als nach­ran­gige In­sol­venz­for­de­run­gen er­kannte der Be­klagte zu 2) im Rechts­streit an.

Der Kläger be­haup­tet, die von der DM-AG der früheren Be­klag­ten zu 1) über­wie­se­nen Beträge hätten der Aus­zah­lung von Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen an die Schuld­ne­rin ge­dient. Diese seien nicht nach­ran­gig, weil die Vor­aus­set­zun­gen des Sa­nie­rungs­pri­vi­legs des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO vorlägen. Die Schuld­ne­rin sei im Zeit­punkt des Er­werbs der Ge­schäfts­an­teile dro­hend zah­lungs­unfähig ge­we­sen und die Dar­le­hen hätten der Auf­recht­er­hal­tung des Ge­schäfts­be­triebs ge­dient. Die Dar­le­hen seien je­den­falls un­ent­gelt­lich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO gewährt wor­den, so dass sie der Ein­rede der An­fecht­bar­keit (§ 146 Abs. 2 InsO) un­terlägen. Die DM-AG habe sie in der Krise der Schuld­ne­rin gewährt. Der Be­klagte zu 2) er­hob die Ein­rede der Verjährung.

Das LG er­ließ hin­sicht­lich des mit dem Hilfs­an­trag ver­folg­ten An­spruchs ein An­er­kennt­nis­ur­teil und wies die Klage im Übri­gen ab. Das OLG wies die Be­ru­fung des Klägers zurück. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die For­de­run­gen des Klägers auf Fest­stel­lung von Rück­zah­lungs­an­sprüchen der DM-AG aus der Gewährung von Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen nebst Zin­sen und Kos­ten sind nach­ran­gige For­de­run­gen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n.F. Der Kläger kann die­sem Ein­wand die Ge­gen­ein­rede aus § 146 Abs. 2 InsO nicht ent­ge­gen­hal­ten, weil die Aus­zah­lung der Dar­le­hens­beträge keine un­ent­gelt­li­che Leis­tung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO dar­stellt und des­halb nicht an­fecht­bar ist.

Zum früheren Ei­gen­ka­pi­ta­ler­satz­recht hat der BGH die Un­ent­gelt­lich­keit der Gewährung und des Ste­hen­las­sens von Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen nach § 134 Abs. 1 InsO be­jaht, wenn die Leis­tung oder das Ste­hen­las­sen des Dar­le­hens in der Krise der Ge­sell­schaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG, also zu einem Zeit­punkt er­folgte, in dem die Ge­sell­schaf­ter ihr als or­dent­li­che Kauf­leute Ei­gen­ka­pi­tal zu­geführt hätten. Der durch die Über­las­sung ka­pi­ta­ler­set­zen­der Mit­tel be­wirkte Rangrück­tritt des An­spruchs auf Rück­zah­lung, der in der In­sol­venz in al­ler Re­gel des­sen wirt­schaft­li­che Wert­lo­sig­keit zur Folge habe, werde ohne aus­glei­chende Ge­gen­leis­tung der Ge­sell­schaft gewährt. Diese Rechts­grundsätze können auf das hier an­wend­bare neue Recht nicht über­tra­gen wer­den. Auf eine Gewährung oder das Ste­hen­las­sen ei­nes Dar­le­hens in der Krise der Ge­sell­schaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG aF kann für die nach neuem Recht zu be­ur­tei­len­den Fälle auf­grund der Auf­gabe des Merk­mals "ka­pi­ta­ler­set­zend" und der nun vor­aus­set­zungs­lo­sen An­ord­nung des Nach­rangs für alle An­sprüche aus Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen und For­de­run­gen aus Rechts­hand­lun­gen, die einem sol­chen Dar­le­hen wirt­schaft­lich ent­spre­chen, nicht mehr ab­ge­stellt wer­den.

