Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte u.a. gewerbliche Einkünfte. In seiner Bilanz zum 30.6.2005 bildete er einen Sonderposten mit Rücklageanteil, den er steuerlich als Rücklage nach § 6b EStG berücksichtigte. Im Bilanzbericht zum 30.6.2009 wurde erläutert, dass mit der Investition, auf die die Rücklage zu übertragen sei, im Wirtschaftsjahr 2008/2009 begonnen worden sei. Aus diesem Grunde löste der Kläger die § 6b Rücklage zum 30.6.2009 nicht auf, sondern behielt sie in Höhe des ursprünglichen Betrags bei.
Die Rücklage wurde auf ein in einem späteren Jahr fertig gestelltes Betriebsgebäude übertragen. Für dieses Bauvorhaben beauftragte der Kläger nach dem 6.7.2010 einen Statiker. Der Bauantrag wurde vom Architekten am 15.6.2010 gezeichnet; der Kläger reichte ihn am 22.6.2010 bei der Baubehörde ein. Der Architekt stellte am 20.7.2010 insgesamt 192 Arbeitsstunden für die Zeit vom 19.5.2009 bis zum 30.6.2010 in Rechnung. Davon betrafen 66,5 Stunden die Vor- und Entwurfsplanung in der Zeit bis zum 30.6.2009. Der Kläger erklärte, er sei bereits im Frühjahr 2009 zu dem Ergebnis gekommen, ein neues Betriebsgebäude zu benötigen. Nach internen Vorbesprechungen habe er dem Architekten am 14.5.2009 mündlich den Planungsauftrag erteilt.
Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass die § 6b Rücklage nicht auf das Gebäude übertragen werden könne, da der Bauantrag nicht zum Ende der vierjährigen Investitionsfrist am 30.6. 2009 eingereicht worden sei. Somit sei mit der Herstellung zu diesem Zeitpunkt nicht begonnen worden. Die Investitionsfrist könne deshalb nicht über diesen Bilanzstichtag hinaus verlängert werden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die zum 30.6.2005 gem. § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Reinvestitionsrücklage nach Ablauf des vierjährigen Investitionszeitraums des § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG aufzulösen war, da zu diesem Zeitpunkt mit der Herstellung eines neuen Gebäudes noch nicht begonnen worden war. Denn die bis zum 30.6.2009 vom Kläger ergriffenen Maßnahmen reichten nicht aus, um den für eine Verlängerung des Investitionszeitraums auf sechs Jahre nötigen Beginn der Herstellung ausreichend zu dokumentieren.
Der Herstellungsbeginn ist anzunehmen, wenn das konkrete Investitionsvorhaben "ins Werk gesetzt" wurde. Dieser Zeitpunkt kann vor den eigentlichen Bauarbeiten liegen. Ein sicheres Indiz für einen Herstellungsbeginn ist die Stellung des Bauantrags, es sei denn, das hergestellte Gebäude stimmt nicht mit dem genehmigten Gebäude überein, was sich schon aus dem Wortlaut des § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG ergibt. Das "Ins-Werk-Setzen" und damit der Beginn der Herstellung im Zusammenhang mit § 6b EStG muss aber nicht zwingend mit der Stellung eines Bauantrags verbunden sein. Auch Handlungen in dessen Vorfeld können ausreichen. Allerdings genügt es im Rahmen des § 6b EStG nicht, dass (erste) Herstellungskosten im Zusammenhang mit dem späteren Objekt entstehen, die zu aktivieren sind. Denn die Begriffe "Herstellungskosten i.S.d. § 6 EStG" und "Herstellungsbeginn i.S.d. § 6b EStG" sind nicht deckungsgleich; sie verfolgen unterschiedliche Ziele.
Während der Begriff der Herstellungskosten die Abgrenzung zwischen aktivierungspflichtigen Aufwendungen einerseits (die sich nur im Umfang der jährlichen Absetzungen für Abnutzung gewinnmindernd auswirken) und laufenden (allgemeinen) Betriebsausgaben andererseits betrifft, dient die Regelung über den "Beginn der Herstellung" in § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG dazu, die Regel-Investitionsfrist von vier Jahren auf sechs Jahre zu verlängern. Dafür bedarf es einer konkreten und (objektiv) nachvollziehbaren Investitionsentscheidung, die mit der Formel "ins Werk gesetzt" umschrieben wird. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hatte der Kläger zum 30.6.2009 trotz erster Maßnahmen noch kein konkretes Objekt geplant. Die Reinvestitionsrücklage war somit zum 30.6.2009 gem. § 6b Abs. 3 Satz 4 EStG gewinnerhöhend aufzulösen.
Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen wird, ist gem. § 6b Abs. 7 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagebetrags zu erhöhen. Dieser Gewinnzuschlag war im Streitfall für den Zeitraum vom 30.6.2005 bis zum 30.6.2009, in dem die Rücklage bestand, zu bilden. Die Höhe des Zuschlags ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da vorliegend die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten wurden.
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