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Bank zur Zahlung negativer Zinsen bei Darlehensvertrag verpflichtet

LG Düsseldorf v. 11.3.2020 - 13 O 322/18

Letzt­lich ist es für eine Zah­lungs­pflicht von Ne­ga­tiv­zins im Dar­le­hen nicht von Be­deu­tung, ob sich die Bank tatsäch­lich fris­ten­kon­gru­ent fi­nan­ziert hat oder nicht. Denn die Aus­le­gung von AGBs hat sich nach dem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn der in Rede ste­hen­den Klau­sel ein­heit­lich da­nach zu rich­ten, wie ihr Wort­laut von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der re­gelmäßig be­tei­lig­ten Ver­kehrs­kreise ver­stan­den wird.

Der Sach­ver­halt:
Die UBS In­vest­ment Bank hatte als Ar­ran­geu­rin für das kla­gende Land ein Schuld­schein­dar­le­hen über 100 Mio. € no­mi­nal plat­ziert. Mit Te­le­fax vom 1.3.2007 bestätigte die Be­klagte ge­genüber UBS das Ge­schäft. Am 2.3.2007 teilte die UBS der Be­klag­ten die Kon­to­da­ten der Kläge­rin für die Über­wei­sung der Dar­le­hens­va­luta mit. Nach Gut­schrift des Dar­le­hens­be­tra­ges auf die­sem Konto wurde der Schuld­schein über 100 Mio. € am 26.3.2007 an die Be­klagte über­sandt. Vor Ver­trags­schluss hat­ten keine di­rek­ten Ge­spräche oder gar Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Par­teien statt­ge­fun­den. Am 25.4.2007 un­ter­teil­ten die Par­teien die­ses Schuld­schein­dar­le­hen auf Wunsch der Be­klag­ten in fünf Schuld­schein­dar­le­hen über je­weils 20 Mio. € no­mi­nal. Als Rück­zah­lungs­ter­min wurde der 8.3.2017 fest­ge­setzt.

Als No­mi­nal­zins wurde fol­gende Zinsklau­sel ver­ein­bart: "Das Dar­le­hen ist, [...], wie folgt jähr­lich zu ver­zin­sen: No­mi­nal­zins 3-Mo­nats-Eu­ri­bor + 0,1175 %". Die 0,1175 % p.a. stel­len da­bei die Marge der Be­klag­ten dar. Ge­spräche oder Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Par­teien gab es vor Ver­trags­schluss nicht. Viel­mehr wur­den die Dar­le­hen über eine wei­tere Bank ar­ran­giert. Eine Re­ge­lung, wel­che der Par­teien den sich aus der Zins­for­mel er­ge­ben­den Zins zu zah­len hat, wurde nicht ge­trof­fen. Auch wurde keine Zins­un­ter­grenze (Floor) ver­ein­bart, viel­mehr le­dig­lich eine Zins­ober­grenze (Cap) von 5 %.

Am 21.4.2015 wurde der 3-Mo­nats-Eu­ri­bor erst­mals ne­ga­tiv und mit mi­nus 0,001 % er­mit­telt. Seit­dem hat sich der 3-Mo­nats-Eu­ri­bor wei­ter ne­ga­tiv ent­wi­ckelt. Dem­ent­spre­chend hatte der Kläger ge­genüber der Be­klag­ten z.B. für den 8.3.2016 fol­gende Zins­kon­di­tio­nen fest­ge­legt: "Ba­sis­satz: 3-Mo­nats-Eu­ri­bor (-0,215 %) Ver­zin­sungs­for­mel: 3-M-E+0,1175%, Zins­satz: -0,0975 %". Ver­gleich­bare Zins­ab­rech­nun­gen er­folg­ten zu den übri­gen Fest­stel­lungs­ta­gen.

Die Be­klagte lehnte es mit Schrei­ben vom 17.3.2016 ab, den ge­for­der­ten Zins von -0,0975 % an den Kläger zu zah­len. So­mit er­gab sich ab dem 8.3.2016 auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Zins­auf­schla­ges rech­ne­ri­sch ein ne­ga­ti­ver Zins­satz, der bis zum Lauf­zei­tende den ein­ge­klag­ten Be­trag i.H.v. 158.107,75 € auf­wies.

Das LG Düssel­dorf gab der Klage auf Zah­lung von "Ne­ga­tiv­zin­sen" statt.

Die Gründe:
Die Zins­gleit­klau­seln sind wirk­sam und da­hin aus­zu­le­gen, dass die Be­klagte ggf. ent­ste­hende Ne­ga­tiv­zin­sen an das kla­gende Land zu zah­len hat.

