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Leistungen

Beitragspflicht für Pflichtmitglieder der IHK rechtmäßig

BVerfG 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u.a.

Die an die Pflicht­mit­glied­schaft in In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern ge­bun­dene Bei­trags­pflicht ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

Der Sach­ver­halt:
Die In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern (IHK) sind als Körper­schaf­ten des öff­ent­li­chen Rechts or­ga­ni­siert, an die die Kam­mer­mit­glie­der Beiträge zah­len müssen. Pflicht­mit­glied ist, wer im Be­zirk der je­weils re­gio­nal zuständi­gen In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer einen Ge­wer­be­be­trieb be­treibt. Auch die bei­den Be­schwer­deführe­rin­nen wur­den zu einem Kam­mer­bei­trag her­an­ge­zo­gen und ha­ben ge­gen die Bei­trags­be­scheide er­folg­los ge­klagt. Mit ih­ren Ver­fas­sungs­be­schwer­den wen­den sie sich ge­gen die Bei­trags­be­scheide und ge­gen die Be­stim­mun­gen des Ge­set­zes über die In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer (IHKG) zur Pflicht­mit­glied­schaft. Diese ver­letze sie in ih­ren Rech­ten aus Art. 9 Abs. 1 GG, je­den­falls aber aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­den hat­ten vor dem BVerfG kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Prüfungsmaßstab für den Schutz vor Pflicht­mit­glied­schaf­ten in "unnöti­gen" Körper­schaf­ten er­gibt sich aus dem Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit (Art. 2 Abs. 1 GG), nicht aus dem Grund­recht der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit (Art. 9 Abs. 1 GG). Denn Art. 9 Abs. 1 GG zielt auf frei­wil­lige Zu­sam­men­schlüsse zu frei gewähl­ten Zwecken, während eine ge­setz­li­che Ein­glie­de­rung in eine öff­ent­lich-recht­li­che Körper­schaft pri­vate Ak­teure für öff­ent­li­che Auf­ga­ben in An­spruch nimmt. So­wohl die Bei­trags­er­he­bung als auch die Pflicht­mit­glied­schaft sind Ein­griffe in die nach Art. 2 Abs. 1 GG ge­schützte all­ge­meine Hand­lungs­frei­heit. Be­reits die Pflicht­mit­glied­schaft als sol­che ist nicht le­dig­lich recht­lich vor­teil­haft oder ein­griffs­neu­tral. Da­her ist die Gründung ei­ner öff­ent­lich-recht­li­chen Pflichtkörper­schaft, die nicht un­mit­tel­bar im GG be­stimmt ist, nur auf ge­setz­li­cher Grund­lage und durch Or­ga­ni­sa­ti­ons­akte möglich, die den Vor­ga­ben des GG genügen.

Die Ein­bin­dung in die In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern im Wege der Pflicht­mit­glied­schaft ist ge­recht­fer­tigt. Die in § 1 IHKG nor­mier­ten Auf­ga­ben ent­spre­chen der für die wirt­schaft­li­che Selbst­ver­wal­tung ty­pi­schen Ver­bin­dung von In­ter­es­sen­ver­tre­tung, Förde­rung und Ver­wal­tungs­auf­ga­ben, die vom BVerfG be­reits mehr­fach als le­gi­ti­mer Zweck für die Pflicht­mit­glied­schaft an­ge­se­hen wurde. Ge­rade die Pflicht­mit­glied­schaft si­chert, dass alle re­gio­nal Be­trof­fe­nen ihre In­ter­es­sen ein­brin­gen können und diese fach­kun­dig ver­tre­ten wer­den. Dies ist auch mit Blick auf die wei­te­ren Auf­ga­ben der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern, Prüfun­gen ab­zu­neh­men und Be­schei­ni­gun­gen zu er­tei­len, ge­fragt.

Die Re­ge­lun­gen zur Pflicht­mit­glied­schaft sind ge­eig­net, diese Zwecke zu er­rei­chen, und da­mit eine taug­li­che Grund­lage für die Er­he­bung von Beiträgen. Das GG steht nicht ent­ge­gen, wenn mit der Pflicht­mit­glied­schaft al­ler Ge­wer­be­trei­ben­den ei­nes Be­zirks die Vor­aus­set­zun­gen dafür ge­schaf­fen wer­den, ein Ge­samt­in­ter­esse zu er­mit­teln, das tatsäch­lich alle Be­triebe und Un­ter­neh­men berück­sich­tigt. Der Ein­griff in die all­ge­meine Hand­lungs­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin­nen er­scheint un­ter Berück­sich­ti­gung des wei­ten Ein­schätzungs­spiel­raums des Ge­setz­ge­bers er­for­der­lich. Es ist nicht er­sicht­lich, dass den In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern Auf­ga­ben zu­ge­wie­sen wur­den, die unnötige Kos­ten nach sich zie­hen, oder dass es an­dere Möglich­kei­ten gebe, fi­nan­zi­elle Mit­tel mit ge­rin­ge­rer Ein­griffs­wir­kung glei­chermaßen verläss­lich von den Be­trof­fe­nen zu er­he­ben. Eine frei­wil­lige Mit­glied­schaft ist keine ver­fas­sungs­recht­lich ein­deu­tig we­ni­ger be­las­tende Al­ter­na­tive.

Die Pflicht­mit­glied­schaft ist auch zu­mut­bar, um die le­gi­ti­men Ziele des Ge­setz­ge­bers zu er­rei­chen, und kann die Bei­trags­pflicht tra­gen. Die Wahr­neh­mung des Ge­samt­in­ter­es­ses ge­lingt al­ler­dings nur, wenn ab­wei­chende In­ter­es­sen ein­zel­ner Mit­glie­der oder grund­le­gende In­ter­es­sen­kon­flikte, die für ein­zelne Mit­glie­der von er­heb­li­cher Be­deu­tung sind, in den In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern berück­sich­tigt wer­den. § 1 Abs. 1 IHKG be­inhal­tet ein Abwägungs­ge­bot und ge­rade nicht die Auf­gabe der rei­nen In­ter­es­sen­ver­tre­tung. Dar­aus folgt auch ein Min­der­hei­ten­schutz. Die Bei­trags­pflicht auf der Grund­lage der Pflicht­mit­glied­schaft in den Kam­mern ist schließlich auch mit den An­for­de­run­gen des De­mo­kra­tie­prin­zips (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) ver­ein­bar. Es er­ge­ben sich ins­be­son­dere aus dem De­mo­kra­tie­prin­zip keine durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken ge­gen die Bin­nen­ver­fas­sung der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dun­gen ist auf der Home­page des BVerfG veröff­ent­licht.
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