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Steuerberatung

Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung im Umsatzsteuerrecht

BFH v. 29.4.2020 - XI R 3/18

Der Un­ter­neh­mer un­terhält je­den­falls dann eine Be­triebsstätte bzw. feste Nie­der­las­sung, wenn er um­fas­sen­den Zu­griff auf eine Ein­rich­tung hat, die einen hin­rei­chen­den Grad an Beständig­keit so­wie eine Struk­tur auf­weist, die von der per­so­nel­len und tech­ni­schen Aus­stat­tung her eine au­to­nome Er­brin­gung der be­tref­fen­den Dienst­leis­tung ermöglicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war in den Streit­jah­ren 2008 bis 2010 als be­ra­ten­der Volks­wirt un­ter­neh­me­ri­sch tätig. Der Sitz sei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit war S, seine Umsätze ver­steu­erte er nach ver­ein­nahm­ten Ent­gel­ten. In den Streit­jah­ren be­zog der Kläger Vergütun­gen aus ei­ner Tätig­keit als sog. in­ter­mit­tie­ren­der Lang­zeit­be­ra­ter ei­nes Pro­jekt­part­ners aus einem Nicht-EU-Staat. Ver­trags­part­ner wa­ren in­so­weit der nicht un­ter­neh­me­ri­sch tätige W. als Leis­tungs­empfänger mit Sitz in S so­wie die A-GmbH, eine 100-pro­zen­tige Toch­ter des J., die das Pro­jekt buch­hal­te­ri­sch ab­wi­ckelte.

Laut Ver­ein­ba­rung wa­ren Ein­satz­tage im In- und Aus­land ein­schließlich der Vor- und Nach­be­rei­tung, Rei­se­tage so­wie die Be­richt­er­stat­tung in Deutsch­land zu leis­ten (je Aus­lands­ein­satz min­des­tens 2/3 der Ein­satz­tage im Nicht-EU-Staat und bis zu 1/3 der Ein­satz­tage für Reise, Vor­be­rei­tung und Be­richt­er­stat­tung). Der Ein­satz des Klägers wurde durch Mit­tel des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für wirt­schaft­li­che Zu­sam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (BMZ) fi­nan­ziert. Die In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer (IHK) stellte auf­grund ent­spre­chen­der Ver­ein­ba­rung mit dem W. Büroräume so­wie eine In­fra­struk­tur mit Per­so­nal, das den Wei­sun­gen des Klägers un­ter­lag, zur Verfügung.

Schließlich er­hielt der Kläger im Streit­jahr 2010 Vergütun­gen für --auf eine Zeit­dauer von drei Jah­ren an­ge­legte-- Leis­tun­gen als in­ter­mit­tie­ren­der Lang­zeit­be­ra­ter im Rah­men ei­nes Part­ner­schafts­pro­jekts zwi­schen der IHK P (als Auf­trag­ge­be­rin) und Ein­rich­tun­gen der mit­telständi­schen Wirt­schaft in einem wei­te­ren Nicht-EU-Staat. Das Pro­jekt wurde gleich­falls durch das BMZ fi­nan­ziert. Die Tätig­keits­schwer­punkte des Klägers als Pro­jekt­ko­or­di­na­tor wa­ren die Be­ra­tung und Un­terstützung der Part­ner, ins­be­son­dere der IHK, Vor­be­rei­tung und Vor-Ort-Ko­or­di­na­tion der Einsätze von Kurz­zeit­ex­per­ten, Kos­ten­kal­ku­la­tio­nen und Fein­pla­nun­gen so­wie Ab­rech­nun­gen gemäß der Bun­des­haus­halts­ord­nung und den gel­ten­den Be­wil­li­gungs­be­din­gun­gen. Die IHK stellte für die Pro­jekt­dauer Büroräume zur Verfügung. Eine lo­kale Ko­or­di­na­to­rin hatte sei­nen dienst­li­chen Wei­sun­gen zu fol­gen.

