Der Sachverhalt:
Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung, deren Finanzierung ganz überwiegend aus Zuschüssen von Bund und Ländern erfolgt. Er unterhält Forschungsinstitute, die von in- und ausländischen Wissenschaftlern geleitet werden. Deren Bezahlung orientiert sich an der beamtenrechtlichen Besoldung eines Hochschullehrers. Der Kläger schloss am 15.12.2011 mit dem bis Ende September 2012 in der Schweiz wohnhaften Wissenschaftler X einen Arbeitsvertrag, nach dem dieser ab 1.1.2012 bis 30.9.2012 zunächst nebenamtlich als wissenschaftliches Mitglied des Klägers und ab 1.10.2012 hauptamtlich als Direktor am H-Institut tätig werden sollte. In der Zeit der nebenamtlichen Beschäftigung sollte X mtl. 1.500 € erhalten. Der Arbeitsvertrag wurde in der Folgezeit vollzogen.
Bereits am 21.11.2011 hatte der Kläger X über das Vertragsangebot mit dem Hinweis auf eine Einmalzahlung i.H.v. 200.000 € informiert. Die von einer öffentlichen gemeinnützigen Stiftung des bürgerlichen Rechts zu gewährende Einmalzahlung sollte dem Wissenschaftler die Entscheidung erleichtern, das Stellenangebot eines hauptamtlichen Direktors anzunehmen und seine bisherige Stelle aufzugeben. Daneben sollte es den Forscher für einige Jahre an den Kläger binden; der Betrag war deshalb zurückzuzahlen, wenn X vor Ablauf von fünf Jahren ab voller Aufnahme seiner Tätigkeit am H-Institut aus dem Dienst ausscheidet.
Im Mai 2012 stellte der Kläger beim Finanzamt den Antrag, ihm aufgrund des DBA-Schweiz eine Bescheinigung über die Freistellung der Einmalzahlung vom Lohnsteuerabzug zu erteilen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Ein Teilbetrag von 110.000 € wurde im Juni 2012 vom Kläger an X ausgezahlt. In der Lohnsteueranmeldung für diesen Monat wurde die Zahlung nicht als lohnsteuerpflichtiger Vorgang erfasst.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Weigerung des Finanzamts, dem Steuerpflichtigen eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen, war rechtmäßig. Die streitige Einmalzahlung gehörte zu den Einkünften des X aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG und Deutschland hatte gem. Art. 15 Abs. 1 S. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 das Recht, diese Einkünfte zu besteuern.
Zum Arbeitslohn gehören auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis, z.B. auch vor Arbeitsvertragsschluss geleistete Handgelder und Antrittsprämien. Da es genügt, dass sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers darstellt, besteht kein Zweifel am Arbeitslohncharakter der Einmalzahlung. Für das Besteuerungsrecht Deutschlands kommt es nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2, S. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 darauf an, dass die Arbeit im anderen als dem Ansässigkeitsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Im Streitfall hat X die Einmalzahlung für ("dafür") eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit bezogen, sodass Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht.
Das zeitliche Auseinanderfallen von Zahlung und Ausübung der Tätigkeit als Direktor eines Forschungsinstituts des Klägers ist hierbei unschädlich. Denn dem Abkommenswortlaut ist nicht zu entnehmen, dass Vergütungen, die im Hinblick auf ein zukünftiges Arbeitsverhältnis oder eine künftige Arbeitsausübung gezahlt werden, vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 S. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 im Besonderen oder von Art. 15 DBA-Schweiz 1971/2010 im Allgemeinen ausgenommen sein sollen. Eine vorab gewährte Vergütung kann nicht anders behandelt werden als nachträglich ausgezahlter Arbeitslohn, der dem Besteuerungsrecht des früheren Tätigkeitsstaats unterliegt. Die Verteilung der Besteuerungsrechte ist demnach unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung vorzunehmen.
Die Einmalzahlung an X gehörte i.S.v. Art. 15 Abs. 1 S. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 zu den "dafür" (d.h. "für" die Arbeit) bezogenen Vergütungen. Sie wurde nicht lediglich aus Anlass der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern für die konkrete Tätigkeit von X als Direktor eines Forschungsinstituts gewährt. Ein solcher Bezug zwischen der Vergütung und einer konkreten Tätigkeit setzt kein nach Arbeitsstunden oder Arbeitsmonaten bemessenes Gehalt voraus. Für eine derartige Einschränkung findet sich im Abkommenswortlaut kein Anhalt.
Vorliegend wurde die Einmalzahlung auch nicht lediglich für das Unterschreiben des Arbeitsvertrags gewährt, sondern, für die mindestens fünfjährige Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Eine mindestens fünfjährige Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bedeutet nichts anderes als ein fünfjähriges Tätigsein (Arbeitsausübung) als Direktor eines bestimmten Forschungsinstituts mit bestimmter Aufgabenbeschreibung. Wenn die Einmalzahlung aber (auch) dafür gewährt wurde, dann ging es den Beteiligten um ein zusätzliches, vorausgezahltes Arbeitsentgelt für eine konkrete Arbeitnehmertätigkeit in Deutschland und nicht lediglich um eine Motivationszahlung, um X die positive Entscheidung für die Annahme des Arbeitsangebots zu erleichtern.
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