Der Sachverhalt:
Die klagenden Eheleute sind deutsche Staatsangehörige, die im Streitjahr 2008 ihren Wohnsitz in Deutschland hatten und hier zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden waren. Die Klägerin hatte von 2008 bis 2009 an einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan als "Democratization Officer" in sog. sekundierter Position teilgenommen; dabei war sie in die Organisation der Mission eingegliedert und unterlag ihren Weisungen.
Das Finanzamt setzte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die gesamten Bezüge als steuerpflichtige Einnahmen an, denen es zur Ermittlung der Einkünfte Werbungskosten i.H.v. 15.350 € gegenrechnete. Das Besteuerungsrecht für die BLA folge aus § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 n.F. unbeschadet der Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Aserbaidschan (seit 28.12.2005 in Kraft).
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage überwiegend statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Das FG hatte bezogen auf die von der OSZE gezahlten BLA die Anwendung von § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F. rechtsfehlerhaft ausgeschlossen.
Das angefochtene Urteil verletzte das Bundesrecht insoweit, als es § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F. keine die abkommensrechtliche Steuerfreistellung wiederum ausschließende Wirkung beigemessen hat. Denn die Klägerin hatte den nach dieser Regelung erforderlichen Nachweis nicht erbracht. Die durch das Zustimmungsgesetz zum DBA-Aserbaidschan in nationales Recht überführte Regelung des Abkommens (Art. 23 Abs. 1a S. 1 DBA-Aserbaidschan), die ein solches Nachweiserfordernis für eine Steuerfreistellung nicht vorsieht, hat keinen Vorrang gegenüber § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F.
Nach dieser Bestimmung wird "die Freistellung bei der Veranlagung ungeachtet des Abkommens" nur unter bestimmten Bedingungen gewährt. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber in eindeutig zum Ausdruck gebracht, das Abkommensrecht zu derogieren. Dem FG war nicht darin beizupflichten, dass sich dem Wortlaut des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 n.F. nicht eindeutig und zwingend entnehmen lasse, dass dieser Vorrang auch Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) erfassen soll, die nach Erlass des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 n.F. in Kraft getreten sind. Der Wortlaut lässt vielmehr keinerlei Einschränkung in zeitlicher Hinsicht erkennen.
Entgegen der Ansicht des FG ließ sich auch aus der Existenz von - dem Inkrafttreten der Regelung des § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F. zeitlich nachfolgenden - DBA, die teilweise (wie hier) keinen Vorbehalt zur Anwendung der Freistellungsmethode enthalten, teilweise jedoch die Anwendung der Freistellungsmethode von der tatsächlichen Besteuerung im Ausübungsstaat abhängig machen, keine tragfähige Begründung zu einer Einschränkung des Wirkbereichs des § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 n.F. ableiten. Letzteres hieße, dem Normgeber - auf der Grundlage einer Verpflichtung, eine solche Sachfrage vorrangig bilateral zu regeln, den Willen zu unterstellen, durch das Zustimmungsgesetz im sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens die bereits vorhandene nationale Regelung mit einer einengenden Voraussetzung für die Steuerfreistellung (teilweise) außer Kraft zu setzen ("national law override") und deren Regelungszweck nur noch nach abweichenden Maßgaben aufrecht zu erhalten. Da dies aber für die geltende Abkommenslage im vorliegenden Fall nicht ersichtlich war, konnte die Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel zum Vorrang des späteren Gesetzes (lex-posterior-Grundsatz) nicht zum Tragen kommen.
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