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Beschränkte Erbenhaftung für vom Nachlassverwalter verursachte Steuerschulden

BFH 10.11.2015, VII R 35/13

Im Fall der Nach­lass­ver­wal­tung kommt es für die Be­schränkung der Er­ben­haf­tung gem. § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 1975 BGB al­lein dar­auf an, ob zi­vil­recht­lich eine Nach­lass­ver­bind­lich­keit vor­liegt. Dass der Nach­lass we­der Ein­kom­men­steuer- noch Körper­schaft­steu­er­sub­jekt ist, führt nicht zur Ab­leh­nung ei­ner sol­chen Nach­lass­ver­bind­lich­keit. Wird eine Steu­er­schuld der Er­ben durch die Tätig­keit des Nach­lass­ver­wal­ters ver­ur­sacht, liegt zi­vil­recht­lich viel­mehr eine Nach­lass­ver­bind­lich­keit in Form der Erb­fall­schuld vor.

Der Sach­ver­halt:
Der Va­ter der Kläge­rin war Kom­man­di­tist ei­nes ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds und er­zielte hier­durch Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb. Er ver­st­arb im No­vem­ber 2002. Zu­vor hatte er auf­grund von Ver­lust­zu­wei­sun­gen ein ne­ga­ti­ves Ka­pi­tal­konto auf­ge­baut. Auf An­trag der Er­ben, zu de­nen auch die Kläge­rin gehört, ord­nete das Nach­lass­ge­richt im Ja­nuar 2003 die Nach­lass­ver­wal­tung an und be­stellte einen Nach­lass­ver­wal­ter. Der Nach­lass­ver­wal­ter kündigte die Kom­man­dit­be­tei­li­gung im Fe­bruar 2003 zum 31.12.2004, dem frühestmögli­chen Zeit­punkt. Dem Nach­lass flos­sen durch die Kündi­gung keine Mit­tel zu. Der Fonds setzte seine For­de­run­gen auf Rück­zah­lung von Aus­schüttun­gen nicht durch, da das Nach­lass­vermögen nach Ab­zug der Kos­ten für die Nach­lass­ver­wal­tung 0 € be­trug.

Das für den Fonds zuständige Fi­nanz­amt er­mit­telte in dem be­standskräfti­gen Ge­winn­fest­stel­lungs­be­scheid für das Jahr 2004 einen an­tei­li­gen Veräußerungs­ge­winn der Kläge­rin i.H.v. rd. 36.000 €, der aus der Auflösung des ne­ga­ti­ven Ka­pi­tal­kon­tos stammt. Das Fi­nanz­amt setzte die Ein­kom­men­steuer für das Jahr 2004 ge­genüber der Kläge­rin un­ter nachträgli­cher Berück­sich­ti­gung die­ses Veräußerungs­ge­winns fest. Der Be­scheid ist be­standskräftig und führte zu ei­ner Ein­kom­men­steu­er­nach­zah­lung ein­schließlich So­li­da­ritätszu­schlag und Zin­sen i.H.v. rd. 18.000 €.

Nach­dem die Kläge­rin mit ih­rem Hin­weis auf die be­schränkte Er­ben­haf­tung gem. § 1975 BGB kei­nen Er­folg hatte, zahlte sie die auf den Veräußerungs­ge­winn ent­fal­len­den Steu­er­beträge, um wei­tere Voll­stre­ckungsmaßnah­men zu ver­mei­den. Mit ih­rer Klage wen­det sich die Kläge­rin ge­gen den Ab­rech­nungs­be­scheid des Fi­nanz­amts vom 11.8.2009, der hin­sicht­lich der auf den Veräußerungs­ge­winn ge­zahl­ten Steu­er­beträge kei­nen Er­stat­tungs­an­spruch der Kläge­rin aus­wies.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und änderte den Ab­rech­nungs­be­scheid des Fi­nanz­amts vom 11.8.2009 da­hin­ge­hend, dass der Kläge­rin ein Er­stat­tungs­be­trag gem. § 37 Abs. 2 AO i.H.v. rd. 18.000 € zu­steht.

