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Rechtsberatung

Beendigung Handelsvertretervertrag während Probezeit: Ausgleichsansprüche

EuGH 19.4.2018, C-645/16

Han­dels­ver­tre­tern ste­hen die vor­ge­se­he­nen Aus­gleichs- und Scha­dens­er­satz­an­sprüche auch dann zu, wenn der Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag während der Pro­be­zeit be­en­det wird. Die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis wird durch das Ziel der Richt­li­nie bestätigt, das u.a. im Schutz des Han­dels­ver­tre­ters in sei­ner Be­zie­hung zum Un­ter­neh­mer be­steht.

Der Sach­ver­halt:
Im Jahr 2011 schloss die Ge­sell­schaft DTT mit der Ge­sell­schaft CMR einen Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag über den Ver­kauf von 25 Ein­fa­mi­li­enhäusern pro Jahr durch CMR für Rech­nung von DTT. Der Ver­trag sah eine Pro­be­zeit von zwölf Mo­na­ten vor, in­ner­halb de­ren jede Par­tei das Recht hatte, ihn mit ei­ner be­stimm­ten Frist zu kündi­gen. Etwa sechs Mo­nate nach Ab­schluss des Ver­trags kündigte DTT ihn, weil CMR in­ner­halb von fünf Mo­na­ten nur einen ein­zi­gen Ver­kauf getätigt und da­mit das ver­trag­lich ver­ein­barte Ziel nicht ein­ge­hal­ten hatte. CMR ver­langt von DTT die Zah­lung ei­nes Aus­gleichs zum Er­satz des mit der Be­en­di­gung des Han­dels­ver­tre­ter­ver­trags ver­bun­de­nen Scha­dens.

Nach der Richt­li­nie 86/653/EWG hat der Han­dels­ver­tre­ter nach Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses An­spruch auf einen Aus­gleich oder auf Scha­dens­er­satz. Der Han­dels­ver­tre­ter (im vor­lie­gen­den Fall CMR) hat An­spruch auf Er­satz des ihm durch die Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses mit dem Un­ter­neh­mer (im vor­lie­gen­den Fall DTT) ent­stan­de­nen Scha­dens, wenn er da­durch 1. Pro­vi­si­ons­an­sprüche ver­liert, die ihm bei nor­ma­ler Fort­set­zung des Ver­trags zu­ge­stan­den hätten und de­ren Nicht­zah­lung dem Un­ter­neh­mer einen we­sent­li­chen Vor­teil ver­schaf­fen würde, und/oder 2. Kos­ten und Auf­wen­dun­gen nicht amor­ti­sie­ren kann, die er in Ausführung des Ver­trags auf Emp­feh­lung des Un­ter­neh­mers ge­macht hatte.

Der Han­dels­ver­tre­ter hat An­spruch auf einen Aus­gleich, wenn 1. er für den Un­ter­neh­mer neue Kun­den ge­wor­ben oder die Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen mit vor­han­de­nen Kun­den we­sent­lich er­wei­tert hat und der Un­ter­neh­mer aus den Ge­schäften mit die­sen Kun­den noch er­heb­li­che Vor­teile zieht und 2. die Zah­lung ei­nes sol­chen Aus­gleichs un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände, ins­be­son­dere der dem Han­dels­ver­tre­ter aus Ge­schäften mit die­sen Kun­den ent­ge­hen­den Pro­vi­sio­nen, der Bil­lig­keit ent­spricht.

Der mit dem Rechts­streit zwi­schen CMR und DTT be­fasste Kas­sa­ti­ons­ge­richts­hof in Frank­reich möchte vom EuGH wis­sen, ob der Ar­ti­kel der Richt­li­nie, der den Aus­gleichs- oder Scha­dens­er­satz­an­spruch vor­sieht, auch dann an­wend­bar ist, wenn der Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag während der Pro­be­zeit be­en­det wird, wo­bei diese in der Richt­li­nie nicht erwähnt wird.

Die Gründe:
Die in der Richt­li­nie nicht ge­re­gelte Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit fällt un­ter die Ver­trags­frei­heit und ist nach der Richt­li­nie nicht per se ver­bo­ten.

Der Wort­laut der Richt­li­nie ist so aus­zu­le­gen, dass die in der Richt­li­nie vor­ge­se­hene Aus­gleichs- und Scha­dens­er­satz­re­ge­lung keine Sank­tion für die Ver­trags­auflösung sein soll, son­dern den Han­dels­ver­tre­ter für die von ihm er­brach­ten Leis­tun­gen, aus de­nen der Un­ter­neh­mer über die Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses hin­aus Vor­teile zieht, oder für die Kos­ten und Auf­wen­dun­gen, die ihm für diese Leis­tun­gen ent­stan­den sind, ent­schädi­gen soll. Da­her darf dem Han­dels­ver­tre­ter der Aus­gleich oder Scha­dens­er­satz, wenn die in der Richt­li­nie ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, nicht al­lein des­halb ver­sagt wer­den, weil die Be­en­di­gung des Han­dels­ver­tre­ter­ver­trags während der Pro­be­zeit ein­ge­tre­ten ist. Folg­lich be­steht der An­spruch auf Aus­gleich und auf Er­satz des er­lit­te­nen Scha­dens auch dann, wenn die Be­en­di­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses zwi­schen dem Un­ter­neh­mer und dem Han­dels­ver­tre­ter während der Pro­be­zeit ein­tritt.

Die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis wird durch das Ziel der Richt­li­nie bestätigt, das u.a. im Schutz des Han­dels­ver­tre­ters in sei­ner Be­zie­hung zum Un­ter­neh­mer be­steht; in An­be­tracht des­sen ist jede Aus­le­gung der Richt­li­nie, die sich für den Han­dels­ver­tre­ter als nach­tei­lig er­wei­sen könnte, aus­ge­schlos­sen. Würde man die Gewährung ei­ner Ent­schädi­gung ohne Berück­sich­ti­gung der Leis­tung des Han­dels­ver­tre­ters oder der ihm ent­stan­de­nen Kos­ten und Auf­wen­dun­gen von der Ver­ein­ba­rung oder Nicht­ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit im Han­dels­ver­tre­ter­ver­trag abhängig ma­chen, würde er be­nach­tei­ligt, weil ihm jeg­li­che Ent­schädi­gung nur des­halb ver­sagt würde, weil sein Ver­trag mit dem Un­ter­neh­mer eine Pro­be­zeit enthält.

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