Mit Urteil vom 01.12.2021 (Az. II R 18/20, DStR 2022, S. 1372) bestätigt der BFH einmal mehr die enge Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift für das Familienheim. Im Streitfall war die Erbin aufgrund ihres Gesundheitszustands und aufgrund von Gebäudemängeln aus dem Familienheim ausgezogen und hatte es abreißen lassen, da ihr eine alleinige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim persönlich und wirtschaftlich unzumutbar erschien. Laut BFH reichen allerdings persönliche oder wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen als „zwingende Gründe“ für die Ausnahme vom Wegfall der Steuerbefreiung und damit der Nachversteuerung nicht aus. Vielmehr müsste dem Erwerber aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims nicht mehr zuzumuten sein. Zu berücksichtigende Hinderungsgründe müssten sich laut BFH auf die selbstständige Haushaltsführung im erworbenen Familienheim (ggf. unter Inanspruchnahme externer Hilfe- und Pflegeleistungen) beziehen und nicht darauf, ob womöglich andernorts eine selbstständige Haushaltsführung (noch) möglich wäre.
Für den BFH stand nicht fest, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Erbin einen objektiv zwingenden Grund für die Beendigung der Selbstnutzung des Familienheims darstellten, weshalb er die Sache an die Vorinstanz, das FG Düsseldorf, zurückverwies.
Hinweis: Zu einem entsprechenden Ergebnis kam der BFH zudem im Fall des Erwerbs des Familienheims durch den überlebenden Ehegatten. Auch hier ist für die Steuerunschädlichkeit der Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums entscheidend, ob die weitere Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich oder unzumutbar ist (BFH-Urteil vom 01.12.2021, Az. II R 1/21).
Zudem ist die Finanzverwaltung mit gleichlautenden Ländererlassen vom 09.02.2022 (Az. S 3812, DStR 2022, S. 724) auf den Sonderfall der Verhinderung der Selbstnutzung durch höhere Gewalt eingegangen (vgl. novus Juni 2022, S. 20).