An die Stelle der Krise ist eine an starre Fris­ten anknüpfende Re­ge­lung ge­tre­ten. Ei­ner Fortführung der zur früheren Rechts­lage er­gan­ge­nen Recht­spre­chung fehlte an­ge­sichts der ausdrück­li­chen Auf­gabe der Recht­spre­chungs­re­geln durch § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG und der Strei­chung der §§ 32a, 32b GmbHG in der ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung die Grund­lage. Ent­ge­gen dem ausdrück­li­chen ge­setz­ge­be­ri­schen Wil­len, das Recht des Ei­gen­ka­pi­ta­ler­sat­zes neu zu re­geln oder so­gar ab­zu­schaf­fen, müsste die be­ste­hende Recht­spre­chung be­schränkt auf den Fall der Dop­pe­lin­sol­venz von Ge­sell­schaft und Ge­sell­schaf­ter fort­geführt wer­den. Auch für eine Er­set­zung des Kri­sen­be­griffs durch die Rechts­be­griffe der (dro­hen­den) Zah­lungs­unfähig­keit und Über­schul­dung (§§ 17 bis 19 InsO) ist kein Raum. Auch das liefe dem ge­setz­li­chen Re­ge­lungs­kon­zept des Mo­MiG zu­wi­der.

Zum früheren Ei­gen­ka­pi­ta­ler­satz­recht hatte der BGH dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es eine un­ein­ge­schränkte Be­vor­zu­gung der Gläubi­ger der Ge­sell­schaft vor den Gläubi­gern des Ge­sell­schaf­ters be­deu­tete, wenn der Durch­set­zungs­sperre des Ei­gen­ka­pi­ta­ler­satz­rechts in der Dop­pe­lin­sol­venz der Vor­rang ein­geräumt werde. Die Masse der Ge­sell­schaft würde zum Nach­teil der Masse des Ge­sell­schaf­ters un­zulässig begüns­tigt. Da die Ge­sell­schaft das Ri­siko tra­gen müsse, dass der Ge­sell­schaf­ter in­sol­vent werde und kein (wei­te­res) Ei­gen­ka­pi­tal für die Ge­sell­schaft mehr auf­brin­gen könne, sei es nur fol­ge­rich­tig, dass die in der Krise ste­hen­ge­las­sene Ge­sell­schaf­ter­leis­tung als an­fecht­bare Leis­tung zurück­gewährt werde.

Diese Wer­tung kann nach Auf­gabe des Be­griffs der Krise und des da­mit auf­ge­ge­be­nen Anknüpfungs­punkts an die wirt­schaft­li­che Lage der Ge­sell­schaft nicht auf die neue Rechts­lage über­tra­gen wer­den. In der Dop­pe­lin­sol­venz von Ge­sell­schaf­ter und Ge­sell­schaft ver­wirk­licht sich das Ri­siko der Gläubi­ger des Ge­sell­schaf­ters, im Falle ei­ner In­sol­venz nicht vollständig be­frie­digt zu wer­den. Die­ses Ri­siko kann auch aus ei­ner wirt­schaft­li­chen Betäti­gung in Form der Be­tei­li­gung an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft herrühren. Hierzu gehören glei­chermaßen die Zuführung (wei­te­ren) haf­ten­den Ei­gen­ka­pi­tals wie die ge­schäftsübli­che Hin­gabe von Fremd­ka­pi­tal in Form ei­nes Dar­le­hens. Auf­grund der nun­mehr kri­sen­un­abhängi­gen An­ord­nung des Nach­rangs durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist dies zwar mit einem ge­genüber dem früheren Rechts­zu­stand erhöhten Aus­fall­ri­siko be­haf­tet. Dies bie­tet je­doch keine Recht­fer­ti­gung dafür, die Gewährung von Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen aus Sicht der Ge­sell­schaf­tergläubi­ger als un­ent­gelt­li­che Leis­tung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO an­zu­se­hen.

Link­hin­weis:

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