Der Sachverhalt:
"Der Kaufpreis für das Praxisauto, sowie Instrumentarium und Einrichtungsgegenstände beträgt pauschal 7.000 € (Da es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, ist der Umsatz nicht steuerbar, es fällt keine Umsatzsteuer an." Für den ideellen Wert der Praxis wurde keine Ablösung verlangt. Bezüglich der laufenden Behandlungs- und sonstigen Aufträge sah der Praxisübergabevertrag den Eintritt von Frau N. in diese Rechtsbeziehungen vor. Die bis zum Übergabezeitpunkt entstandenen Honoraransprüche und sonstigen Ansprüche aus laufenden Aufträgen sollten dem Kläger zustehen. Für Verbindlichkeiten, die er bis zum Tage der Praxisübergabe eingegangen war, sollte er allein aufkommen. Die der Praxis dienenden Räume im Hause sollte der Kläger an die Käuferin per gesondertem Vertrag vermieten.
Eine Betriebsaufgabe hinsichtlich der Tierarztpraxis erklärte der Kläger nicht. Zum 1.8.2013 meldete er einen Bio-Fleischhandel an. Der Kläger gab an, er sei aus ethischen Gründen nicht mehr gewillt, den enormen Medikamentenhandel zu betreiben. Das sei einer der Gründe für die Abgabe der Großtierpraxis gewesen. Nachdem Frau N. im Jahr 2016 die Großtierpraxis eingestellt habe, nutze die Kleintierpraxis die Räumlichkeiten der Großtierpraxis mit.
Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass eine Zwangsbetriebsaufgabe nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle, vorliege. Das Finanzamt erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2013, in dem es einen Betriebsaufgabegewinn von 67.347 € berücksichtigte. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Durch die Einstellung der Großtierpraxis des Klägers, verbunden mit der Weitergabe seiner Praxis an Frau N. hatte der Kläger trotz fehlender Betriebsaufgabeerklärung seine selbständige Tätigkeit als Tierarzt aufgegeben. Es handelte sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich um eine Betriebsverpachtung bzw. -unterbrechung, sondern um eine zwangsweise Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG, die zur Aufdeckung der stillen Reserven führt.
In einer Konstellation, in der ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an die Nachfolgerin verpachtet wurden, liegt nur dann eine Betriebsverpachtung im Ganzen vor, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellten. Das war hier aber gerade nicht der Fall. Wesentliche Betriebsgrundlage der Tierarztpraxis des Klägers war - zumindest auch - der Praxiswert/Patientenstamm. Bei einer freiberuflichen Praxis gehören nämlich immaterielle Wirtschaftsgüter wie der Praxiswert/Patientenstamm regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.
Der Kläger hatte im März 2013 somit wesentliche Betriebsgrundlagen seiner Praxis vollständig entäußert, indem er Frau N. den ideellen Praxiswert und den Kunden/Patientenstamm überließ. Die Nutzung des vorhandenen Praxiswertes und des Patientenstammes war auch so konzipiert, dass er sie auf Dauer aufgab und nicht - etwa nach einer bestimmten Zeit oder nach Ablauf eines Vertrages - zurückerhalten sollte. Der Praxisübergabevertrag bezeichnet den Kläger zudem als "Verkäufer" und die Nachfolgerin als "Käufer". Es sollte eine "Geschäftsveräußerung im Ganzen" erfolgen.
Da dem Kläger nach dem Praxisübergabevertrag auf Dauer nicht mehr alle wesentlichen Betriebsgrundlagen zur Verfügung standen, schied auch eine Betriebsunterbrechung im engeren Sinne aus. Der Kläger hatte seine Tätigkeit nicht schlichtweg ruhen lassen. Dem bei freiberuflichen Tätigkeiten zusätzlichen Erfordernis, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt worden sein muss, ist im Streitfall genügt. Denn der Kläger hat seine Tätigkeit als Tierarzt über einen Zeitraum von inzwischen mehr als fünf Jahren nicht mehr ausgeübt und seine Kunden- bzw. Patientenbeziehungen vollständig abgegeben.
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