Die Gründe:
So­weit das Fi­nanz­amt einen Er­stat­tungs­an­spruch i.H.v. 18.000 € ab­ge­lehnt hat, ist der an­ge­foch­tene Ab­rech­nungs­be­scheid (§ 218 Abs. 2 AO) rechts­wid­rig und ver­letzt die Kläge­rin in ih­ren Rech­ten. Der Ab­rech­nungs­be­scheid war ent­spre­chend zu ändern.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG lie­gen hier die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner dau­er­haf­ten Ein­rede gem. § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 1975 BGB vor, so dass der Kläge­rin der gel­tend ge­machte Er­stat­tungs­an­spruch gem. § 37 Abs. 2 AO zu­steht. Nach § 45 Abs. 2 S. 1 AO ha­ben Er­ben für die aus dem Nach­lass zu ent­rich­ten­den Schul­den nach den Vor­schrif­ten des bürger­li­chen Rechts über die Haf­tung des Er­ben für Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten ein­zu­ste­hen. Der Se­nat weicht in­so­fern von sei­ner Recht­spre­chung in BFHE 168, 206, BStBl II 1992, 781 ab, die auch im Fall ei­ner Nach­lass­ver­wal­tung al­len­falls von ei­ner Nach­las­ser­ben­schuld, d.h. ei­ner Dop­pel­stel­lung als Nach­lass­ver­bind­lich­keit und als Ei­gen­schuld des Er­ben, aus­ge­gan­gen ist und hierfür maßgeb­lich dar­auf ab­ge­stellt hat, dass nach dem Tod des Erb­las­sers al­lein der Erbe den ein­kom­men­steu­er­li­chen Tat­be­stand der Einkünf­te­er­zie­lung ver­wirk­licht.

Nach der geänder­ten Auf­fas­sung des Se­nats kommt es für die An­wen­dung des § 45 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 1975 BGB al­lein dar­auf an, ob zi­vil­recht­lich eine Nach­lass­ver­bind­lich­keit vor­liegt. Dass der Nach­lass als sol­cher we­der Ein­kom­men­steuer- noch Körper­schaft­steu­er­sub­jekt ist, son­dern al­lein der Erbe den steu­er­recht­li­chen Tat­be­stand der Einkünf­te­er­zie­lung ver­wirk­li­chen kann, führt nicht zur Ab­leh­nung ei­ner Nach­lass­ver­bind­lich­keit. Aus § 45 Abs. 2 S. 1 AO er­ge­ben sich keine An­halts­punkte für eine Bes­ser­stel­lung des Fis­kus. Als Nach­lass­ver­bind­lich­keit sind gem. § 1967 Abs. 2 BGB nicht nur die vom Erb­las­ser herrühren­den Schul­den (Erb­las­ser­schul­den), son­dern auch die den Er­ben als sol­chen tref­fen­den Ver­bind­lich­kei­ten (Erb­fall­schul­den) an­zu­se­hen. Vor­lie­gend fal­len die auf den Veräußerungs­ge­winn ent­fal­len­den Steu­er­beträge un­ter die Fall­gruppe der Erb­fall­schul­den.

Zu den Erb­fall­schul­den gehören zi­vil­recht­lich nicht nur die ausdrück­lich in § 1967 Abs. 2 BGB ge­nann­ten Ver­bind­lich­kei­ten aus Pflicht­teils­rech­ten, Vermächt­nis­sen und Auf­la­gen, son­dern u.a. auch die­je­ni­gen Ver­bind­lich­kei­ten, die zwar nicht mit dem Erb­fall, aber in­folge des Erb­falls ent­ste­hen. Diese Un­ter­gruppe kann als Nach­lass­kos­ten- bzw. Nach­lass­ver­wal­tungs­schul­den be­zeich­net wer­den. Sie er­fasst u.a. die durch die Tätig­keit ei­nes Nach­lass­ver­wal­ters ver­ur­sach­ten Ver­bind­lich­kei­ten. Nach­las­ser­ben­schul­den, die so­wohl als Nach­lass­ver­bind­lich­keit als auch als Ei­gen­schuld des Er­ben an­zu­se­hen sind, set­zen da­ge­gen eine ei­genhändige Ver­wal­tung des Nach­las­ses durch den Er­ben vor­aus.

Im Streit­fall hat der Nach­lass­ver­wal­ter die Kom­man­dit­be­tei­li­gung gekündigt und da­mit die auf den Veräußerungs­ge­winn ent­fal­lende Ein­kom­men­steu­er­schuld aus­gelöst. Un­abhängig da­von, ob er dazu trotz der grundsätz­li­chen Ein­schränkung der Ver­wal­tungs­be­fug­nis im Rah­men der Be­tei­li­gung an Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten gem. § 1985 BGB i.V.m. ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung des § 725 BGB be­fugt war, kommt so­mit keine Nach­las­ser­ben­schuld in Be­tracht. Die durch den Nach­lass­ver­wal­ter aus­ge­spro­chene Kündi­gung führt viel­mehr zu ei­ner Erb­fall­schuld in Form ei­ner Nach­lass­ver­wal­tungs­schuld. Für diese (reine) Nach­lass­ver­bind­lich­keit kann sich die Kläge­rin auf die Be­schränkung der Er­ben­haf­tung gem. § 1975 BGB be­ru­fen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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