Zwar han­delt es sich bei den in Rede ste­hen­den Zins­gleit­klau­seln um All­ge­meine Ge­schäfts­be­din­gun­gen. Die Zins­gleit­klau­seln un­ter­lie­gen je­doch nicht der AGB-recht­li­chen In­halts­kon­trolle. Denn sie ent­hal­ten eine gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Klau­sel­kon­trolle nicht un­ter­lie­gende Preis­re­ge­lung der Par­teien. Die der In­halts­kon­trolle ent­zo­gene Be­stim­mung über den Preis für die Gewährung des Dar­le­hens i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ist nach ständi­ger BGH-Recht­spre­chung der gem. § 488 Abs. 1 S.2 BGB zu zah­lende Zins; dies gilt, wie die sys­te­ma­ti­sche Ein­ord­nung des § 488 BGB als all­ge­meine Vor­schrift des Dar­le­hens­rechts zeigt, in glei­cher Weise für Ver­brau­cher wie für Un­ter­neh­mer­dar­le­hen.

Selbst wenn eine AGB-In­halts­kon­trolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch­zuführen wäre, hal­ten die übli­chen Zins­gleit­klau­seln ihr stand. Sie wer­den den we­sent­li­chen An­for­de­run­gen der BGH-Recht­spre­chung an (un­zwei­fel­haft der In­halts­kon­trolle un­ter­wor­fene) Zinsan­pas­sungs­klau­seln kon­struk­ti­ons­be­dingt au­to­ma­ti­sch ge­recht, weil sie Schwan­kun­gen des Re­fe­renz­zins­sat­zes nach oben wie nach un­ten au­to­ma­ti­sch wei­ter­ge­ben und da­mit das ver­trag­li­che Äqui­va­lenz­verhält­nis grundsätz­lich wah­ren. An­ders liegt es al­len­falls, so­fern der gewählte Re­fe­renz­zins­satz die Re­fi­nan­zie­rungs­kos­ten des Dar­le­hens­ge­bers nicht hin­rei­chend ab­bil­det. Die vor­lie­gen­den Zins­gleit­klau­seln bil­den die Re­fi­nan­zie­rungs­kos­ten an­ge­spro­che­ner Dar­le­hens­ge­ber mit dem gewähl­ten Re­fe­renz­zins­satz ty­pi­scher­weise hin­rei­chend ab und ge­ben seine Schwan­kun­gen au­to­ma­ti­sch an beide Ver­trags­par­teien wei­ter, wo­bei auch im Falle von Ne­ga­tiv­zin­sen das Äqui­va­lenz­verhält­nis ty­pi­scher­weise ge­wahrt bleibt

Die Höhe des Zin­ses ändert nichts an der In­ter­es­sen­lage der Par­teien an der Auf­nahme der Mit­tel bzw. de­ren Zur-Verfügung-Stel­lung. Die Mit­tel­aus­lei­hung dient aus Sicht der Ka­pi­tal­ge­ber in der Re­gel auch der Ge­winn­er­zie­lung, da sie sich im Zwei­fel noch güns­ti­ger re­fi­nan­zie­ren lässt. Aus Sicht des Dar­le­hens­ge­bers ist ein Dar­le­hen mit ne­ga­ti­vem Zins da­her trotz­dem ei­gennützig und dient der Ein­nah­me­er­zie­lung, wenn er sich selbst zu einem Zins­satz re­fi­nan­ziert, der so­gar noch un­ter dem ne­ga­ti­ven Ver­trags­zins liegt. Ent­schei­dend für die Ent­gelt­lich­keit ei­nes Dar­le­hens sind da­her die re­la­ti­ven Be­din­gun­gen der Mit­tel­auf­nahme.

Letzt­lich ist es für eine Zah­lungs­pflicht von Ne­ga­tiv­zins im Dar­le­hen nicht von Be­deu­tung, ob sich die Bank tatsäch­lich fris­ten­kon­gru­ent fi­nan­ziert hat oder nicht. Denn die Aus­le­gung von AGBs hat sich nach dem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn der in Rede ste­hen­den Klau­sel ein­heit­lich da­nach zu rich­ten, wie ihr Wort­laut von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der re­gelmäßig be­tei­lig­ten Ver­kehrs­kreise ver­stan­den wird. Der Wort­laut der Zins­gleit­klau­seln steht "Ne­ga­tiv­zin­sen" nicht ent­ge­gen. Er sieht le­dig­lich vor, dass die Dar­le­hens­va­luta zu ver­zin­sen ist. Die Rich­tung des Zins­zah­lungs­stroms ist hin­ge­gen nicht fest­ge­legt.

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