In den Um­satz­steu­er­erklärun­gen des Klägers für die Streit­jahre sind die be­tref­fen­den Umsätze als nicht steu­er­bar an­geführt. Nach ei­ner Außenprüfung ge­langte der Prüfer zu der Auf­fas­sung, dass sich der Ort der be­tref­fen­den sons­ti­gen Leis­tun­gen --für die Streit­jahre 2008 und 2009 nach § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG 2005 und für das Streit­jahr 2010 nach § 3a Abs. 2 UStG 2009 je­weils im In­land be­fun­den habe und die des­halb steu­er­ba­ren Umsätze nach den ver­ein­nahm­ten Beträgen abzüglich der Um­satz­steuer zu be­mes­sen seien. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Gründe:
Das FG hatte die An­nahme ei­ner Be­triebsstätte bzw. ei­ner fes­ten Nie­der­las­sung des Klägers daran schei­tern las­sen, dass des­sen Verfügungs­ge­walt über die Sach- und Per­so­nal­mit­tel im Nicht-EU-Staat von vorn­her­ein auf die Nut­zung für die in dem Ver­trag mit dem Auf­trag­ge­ber be­zeich­ne­ten Leis­tun­gen an ge­nau die­sen Leis­tungs­empfänger, der ihm die Mit­tel al­lein zu die­sem Zweck zur Verfügung ge­stellt habe, und die Dauer eben­die­ses Pro­jekts be­schränkt ge­we­sen sei. Da­her habe es dem Steu­er­pflich­ti­gen an ei­ner Verfügungs­ge­walt ge­fehlt, die mit der ei­nes Mie­ters oder Ei­gentümers der Räume, Ei­gentümers der Aus­stat­tungs­ge­genstände und Ar­beit­ge­bers der Mit­ar­bei­ter im We­sent­li­chen ver­gleich­bar wäre.

Diese Aus­le­gung des Be­griffs der Be­triebsstätte bzw. der fes­ten Nie­der­las­sung ent­spricht je­doch nicht den Grundsätzen, die der EuGH und in des­sen Folge der BFH auf­ge­stellt ha­ben. Denn der Kläger war nicht nur im Rah­men der Er­le­di­gung der ihm über­tra­ge­nen Auf­ga­ben frei, son­dern er hatte auch um­fas­sen­den Zu­griff auf die ihm zur Verfügung ge­stell­ten Räume (er hatte je­der­zeit Zu­tritt), fer­ner hatte er Ein­fluss auf Be­schaf­fungs­ent­schei­dun­gen und die Aus­wahl von Per­so­nal, das sei­nen dienst­li­chen Wei­sun­gen zu fol­gen hatte. Diese "Ein­rich­tung" verfügte er­kenn­bar über einen aus­rei­chen­den Be­stand an Per­so­nal- und Sach­mit­teln, der für die Er­brin­gung der be­tref­fen­den Dienst­leis­tun­gen er­for­der­lich war; sie wies einen hin­rei­chen­den Grad an Beständig­keit so­wie eine Struk­tur auf, die von der per­so­nel­len und tech­ni­schen Aus­stat­tung her eine au­to­nome Er­brin­gung der vom Steu­er­pflich­ti­gen ge­schul­de­ten Dienst­leis­tun­gen ermöglichte.

Dass die Per­so­nal- und Sach­mit­tel dem Steu­er­pflich­ti­gen auf Ge­heiß des Auf­trag­ge­bers von einem Drit­ten ge­rade nur für die­ses Pro­jekt und le­dig­lich für des­sen Dauer ge­stellt wur­den, steht der An­nahme ei­ner fes­ten Nie­der­las­sung des Steu­er­pflich­ti­gen nicht ent­ge­gen. Für die An­nahme ei­ner fes­ten Nie­der­las­sung ist es not­wen­dig, aber auch aus­rei­chend, dass die für die Er­brin­gung be­stimm­ter Dienst­leis­tun­gen er­for­der­li­chen per­so­nel­len Mit­tel und Be­triebs­mit­tel ständig vor­han­den sind und diese Nie­der­las­sung da­mit einen ge­wis­sen Be­stand hat. Es ent­sprach nicht den von EuGH und BFH für die Aus­le­gung des Be­griffs der Be­triebsstätte bzw. der fes­ten Nie­der­las­sung auf­ge­stell­ten Grundsätzen, dass das FG die An­nahme ei­ner Be­triebsstätte bzw. ei­ner fes­ten Nie­der­las­sung des Steu­er­pflich­ti­gen daran hatte schei­tern las­sen, dass des­sen Verfügungs­macht über die Sach- und Per­so­nal­mit­tel nicht über die Ver­wen­dung für die ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Leis­tun­gen hin­aus­ge­gan­gen war.

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