Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.9.2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der DM-AG. Die frühere Beklagte zu 1) war seit Ende 2002 Mehrheitsgesellschafterin der D-GmbH (Schuldnerin), über deren Vermögen am 1.12.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde; der Beklagte zu 2) ist deren Insolvenzverwalter. Die DM-AG erwarb am 31.12.2003 von zwei Beteiligungsgesellschaften sowie am 27.10.2004 von der früheren Beklagten zu 1) Gesellschaftsanteile der Schuldnerin und wurde hierdurch deren Mehrheitsgesellschafterin. Am 7.2.2005 überwies die DM-AG 50.000 € und am 4.11.2005 weitere 30.000 € mit dem Verwendungszweck "Gesellschafter-Darlehen" und "2. Gesellschafterdarlehen" an die frühere Beklagte zu 1). Diese leitete die Beträge jeweils einige Tage nach dem Eingang an die Schuldnerin weiter.
Der Kläger behauptet, die von der DM-AG der früheren Beklagten zu 1) überwiesenen Beträge hätten der Auszahlung von Gesellschafterdarlehen an die Schuldnerin gedient. Diese seien nicht nachrangig, weil die Voraussetzungen des Sanierungsprivilegs des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO vorlägen. Die Schuldnerin sei im Zeitpunkt des Erwerbs der Geschäftsanteile drohend zahlungsunfähig gewesen und die Darlehen hätten der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gedient. Die Darlehen seien jedenfalls unentgeltlich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO gewährt worden, so dass sie der Einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO) unterlägen. Die DM-AG habe sie in der Krise der Schuldnerin gewährt. Der Beklagte zu 2) erhob die Einrede der Verjährung.
Das LG erließ hinsichtlich des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs ein Anerkenntnisurteil und wies die Klage im Übrigen ab. Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Forderungen des Klägers auf Feststellung von Rückzahlungsansprüchen der DM-AG aus der Gewährung von Gesellschafterdarlehen nebst Zinsen und Kosten sind nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n.F. Der Kläger kann diesem Einwand die Gegeneinrede aus § 146 Abs. 2 InsO nicht entgegenhalten, weil die Auszahlung der Darlehensbeträge keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO darstellt und deshalb nicht anfechtbar ist.
Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht hat der BGH die Unentgeltlichkeit der Gewährung und des Stehenlassens von Gesellschafterdarlehen nach § 134 Abs. 1 InsO bejaht, wenn die Leistung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG, also zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die Gesellschafter ihr als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Der durch die Überlassung kapitalersetzender Mittel bewirkte Rangrücktritt des Anspruchs auf Rückzahlung, der in der Insolvenz in aller Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge habe, werde ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt. Diese Rechtsgrundsätze können auf das hier anwendbare neue Recht nicht übertragen werden. Auf eine Gewährung oder das Stehenlassen eines Darlehens in der Krise der Gesellschaft i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG aF kann für die nach neuem Recht zu beurteilenden Fälle aufgrund der Aufgabe des Merkmals "kapitalersetzend" und der nun voraussetzungslosen Anordnung des Nachrangs für alle Ansprüche aus Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht mehr abgestellt werden.
An die Stelle der Krise ist eine an starre Fristen anknüpfende Regelung getreten. Einer Fortführung der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung fehlte angesichts der ausdrücklichen Aufgabe der Rechtsprechungsregeln durch § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG und der Streichung der §§ 32a, 32b GmbHG in der gesetzlichen Neuregelung die Grundlage. Entgegen dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, das Recht des Eigenkapitalersatzes neu zu regeln oder sogar abzuschaffen, müsste die bestehende Rechtsprechung beschränkt auf den Fall der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter fortgeführt werden. Auch für eine Ersetzung des Krisenbegriffs durch die Rechtsbegriffe der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§§ 17 bis 19 InsO) ist kein Raum. Auch das liefe dem gesetzlichen Regelungskonzept des MoMiG zuwider.
Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht hatte der BGH darauf hingewiesen, dass es eine uneingeschränkte Bevorzugung der Gläubiger der Gesellschaft vor den Gläubigern des Gesellschafters bedeutete, wenn der Durchsetzungssperre des Eigenkapitalersatzrechts in der Doppelinsolvenz der Vorrang eingeräumt werde. Die Masse der Gesellschaft würde zum Nachteil der Masse des Gesellschafters unzulässig begünstigt. Da die Gesellschaft das Risiko tragen müsse, dass der Gesellschafter insolvent werde und kein (weiteres) Eigenkapital für die Gesellschaft mehr aufbringen könne, sei es nur folgerichtig, dass die in der Krise stehengelassene Gesellschafterleistung als anfechtbare Leistung zurückgewährt werde.
Diese Wertung kann nach Aufgabe des Begriffs der Krise und des damit aufgegebenen Anknüpfungspunkts an die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nicht auf die neue Rechtslage übertragen werden. In der Doppelinsolvenz von Gesellschafter und Gesellschaft verwirklicht sich das Risiko der Gläubiger des Gesellschafters, im Falle einer Insolvenz nicht vollständig befriedigt zu werden. Dieses Risiko kann auch aus einer wirtschaftlichen Betätigung in Form der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft herrühren. Hierzu gehören gleichermaßen die Zuführung (weiteren) haftenden Eigenkapitals wie die geschäftsübliche Hingabe von Fremdkapital in Form eines Darlehens. Aufgrund der nunmehr krisenunabhängigen Anordnung des Nachrangs durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist dies zwar mit einem gegenüber dem früheren Rechtszustand erhöhten Ausfallrisiko behaftet. Dies bietet jedoch keine Rechtfertigung dafür, die Gewährung von Gesellschafterdarlehen aus Sicht der Gesellschaftergläubiger als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO anzusehen.
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